Kapitel 28

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Han saß vor seinem Computer und recherchierte nach dem Begriff ,,Soziophobie", woraufhin er mehrere Treffer bekam. Es war ein Tag vergangen und sein Zustand hatte sich verbessert, sodass er morgen entlassen wurde. Er konnte wieder problemlos schnelle Bewegungen ausführen, aufrecht sitzen und das Essen schmeckte mal nach etwas. Das konnte aber auch damit zu tun haben, dass das Krankenhaus seitdem er das letzte mal dagewesen war einfach anderes Essen machte. Mit einem Kakao in der Hand surfte er durch die Websites. Am liebsten wollte er alles über seine Krankheit... Nein, Phobie herausfinden. Er war nicht krank er hatte eine Phobie ohne etwas dafür zu können. Er war nicht krank. War das nun die Wahrheit oder wollte er sich bloß selbst davon überzeugen? Besser den Gedanken verdrängen! Kurz schüttelte er den Kopf und machte sich weiter ans suchen. Er fand heraus, dass es tatsächlich ungewöhnlich war in so jungen Jahren ohne das Zutun der Gene an einer SAS zu erkranken. Es war eine chronische, psychische Erkrankung - immer dieses Wort: ErKRANKung - , auf Genetik, Umweltfaktoren, aber eben auch auf bestimmte Ereignisse in den Erwachsenenjahren. Aber erwachsen war er bestimmt nicht, das war man erst mit achtzehn, dauerte also noch ganze 3 1/2 Jahre. Die ganzen Sachen hatte der Arzt ja schon genannt. Im Kopf machte er sich eine kleine liste an Sachen an denen es liegen könnte die sah dann am Ende so aus:

Ursachen

Genetik, Umweltfaktoren und Erfahrungen in den Erwachsenenjahren könnten für den Zustand verantwortlich sein

Wächst in einer phobischen Umgebung auf                                                                                          Traumatisches / demütigendes gesellschaftliches Ereignis                                                            Jugendliche können diesen Zustand als Folge von unsicheren Bindungen mit ihren Müttern entwickeln, wenn Säuglinge                                                                                                                            Aufwachsen mit überprotektiven oder hyperkritischen Eltern                                                                    Einige Kulturen sind zu schwach und können dazu führen, dass man diesen Zustand entwickelt Substanz verwenden vor allem Alkohol oder Benzodiazepine  


Die Punkte 2 und 4 schienen Han am vernünftigsten, seine Eltern waren auf jeden Fall überprotektiv. Und es war auf jeden Fall ein traumatisches Ereignis gewesen, etwas derart demütigendes, was zur Phobie führen konnte, hatte er noch nie erlebt. Leider gab es keine Hinweise auf welche Umweltfaktoren eine SAS zurückführen zu sein könnte, jedoch war er sich eh sicher, dass es an dem Brand gelegen hatte. Da kam Minho ins Zimmer. Die anderen waren bereits gegangen, doch er hatte gesagt, er wolle bleiben. Das war ihm mehr als Recht. Sein eigentlicher Zimmergenosse setzte sich auf die Bettkante. ,,Musst du nicht eigentlich im Unterricht sein?", erkundigte er sich bei ihm, denn es stimmte. Es war Donnerstag morgen, gerade sollte er im Klassenraum sitzen. ,,Ich habe mit Professor Orion gesprochen, ich bin vom Unterricht befreit. Solange du im Krankenhaus bist darf ich auch hier sein. Er sagt es sei zur ,,mentalen Unterstützung". Ich finde das passt", lautete Minhos Antwort. Grinsend setzte er sich ein Stück auf und gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. Eine kleine Zeit lang sahen die beiden sich bloß lächelnd gegenseitig an, verloren sich geradezu in den Augen des anderen. ,,Komm, ich lege mich zu dir", meinte Minho dann irgendwann. Gesagt, getan. Wie gestern auch schon ruhte Jisungs Kopf auf dem Arm seines Freundes, und dessen Arm auf seiner Hüfte. Seine Stimme war beinahe ein flüstern, er wollte diesen Moment nun nicht zerstören. ,,Was denkst du Minho, sagen wir es den anderen? Also, dass wir zusammen sind meine ich." ,,Ich denke, wir sollten noch ein wenig warten. Oder fühlst du dich schon bereit dafür?" ,,Nein ich glaube es ist wirklich besser noch zu warten. Dann können wir uns richtig darauf vorbereiten und fallen auch nicht so mit der Tür ins Haus. Dann sprechen wir uns einfach ab und... sagen es zusammen oder so. Keine Ahnung, vielleicht auch jeder einzeln aber du weißt was ich meine, oder?" Minho antwortet nicht sofort. ,,Ja, ich verstehe dich. Irgendwie ist das alles ziemlich viel auf einmal nicht? Aber hey, schlaf lieber noch ein bisschen, du wirkst schon die ganze Zeit so müde." Erst jetzt fiel Han auf, dass das stimmte. Seine Lider fühlten sich bleiern an, wie hatte er es bloß hinbekommen sie offen zu halten? Keine Sekunde nachdem er dies gedacht hatte, fielen ihm schon die Augen zu. Er träumte von Minho. Er stand vor ihm, seine Augen rot wie Feuer. Nur einen einzelnen Satz sagte dieser Albtraum-Minho, aber dafür andauernd, nahezu in Endlosschleife. ,,Gib es mir. Gib es mir. Gib es mir. Gib es mir." Schweißgebadet erwachte er. Es konnte nicht sehr lange her sein das er eingeschlafen war, dem Licht aus dem Fenster nach zu urteilen, doch Minho war nicht mehr da. Irgendwann hatte er seinen Arm wohl unter Jisungs Kopf weggezogen, er hatte es nicht einmal bemerkt. Er saß nirgendwo im Raum, wo war er bloß hingegangen? Plötzlich kroch die Angst ihm den Rücken hoch, sodass es einen kalten Schauer verursachte. Was, wenn Minho entführt worden war? Nein, er hätte geschrien, und sie befanden sich in einem Krankenhaus, dort kam so schnell niemand auf falsche Ideen. Bestimmt war hier alles professionell überwacht. Oder nicht? Nein, jetzt nicht von der Angst auffressen lassen. Wahrscheinlich wollte Minho nur kurz etwas holen gehen, vielleicht kaufte er sich gerade Muffins unten im Speisesaal. Entschieden verdrängte Han den Gedanken aus seinem Kopf. Doch auch nach geraumer Zeit tauchte Minho nicht wieder auf. Was tat dieser Kerl denn? Aber naja, viel konnte er in seinem Zustand ja auch nicht ausrichten. Er vertrieb sich die zeit damit, in seinem Buch zu lesen, gelegentlich die Wand anstarren, mit seiner Serie und noch so vielen weiteren Dingen. Insgesamt war es jedoch ziemlich langweilig. Minho war immer noch nicht wieder da. Mittlerweile schien die Abendsonne durch das Fenster herein. Auf einmal klopfte es an der Tür und... Minho trat ein. Erleichtert atmete Jisung aus. Alles war gut, Minho ging es gut. ,,Wo warst du so lange?", war das erste was er fragte. ,,Ich... musste was erledigen", lautete Minhos nicht sehr glaubwürdige Antwort. ,,Was musstest du denn erledigen?" ,,Ich...Äh... I-Ich musste ins Internat und lernen." ,,Davor hast du doch noch gesagt du musst nicht in den Unterricht, wegen mir." ,,A-A-Also..... Oh Gott, dass kann man nicht erklären." Minho seufzte tief, während er selbst nur Bahnhof verstand. Was konnte man nicht erklären? Und wieso hatte er ihn angelogen? da kam Minho von der Tür her auf ihn zu, blieb direkt vor ihm stehen. ,,Hey, hey, hey, was machst du da? Warum werden deine Augen auf einmal wieder blau?" So durchdringend hatte ihn noch nie jemand angeschaut, das war irgendwie gruselig. Und das blaue in Minhos Augen konnte nur eins bedeuten; er setzte seine Oblivion-Fähigkeiten ein. Da fing sein gegenüber auch schon an zu sprechen: ,,Du vergisst, dass ich heute weg war. Du vergisst das, was wir gerade eben geredet haben. Ich lag die ganze zeit hier bei dir..." Bestimmt redete er noch weiter, doch Han bekam es nicht mehr mit. Er war wie hypnotisiert von Minhos Augen, alles in seinem Kopf wurde mit weißen, wabernden, unwissenden Wolken ausgefüllt, und er fiel wieder in tiefen, tiefen Schlaf.

Academy of Shadows (Minsung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt