7 - Der Wald vor lauter Bäumen

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Ihrer Miene nach zu urteilen war die rotbraun Getigerte gerade bei ihrer Mutter gewesen. Als sie Haseljunges erblickte, hellte sich ihr Gesicht auf.  "Habt ihr den Kampf gut überstanden?" wollte sie wissen.

"Ja, kein Kratzer. Helljunges und ich haben Efeusturm geholfen, was Frostpfote und Plätscherpfote gemacht haben, weiß ich nicht, aber im Heilerbau habe ich sie nicht getroffen." schnurrte Haseljunges stolz, dann sah sie zum Himmel. Dunkelblaue Wolken ballten sich am Horizont.

"Oh, ich muss los! Goldstreif hat mich gebeten, Rotfuß zu holen. Hast du Ahornpfote gesehen?"

"Nein, du?"

"Nur kurz, vorm Heilerbau. Vielleicht triffst du ihn ja noch."

"Ja, ich gehe ihn mal suchen." Rosenpfote machte sich auf den Weg in Richtung Schülerbau. Haseljunges zuckte zufrieden mit dem Schweif. Freunde hin oder her, ihren ersten Ausflug aus dem Lager wollte sie allein erleben. Sie sah sich verschwörerisch um und kletterte dann im Schatten einer großen Eiche den Abhang hinauf.

Er war steinig, aber die bodendeckenden Winden gaben ihren kleinen Krallen genug Halt, um sich hinaufzuziehen. Die Sonne brannte auf ihrem Pelz.

Als sie oben angelangt war, sah sie nicht hinunter, aus Angst, jemand könne sie sehen, sondern tauchte gleich in die wohtuende Kühle des Laubwaldes ein. Alte Blätter raschelten unter ihren Pfoten, ab und zu musste sie sich durch hohes Gras, unbekannte Pflanzen und Sträucher kämpfen. Nachdem sie fast das halbe Tal umrundet hatte, roch sie endlich die Patroullie - Ginsterkralles und Wieselpfotes Geruch konnte sie unter vielen unterscheiden.

Freudig folgte sie den Spuren, die die samtigen, vorsichtigen Pfoten ihrer Clankameraden hinterlassen hatten, durch den Wald, ohne einen Blick auf den Rand ihres Weges zu werfen. Mittlerweile wurde das Unterholz lichter, endlich konnte sie frei und zügig laufen, ohne mit ihrem dichtem Fell hängen zu bleiben. Dennoch versuchte sie, die Spur nicht zu verlieren, was gar nicht so einfach war.

Dass es merkwürdig still geworden war, fiel der Kleinen erst auf, als sie stehen blieb, um den Geruch zu überprüfen. Die Vögel - sangen sie noch? Wo blieb das Rascheln in den Blättern der Bäume? Der Wind ging doch?

In der Ferne rumpelte es. Haseljunges' Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als ihr bewusst wurde, wie allein sie eigentlich gerade war. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter, Rosenpfote, Ahornpfote und Wieselpfote. Nach Plätscherpfote, Frostpfote und Helljunges. Aber alle waren nicht hier, nur noch der Geruch nach Ginsterkralle, Wolkenschleier, Orkanpfote, Rotfuß und Wieselpfote, ihr Leitfaden in der Wildnis. 

Als sie zurücksah, war da nur Wald, überall Bäume, vor ihr, hinter ihr, neben ihr. Selbst über ihr konnte sie nur ein Zipfelchen dunklen Himmel sehen, so hoch waren die Bäume. Der Boden unter ihren Pfoten fühlte sich mittlerweile weicher an, und als sie weiterlief, kam sie an Pflanzen vorbei, die sie noch nie gesehen hatte. Die Luft war warm und feucht, und der Wald lichtete sich. Schließlich hörte sie Stimmen.

"Orkanpfote, du nimmst das Eichhörnchen noch mit. Hallo? Kann jemand vielleicht mal noch die Elster nehmen, oder wollt ihr Beute verschwenden?" Haseljunges ordnete den Klang der Stimme Ginsterkralle zu. Sie sah sturmgraues Fell im dichten Gestrüpp aufblitzen, danneben das schwarzweiße von Wieselpfote und das orangene von Rotfuß. Nur Ginsterkralles Pelz war getarnt, sie hatte keine Ahnung, von wo ihr Vater sprach.

Orkanpfote hatte gerade das ganze Maul voll Beute, als Wieselpfote vorbeikam, ganz in Gedanken versunken. Haseljunges konnte nicht sehen, ob er Orkanpfote irgendwie berührte, aber der ältere Schüler verlor das Gleichgewicht und stolperte in einen Brombeerbusch. Fauchend ließ Orkanpfote die Beute los und zerrte an den Dornen. "Wieselpfote hat mich geschubst!"

"Hab ich gar nicht!" knurrte Wieselpfote. "Nur weil du immer über deine eigenen Pfoten fliegst, musst du deine Fehler nicht bei mir suchen!"

Leg dich nicht mit Orkanpfote an, Wieselpfote! flehte Haseljunges, aber da schoss der Ältere schon wie ein sturmgrauer Blitz aus den Brombeeren und warf sich auf ihren Freund. Fauchend und kreischend rollten die beiden Schüler über den Waldboden, als Wolkenschleier aus den Büschen trat.

 Plätscherpfotes Mentor wartete, bis die Schüler voneinander abließen, um sich mit gesträubtem Fell drohend zu umkreisen, dann sprang er dazwischen. "Hört auf. Jetzt ist nicht die Zeit für Streitereien! Der Clan wartet auf unsere Beute." Der schneeweiße Kater warf den beiden einen respekteinflößenden Blick zu, dann nahm er seine Beute wieder auf und stolzierte zu Rotfuß und Ginsterkralle.

Bei Rotfuß' Anblick fiel Haseljunges aus heiterem Himmel wieder ein, warum sie hierwar. Eilig brach sie durch das Gebüsch und lief auf die Krieger zu. Plötzlich stellte Ginsterkralle sich ihr in den Weg.

"Was machst du hier?" knurrte ihr Vater.

Schneefall - Sehnsucht | Band IWhere stories live. Discover now