Schneefall - Sehnsucht | Band I

26 - Am Quell des Lebens

"Haselpfote! Du kansnt doch nicht einfach einschlafen!" zischte eine Stimme nah an ihrem Ohr. Erschrocken fuhr Haselpfote hoch und ein Dutzend Vögel flatterte Warnrufe zwitschern auf. Eine braungraue Gestalt warf sich an Haselpfotes verwirrten Augen vorbei in das Getümmel. Federn stoben, aber am Ende kehrte Plätscherpfote mit leeren Pfoten zurück.

Frostpfote fauchte seine Schwester - die andere - wütend an. "Sag mal, Haselpfote, was soll das? Du hast alle Beute zwischen hier und der Schlucht verjagt! Jetzt müssen wir viel weiter, um Erfolg zu haben!"

"Wo-Wo ist denn Wolkenschleier?" Haselpfote schüttelte sich, und unter Frostpfotes zornig blitzenden Augen wurde sie schnell wach.

"Wolkenschleier musste zur Grenze. Es gibt Streit mit dem AhornClan. Das ist aber nicht unsere Sache. Wir sollen bis Sonnenhoch jagen und dann zurück zum Lager, hat er gesagt."

"Leider" seufzte Plätscherpfote, und Haselpfote erinnerte sich daran, wie gut ihre Schwester kämpfte. Aber sie waren ja gerade erst ernannt worden.

"Na dann los!" miaute sie erschrocken, als sie sah, wie hoch die Sonne schon stand.

"Genau, du Schlafmaus!" giftete Frostpfote, sah aber weniger empört aus als vorher. "Los, wir graben unsere Beute schnell aus. Wolkenschleier hat mir den Weg gezeigt, wir sollen bis zur  Bachquelle gehen, dort jagen und dann ohne Umweg zurückkommen."

Haselpfote tappte hinter ihren Geschwistern zum Treffpunkt. Sie fand ihre Maus schnell wieder, grub sie aus und nahm sie ins Maul. Frostpfote trug ihr noch auf, Wolkenschleiers Eichelhäher und ein Tier, das sie noch nie gesehen hatte, mitzunehmen.

"Was ist das?" nuschelte Haselpfote mühsam mit vollem Maul, als sie und Plätscherpfote wenig später, geführt von ihrem weißpelzigem Bruder, am Moor entlangtrabten.

"Dieses Dings? Keine Ahnung, ich habe ihn es nicht fangen gesehen." antwortete Plätscherpfote nachdenklich.

Das "Dings" hatte ledrige, schwarze Flügel, große Ohren und eine seltsame Körperform. Es sah ein bisschen aus wie eine Maus mit Flügeln und kleinen Augen, die aus irgendeinem finsterem Loch gekrochen war. Haselpfote hatte so etwas noch nie im Lager gesehen.

"Wir sind da-ha!" verkündete Frostpfote und riss die Kätzin damit aus ihren Gedanken. Tatsache, sie standen vor einem flachem, felsigem Hügel, aus dem klares Wasser sprudelte. Es sammelte sich in einem etwa drei Katzenlängen breitem Becken und folgte dann einem schmalem Bachlauf, der zielstrebig ins Moor hineinführte und dort immer breiter wurde, bis man ihn wohl als Fluss bezeichnen konnte.

Plätscherpfote legte ihre Beute ab - ein Eichhörnchen und eine Wühlmaus - und trat zum Becken, um zu trinken. Frostpfote scharrte ein Loch, um die gesamte Beute einzugraben. Haselpfote stand ein wenig verloren herum und versuchte, sich an ihren Traum zu erinnern. Irgend etwas war wichtig gewesen, aber was? Stattdessen fiel ihr etwas anderes aus Kleintatzes Geschichten ein, etwas, was sie ihre Geschwister wissen lassen wollte.

"Kleintatze sagt, man hat diesen Ort Die Quelle des Lebens genannt, weil hier der Fluss entspringt, in dem sich das Lager des WeidenClans befand." erzählte sie nachdenklich. "Und dabei sieht er so klein aus...aber in ihm steckt mehr, als man denkt."

Wenn das bei mir doch nur auch so wäre! dachte sie traurig.

Plätscherpfote stand am Wasser. "Was meint ihr, soll ich rein? Es ist so furchtbar heiß!" hechelte sie.

"Keine Ahnung, mir ist nicht warm." Frostpfote kauerte abgelenkt auf dem Moos, sein weißes Fell leuchte in der Sonne. Er belauerte eine alte Krähe, die seltsam herumhüpfte. Einer ihrer Flügel hing nutzlos herab.

"Was zum SternenClan ist das?" rief Plätscherpfote aus. Haselpfote sah sich neugierig um, aber sie wusste nicht, was ihre Schwester meinen konnte. Auch Frostpfote, der gerade vorgesprungen war und die Krähe tötete, hielt verwundert inne. "Was ist los?"

"Das da!" Plätscherpfote stieß mit der Nase Richtung Gebüsch. Etwas rotes, buschiges blitzte hervor.

Haselpfotes Neugier war geweckt. Sie schlich sich an das Ding. das sie an einen Schweif erinnerte, heran und belauerte es. Noch während Frostpfote und Plätscherpfote "Nicht!" riefen, sprang sie vor und grub die kleinen Zähne in den buschigen Schweif.