20 - Eine gute alte Freundin

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Als Haselpfote erwachte, fühlte sie sich ein bisschen besser, auch wenn die ersehnte Klarheit nicht eingetroffen war.

Die tiefe Abendsonne schickte ihre Strahlen in den Bau und blendeten die kleine Kätzin. Sie spürte Blicke auf ihrem Pelz und schaute nervös nach oben, wo Wunschrose saß. Auch Goldstreif sah zu ihnen hinüber und sah sie mit strengen Augen an, während Wunschrose enttäuscht den Kopf schüttelte. "Was hast du hier zu suchen, Haselpfote?", fuhr ihre Mutter sie an. "Du hättest im Schülerbau schlafen müssen! Außerdem kannst du dich doch nicht einfach vor deinen Pflichten verkriechen wie ein Beutetier vor seinem Jäger!"

Haselpfote schluckte schwer und versuchte zu erklären, dass sie einfach nur nachdenken wollte."Ich...Ich hatte Streit mit Rosenpfote, Wieselpfote und Ahornpfote! Ich will nicht bei ihnen schlafen!" 

Doch ihre Mutter war unerbittlich. Sie war schrecklich enttäuscht von ihr und überschüttete sie mit Worten - dass sie als Schülerin Verantwortung habe, dass die Kinderstube kein Platz für Schüler wäre, dass sie auf sich selbst aufpassen musste, dass sie kein Junges mehr war... Haselpfote fühlte sich alleine und unverstanden.

Schließlich konnte sie es nicht mehr aushalten. Sie lief aus dem Bau, schlich zum Frischbeutehaufen und holte etwas für Kleintatze, die sie irgendwie immer verstand. Sie hoffte, dass Kleintatze sie verstehen und ihr Trost spenden würde, denn im Moment fühlte Haselpfote sich so verloren wie nie zuvor.


Kleintatze sah Haselpfote besorgt an, als sie mit hängendem Kopf und einer Maus in der Schnauze zu ihr kam. "Was ist los, meine Kleine?" fragte sie ungewöhnlich sanft, dafür, dass sie gerade noch Abendröte aus ihrem Bau gejagt hatte, weil er sich die Pfoten waschen sollte.

Haselpfote, der gerade egal war, ob Glanzrose, Wieselpfote oder ihrentwegen der Mond selbst zuschauen oder -hören konnte, ließ die Beute fallen und plumpste neben Kleintatze auf den Boden. "Ich...ich habe Streit mit Wunschrose. Sie ist so enttäuscht von mir, und ich weiß nicht, was ich tun soll!" schluchzte sie.

Kleintatze legte tröstend einen Schweif auf  Haselpfotes Schultern. "Manchmal verstehen Eltern nicht, was in unseren Herzen vorgeht. Aber das bedeutet nicht, dass sie dich nicht lieben. Was ist denn passiert?"

"Ich...Du weißt doch, dass ich Heilerschülerin werden wollte, oder?" begann Haselpfote vorsichtig.

"Ja, das stimmt. Ist es das?" reagierte Kleintatze sofort.

"Naja, ich...Haferstern hat gesagt, dass Efeusturm sich wegen Wieselpfote, Ahornpfote, Rosenpfote, Ginsterkralle und Wunschrose für Hellpfote entschieden hat, statt für mich. Und deshalb hatte ich mit ihnen Streit!" versuchte Haselpfote, zu erklären. "Und dann bin ich in die Kinderstube gelaufen..."

"...weil du Ruhe haben wolltest, nicht wahr? Du wolltest nicht nochmal auf deine Freunde treffen." beendete Kleintatze ihren Satz verständnisvoll.

"Genau! Und vorhin hat mich Wuschrose dann dort erwischt und mir ganz viele Vorwürfe gemacht...Ich mache einfach alles falsch!" Haselpfote unterschlug die Pfoten und atmete heftig aus und ein, um sich zu beruhigen.

"Nein, Kleine. Du machst nichts falsch." Kleintatze leckte ihr tröstend über den Kopf. "Und jetzt solltest du schauen, ob du Löwenmähne findest."

"Aber was soll ich denn mit ihm?" fragte Haselpfote verschreckt.

"Er ist dein Mentor, du kleines Bienenhirnchen." antwortete Kleintatze amüsiert. "Auch wenn dein Traum sich nicht erfüllt hat, solltest du dein Bestes geben. Frag ihn, ob du noch irgendetwas machen sollst, und dann musst du dich auf deine Nachtwanderung vorbereiten."

"Nachtwanderung?" wollte Haselpfote verwundert wissen. Davon hatte sie nichts gewusst.

"Lass es dir von Löwenmähne erklären." erwiderte Kleintatze gutmütig.

"Aber warum kann ich denn nicht dich fragen?" wollte Haselpfote ein wenig weinerlich wissen. "Du weißt das doch auch alles!"

"Ich bin aber nicht deine Mentorin, Kleine. Los, husch, lauf schon! Mit Löwenmähne hast du einen prächtigen Mentor. Was glaubst du, wie viele Schüler er schon hatte! Keiner nimmt dir übel, dass du noch unerfahren bist, wenn du dich nur anstrengst."

"Ja, du hast recht." Haselpfote erhob sich nachdenklich, aber sie hatte es ehrlich gemeint. "Ich gehe jetzt zu ihm."

"Mach das. Und denk daran, dass niemand von dir erwartet, immer brav  und perfekt zu sein, ja? Und pass auf, dass du nicht wie Tupfenpfote den Kriegern hinterherdackelst wie ein treuer Zweibeinerhund, der nur antwortet und nie Fragen stellt. Löwenmähne weiß so viel, dass es schade wäre, ihn nicht ständig "Was ist das?" zu fragen."

"Ich merke es mir!" Haselpfote schnippte zum Abschied mit dem Schweif und hüpfte nach draußen in die Dämmerung.

Schneefall - Sehnsucht | Band IWhere stories live. Discover now