Schneefall - Sehnsucht | Band I

23 - Kampftraining

Kaum hatten Haselpfote und Fliederpfote die anderen hechelnd wieder eingeholt, lugte Orkanpfote wieder einmal in das Gebüsch. "Da ist ein Fuchs!" rief er erschrocken. Niemand beachtete ihn.

"Hör auf, uns anzulügen!" knurrte Rotfuß.

"Nein, es stimmt!" beteuerte der Schüler. "Ich habe ihn genau gesehen!"

Haselpfote zweifelte. Sie wusste nicht mehr, ob sie ihm glauben konnte, aber Löwenmähne folgte Orkanpfotes Blick. 

"Da ist kein Fuchs. Los, weiter!" forderte er die Schüler auf.

Schließlich betraten sie eine mondhelle Lichtung und Löwenmähne hielt die Gruppe an.

"Ihr sucht euch jetzt jeder einen Schüler aus, mit dem ihr das Kämpfen trainieren wollt." erklärte er. "Rotfuß, Wolkenschleier und ich werden herumgehen und euch Methoden zeigen, die ihr dann üben könnt."

Fliederpfote blieb bei Haselpfote, Frostpfote und Plätscherpfote bildeten ein Team, außerdem Wieselpfote und Ahornpfote sowie Orkanpfote und Tupfenpfote, die ein wenig verängstigt aussah.

Löwenmähne führte sie kurz ein Stück weiter. Haselpfote bemerkte, dass der Boden kühl war, außerdem bröckelte trockene, steinige Erde unter ihren Pfoten.

"Hier ist die Schlucht." Löwenmähne wies auf den  tiefschwarzen Spalt eine Schwanzlänge vor ihnen. Neugierig lugte Haselpfote hinein, konnte aber nichts sehen, und näher heranzukommen,  traute sie sich nicht.

"Passt auf, dass ihr beim Training nicht hineinfallt." erinnerte der goldbraune Krieger die Schüler streng, dann kehrten sie zur Lichtung zurück. Haselpfote bemerkte, dass das Gras ziemlich zertreten war, jeden Tag schienen Mentoren hierherzukommen.

Die Schülerpaare suchten sich Plätze mit genügend Abstand, dann warteten sie auf die Krieger. Fliederpfote putzte sich gründlich, Haselpfote verfolgte neugierig die Glühwürmchen, die sich auf und über der Lichtung tummelten und alles in magisches Licht tauchten.

Dann trat Rotfuß zu den beiden. "Ihr werdet etwas besonderes üben. Haselpfote, ich weiß, dass du bisher noch gar kein Training hattest, deshalb das wichtigste: Schüler kämpfen ohne Krallen, klar?"

Haselpfote bejahte und folgte gespannt Rotfuß' Anweisungen. Haselpfote sollte einen "Dachsangriff" durchführen, bei dem Fliederpfote den Dachs spielen sollte - gut so, Haselpfote wusste nämlich nicht, was ein Dachs sein sollte. Auf jeden Fall ein gefährliches Tier.

"Du springst über Fliederpfote hinweg, um ihren Hieben auszuweichen. Dabei kannst du im echten Kampf ihren Rücken zerkratzen. Dann musst du dich sehr schnell umdrehen - Dachse sind langsamer als Fliederpfote, aber lass dich davon nicht täuschen - und erneut angreifen. Achte auf deine Kraft beim Springen."

Haselfote merkte sich genau, was der rote Kater sagte und zeigte. "Verstanden" sagte sie langsam. "Aber was, wenn Fliederpfote mich erwischt?"

"Dann versuche, sie umzuwerfen. Schlag ihr die Pfoten weg. Wenn sie sich auf deinem Rücken festhält, lass dich auf den Rücken fallen. Jetzt versucht es erst mal." forderte Rotfuß sie auf.

Haselpfote stellte sich gegenüber von Fliederpfote hin, die sich hoch aufgerichtet hatte. Fliederpfote knurrte und schnappte drohend nach ihr, also duckte die gelbbraune Kätzin sich kurz und flog dann über die ältere Schülerin hinweg. Sie fuhr ihr mit den Vorderpfoten über das Fell, ohne die Krallen auszufahren, landete dadurch aber äußerst ungeschickt in einem Heidelbeerstrauch. 

Fliederpfote schoss herum und drückte die kleine Kätzin mit den Pfoten nach unten. Haselpfote wand sich unter dem Griff der Kätzin, bis ihr einfiel, was Kleintatze einmal erzählt hatte.

Kaninchen haben so starke Hinterläufe, dass sie sich kraftvoll vom Boden abdrücken können, wenn sie springen wollen, hatte die Älteste auf Haseljunges' Frage, wieso Kaninchen denn so selten auf dem Beutehaufen lagen, geantwortet.

Haselpfote beschloss, die Hinterbeine zu benutzen. Sie zog sie zu sich und trat die cremefarbene Kätzin dann in den Bauch. Überrascht ließ Fliederpfote los und stolperte nach hinten. Haselpfote sprang auf. Nie hätte sie gedacht, dass Kaninchen ihr einmal im Kampf helfen würden. Aus dem Augenwinkel sah sie Rotfuß, der seine Musterung beendete und weiterging, um bei den anderen Schülern nach dem Rechten zu schauen.

Fliederpfote kam auf die Pfoten und bäumte sich auf, dann prasselten Hiebe wie Hagelkörner auf Haselpfotes Körper. Erschrocken duckte sich die Kätzin und versuchte, Fliederpfotes Hinterbeine wegzuschlagen, aber die Ältere ließ sich wieder fallen und sie musste zurückweichen. 

Dann sprang sie auf Fliederpfote zu, doch die schlug sie aus der Luft. Haselfote überschlug sich und fiel japsend ins Gras. Sie rappelte sich schnaufend wieder auf und tänzelte um die Kätzin herum, bis Fliederpfote ungeduldig vorzuckte. Haselpfote sprang zur Seite und dann auf den Rücken der Kätzin, wo sie versuchte, sich ohne Krallen festzuhalten.

Doch auch darauf war Fliederpfote vorbereitet. Sie warf sich auf den Rücken, sodass Haselpfote loslassen musste und mit schmerzenden Rippen unter dem Körper ihrer Freundin hervorkroch, um nicht zusammengequetscht zu werden.

Fliederpfote wollte gerade wieder angreifen, als etwas kugeliges, schwarzes vor ihr von einem Baum fiel. Die cremefarbene Kätzin stieß einen erschrockenen Schrei aus und machte einen Satz nach hinten.

Haselpfote, die sich schon auf einen Angriff vorbereitet hatte, beugte sich neugierig vor. Eine Spinne entrollte ihre Beine und krabbelte über das Gras, um dann unter einem Strauch zu verschwinden. Fliederpfote atmete heftig. In ihren weit aufgerissenen Augen spiegelte sich der sinkende Mond.

"Was ist denn los?" fragte Haselpfote mitfühlend. "Alles in Ordnung?"

"Ich hasse Spinnen!" quietschte Fliederpfote.

"Sie ist weg." Haselpfote schnupperte an dem Strauch. "Machen wir weiter?"

Fliederpfote warf sich als Antwort auf die Kätzin. Überrascht grub Haselpfote die Krallen in den Boden, denn ein kühler Luftzug auf ihrem Fell erinnerte sie an die Nähe der Schlucht.

Fliederpfote ließ eine Menge Schläge auf sie niedergehen. Beim Versuch, sich zu wehren, traf Haselpfote sie an der Wange - und vergaß, die Krallen einzuziehen.