12 - Träume sind Schäume

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"Doch Wolkenstern meinte, dass es nicht wahr wäre! Er wollte einfach nicht glauben, dass wir uns gegen die Meute verbünden könnten! Stattdessen sah jeder Clan für sich den Wolfshunden entgegen. Alle fanden Spuren, rochen sie, hörten sie, sahen sie. Und niemand wagte es, diese Tiere anzugreifen, als sie das Moor plünderten. Innerhalb eines Mondes gab es keine Beute  mehr, und der WeidenClan war gezwungen, zu gehen. Und der AhornClan? Der griff die Meute plötzlich an, verjagte sie und besetzte das Territorium."

"Sind wir ihm noch einen Gefallen schuldig?" wollte Helljunges neugierig wissen. "Weil er uns vor den Hunden gerettet hat?"

"Nein." erwiderte Ginsterkralle sofort. Der getigerte Kater war urplötzlich aufgetaucht und funkelte Glanzrose zornig an. "Diese Sache ist ewig her. Glanzrose, hör auf, den Jungen Unfug zu erzählen."

"Glanzrose erzählt keinen Unfug!" Entrüstet sprang Haseljunges ihrem Vater entgegen, und plötzlich wurde ihr klar, dass etwas nicht stimmte. Sie erinnerte sich genau an diese Begebenheit, aber sie hatte nichts gesagt.

Ginsterkralle wandte sich zu ihr um, und plötzlich war es Glanzroses Gesicht, das sie anschaute - mit leeren, blutigen Augenhöhlen. Entsetzt wich Haseljunges zurück, dann drehte sie sich um und rannte zum Schülerbau, geplagt von den Schuldgefühlen Glanzrose gegenüber.

Doch der war leer, nur Tupfenpfote lag schlafend in ihrem Nest. Haseljunges wollte sie wecken, aber da wurde sie am Nackenfell gepackt und nach hinten gerissen.

"Geh weg von dieser Verräterin!" zischte eine graue Kätzin. Haseljunges wand sich in ihren Zähnen, bis sie fallen gelassen wurde. Die Kätzin war Wunschrose.

Verständnislos sah sie ihre Mutter an. "Wieso sollte Tupfenpfote eine Verräterin sein?"

"Weil sie mich mit einem Krähenfraß-Marder vergiften wollte!" fauchte Wunschrose. "Ich wäre beinahe gestorben, und ihr auch! Und dann hat sie es auf meinen Gefährten geschoben!"

"Habe ich nicht!" Verzweifelt sah Tupfenpfote hoch. "Es war eine Mutprobe! Ginsterkralle hat gesagt, wir sollen dir den Marder bring- Aua!" Wunschrose hatte mit der Pfote ausgeholt und sie gekratzt. Nun drehte sie sich verächtlich um und spazierte aus dem Bau.

Draußen regnete es in Strömen. Das Prasseln der Tropfen war so  laut, dass Haseljunges nichts anderes mehr hören konnte. Wasser tropfte von ihrem Fell, das sich blitzschnell vollgesogen hatte. Ihr Nackenfell kribbelte, als ob sie verfolgt wurde. Doch als sie sich umdrehte, waren da nur die dunklen Schatten des Baus.

Aber seit wann hatten Schatten Augen?

Ein Knurren. Die Schatten knurrten! Haseljunges wich zurück. Die Stimme klang hohl und unwirklich.

"Tiefe Enttäuschung wird dein Herz zerbrechen, aber dein Geist muss wach bleiben."

Plötzlich hörte sie andere, leise Stimmen, die immer lauter wurden. Dann sah sie vier junge Katzen, die nebeneinander über eine Lichtung liefen. Eine gelbbraune Kätzin mit mittellangem Fell, ein schwarzweiß gefleckter Kater - das waren sie und Wieselpfote! Neugierig folgte Haseljunges ihrer älteren Doppelgängerin. Sie woltle wissen, was es damit auf sich hatte, und war dankbar für jede Ablenkung von den Schattenaugen, die ihr sonnengolden hinterherfunkelten.

Die zwei anderen Katzen - ein schwarzer Kater und eine cremefarbene Kätzin mit hellen Flecken - liefen dicht nebeneinander wie Geschwister. Sie schienen im selben Alter wie Wieselpfote und sie, also ihre Doppelgänger, zu sein, aber Haseljunges konnte sich nicht erinnern, sie jemals gesehen zu haben.

Ein lauter Donner erschütterte die Welt, der Boden unter ihren Pfoten bebte. Die vier Katzen lösten sich auf, stattdessen umzingelten sie nun mehrere Streuner. Verängstigt duckte Hseljunges sich. Die Umgebung verschwamm und wurde zu einer alten Stadt voller Zweibeinermüll, engen Gassen und dunklen, gruseligen Stellen. Höhe Wände türmten sich neben  Haseljunges' zitternden Flanken.

Drei Katzen kamen auf die Streuner zu. Kaum hatten sie sie bemerkt, traten alle zurück, als wären die drei besondere Anführer. Haseljunges sah zu ihnen hoch. Ein schwarzer, mächtiger Kater mit kalten, gelben Augen, eine dunkelgraue Kätzin mit durchdringenden, ebenfalls gelben Augen, und ein rostbrauner Kater, dessen gelbe Augen mitfühlend wirkten.  Er legte den Kopf schief und trat vor. Alle wichen zurück. Mit großen Augen sah Haseljunges zu ihm auf.

"Geh, beeil dich." Der Kater wies mit dem Schweif auf einen Wald, der an die Stadt grenzte. Haseljunges stupste ihn dankbar an, dann stolperte sie los und aus der Stadt hinaus.

Doch als sie vor dem Wald stand, bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie kannte diesen Wald nicht! Dunkle Wolken türmten sich am Horizont auf und zogen schnell wie im Sturm über den fremden Wald hinweg. Zitternd kauerte Haseljunges vor den dunklen Bäumen, wusste nicht, was sie tun sollte, als plötzlich eine langbeinige, sandfarbene Kätzin auftauchte, deren braun geflecktes Fell schimmerte. Es schien mit tausenden, winzigen Sternchen versehen zu sein.

Das muss eine Katze aus dem SternenClan sein! dachte Haseljunges entzückt. Bestimmt ist sie ganz weise und kennt alle Antworten auf meine Fragen!

Sie musterte die Sternenkatze, die ihr Gesicht abgewandt hatte, und wollte fragen, wie sie wieder nach Hause kommen sollte. Doch ihre Stimme schien sich eines Eigenlebens zu bemächtigen, denn die Frage, die sie sich stellen hörte, war eine ganz andere: "Wer ist meine Mutter?"

Die Kätzin drehte sich langsam um, und Haseljunges erkannte sie. 

Ist das etwa Haferstern? Aber sie ist lebt doch noch! 

In ihren grünen Augen war keine Weisheit zu erkennen, nur pure Angst, tiefe Trauer und Verzweiflung. Sie streckte stumm in einer flehenden Geste eine Pfote nach dem gelbbraunem Jungen aus, als ein gleißender Blitz aufleuchtete und alles verschwamm.

Schneefall - Sehnsucht | Band IWhere stories live. Discover now