27 - Kletterpartie

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Eine Mischung aus Fauchen und Bellen erklang, und das rotbraune Tier, zu dem der Schweif gehörte, sprang aus dem Gebüsch. Haselpfote wurde über den Boden geschleift. Schnell ließ sie los, als das Wesen mit der langen, spitzen Schnauze und den großen, ebenfalls spitzen Ohren nach ihr schnappte. Es war größer als eine erwachsene Katze, hatte lange Beine und eine sehr schlechte Laune. 

Haselpfote erinnerte es ein bisschen an die Wölfe, nur waren die auch wieder anders gewesen. Und warum verhielt sich dieses Tier dann wie eine Katze? Wölfe waren Rudeltiere - und nicht rot.

"Das muss der Fuchs sein, den Orkanpfote gesehen hat!" japste Plätscherpfote.

Der Fuchs  - Haselpfote beschloss, ihn so zu nennen - drehte sich wendig um und ließ seine krallenbewehrten Pfoten niedersausen. Er riss eine Schürfwunde in Haselpfotes Vorderbein, die erschrocken nach hinten stolperte.

"Weg hier!" Frostpfote riss seine Schwester zurück. Die erbeutete Krähe hatte er fallen gelassen.

Haselpfote hob das Beutetier auf und rannte hinter ihren Geschwistern her. Sie wurde immer wieder durch die herabhängenden Flügel und ihre Wunde belästigt, auch schien ihr dichtes Fell die Hitze der Sonnenstrahlen ungepremst aufzufangen.

Plätscherpfote war schon weit heraus, Frostpfote dicht hinter ihr, als der weiße Kater abbremste. Seine Pfoten wirbelten Schlamm auf. "Such einen Baum! Ich glaube, Füchse können nicht klettern."

"Und was ist mit euch?" fragte Plätscherpfote empört. "Ich lasse euch doch nicht im Stich!"

"Ich helfe Haselpfote, wir folgen dir. Such einen Baum, los!" fauchte Frostpfote überfordert, dann drehte er sich um und lief Haselpfote entgegen, die hechelnd fast drei Baumlängen zurückgefallen war. Vom Fuchs war auf dem offenem, von dichten Büschen gesäumtem Gelände nichts zu sehen.

"Gib mir die Krähe." Frostpfote nahm seiner  Schwester die Beute ab. "Wir müssen zu Plätscherpfote auf einen Baum."

"Aber der Fuchs ist doch weg?" fragte Haselpfote verwirrt, während sie neben ihrem Bruder her rannte.

"Er ist nicht weg, Mäusehirn! Er belauert uns!" belehrte Frostpfote sie. Haselpfotes Fell stellte sich auf. Sie wurden belauert! Sie konnte den Atem des Fuchses förmlich in ihrem Nacken spüren...

Moment!

Sie drehte sich um und starrte in die gelben Augen des rostroten Tiers, das gerade zum Sprung ansetzte.

"Lauf!"

Und schon waren aus den Jägern Gejagte geworden.


"Ihr müsst höher klettern, schnell!" zischte eine Stimme von einer jungen Esche herab. Haselpfote und Frostpfote hatten eine Baumgruppe erreicht, und nun hockte da ihre Schwester drei Katzenlängen über ihnen auf einem Ast.

"Ich kann das nicht!" jammerte Haselpfote verzweifelt. Ihr Schweif berührte noch den Boden, während sie den Stamm umklammerte. Frostpfote stand unten am Stamm, die Krähe im Maul, alle Sinne angespannt. Seine Ohren zuckten nervös. Sie hatten mehrere Haken geschlagen wie Feldhasen auf der Flucht, aber das würde den Fuchs nicht lange aufhalten.

"Mach endlich!" drängte er, und Haselpfote zwang sich, den Stamm mit einer Pfote loszulassen, um sich höher zu ziehen. Sie starrte die Rinde an, denn wenn sie nach unten sah, bekam sie Angst, und wenn sie nach oben sah, wurde ihr schwindelig.

"Halt dich mit den Vorderpfoten fest und drück dich hoch! Wir haben in unseren Hinterbeinen mehr Kraft!" erinnerte sie Plätscherpfote.

"Ich mach das hier zum ersten Mal!" fauchte Haselpfote unglücklich. Sie hob eine Vorderpfote, krallte sie weiter oben in die Rinde und machte dasselbe mit der zweiten. Dann schob sie sich ein Stückchen nach oben.

Schließlich war sie in derselben Höhe mit einem Ast, der unter Plätscherpfotes Sitzplatz lag. Sie krallte sich daran fest und balancierte dann ein Stück, um sich hinzusetzen. "Geschafft!"

Frostpfotes Augen weiteten sich. Er legte die Ohren an, sein Fell stellte sich auf. Verängstigt beobachtete Haselpfote ihren Bruder, der hastig zurückwich. Sie witterte und lauschte, aber es gab kein Anzeichen eines Feindes, auch vom Fuchs keine Spur.

Warum kommst du nicht, Frostpfote?

Dann brach der Fuchs aus dem Gebüsch und stürzte auf die Katzen zu. Plätscherpfote japste entsetzt, und Haselpfote duckte sich erschrocken, als Frostpfote von einem gewaltigem Schlag zur Seite gefegt wurde und gegen den Baum knallte. Der weiße Kater versuchte benommen, auf die Pfoten zu kommen, dann sackte er wieder zusammen.

Haselpfote schrie entsetzt auf, als der Fuchs nach ihrem Bruder schnappte. Frostpfote kam schwankend auf die Pfoten und duckte sich unter dem Hieb des Fuchses weg. Er schnappte sich die erbeutete Krähe und schleuderte sie seinem Feind ins Gesicht, sodass der Fuchs abgelenkt wurde.

"Spring!" schrie Plätscherpfote.

Und er sprang.


Frostpfote landete auf einem dünnen Ast unterhalb der Stelle zwischen Plätscherpfote und Haselpfote. Sofort packte Plätscherpfote das Nackenfell ihres Bruders mit den Zähnen. "Haselpfote, hilf mir!" knurrte sie.

Haselpfote half, den weißen Kater auf einen sicheren Ast zu ziehen. Frostpfote war kaum noch bei Bewusstsein, er musste sich den Kopf gewaltig angeschlagen haben. Sein rechtes Ohr war eingerissen und blutete. Haselpfote suchte ein Stück Spinnenwebe und wickelte es ein, um die Blutung zu stillen. Der junge Schüler ließ sich auf den Ast fallen und war sofort weggetreten.




Schneefall - Sehnsucht | Band IWhere stories live. Discover now