8 - Während einem Gewitter sollte man nicht unter Bäumen stehen

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Aprupt bremste Haseljunges ab, stolperte und fiel auf die große Pfote ihres Vaters, der sie am Nackenfell anhob und wieder hinstellte.

"Goldstreifs Junge kommen! Sie hat mich geschickt, damit ich es Rotfuß sage." erzählte sie ehrlich.

"Und warum hast du keinen Krieger oder wenigstens Schüler gebeten, mitzukommen?" wollte Ginsterkralle wissen, während Rotfuß im Hintergrund aufgeregt aufsprang, seine Beute hinlegte und Wolkenschleier etwas fragte.

"Weil ich das selber kann!" Haseljunges reckte den Hals. "Ich wäre heute Schülerin geworden!"

"Das rechtfertigt nicht, dass-" widersprach Ginsterkralle, wurde aber unterbrochen.

"Lass sie doch." beruhigte Wolkenschleier den zweiten Anführer. "Wo sie doch jetzt hier ist, kann sie Rotfuß' Beute tragen." Der orangene Kater verschwand bereits eilig im Wald.

Ginsterkralle seufzte und hob seine Beute wieder auf. Haseljunges nahm vorsichtig eine Maus und ein Eichhörnchen ins Maul und folgte dem Getigertem in den Wald. Wolkenschleier scheuchte Wieselpfote und Orkanpfote vor sich her, die die Kätzin noch gar nicht bemerkt hatten.

Wieselpfote, im Maul eine Krähe, schloss zu Haseljunges auf, als sie gerade wieder den Wald betraten. "Wo kommst du denn her?" nuschelte er durch die schwarzen Federn.

"Ich habe Rotfuß von Goldstreif Bescheid geben wollen, ihre Jungen kommen bald." nuschelte Haseljunges zurück.

"Ob du heute noch Schülerin wirst?" Wieselpfote sah bedenklich hinauf zum dunklen Himmel. Die Wolken türmten sich hoch am Horizont, unten wurde es schon ganz dämmrig, weil sie jedes Licht zu schlucken schienen.

Als die kleine Kätzin zurücksah, lief ihr ein Schauer über das Fell. Abgestorbene Bäume ragten wie Klauen aus dem moorigem Boden, unheimlich beleuchtet vor dem dunklem Himmel von gezackten Blitzen, die das graue, glatte Fell des Himmels wie Kratzer durchzogen.

"Ich weiß es nicht." Bedrückt lief sie neben ihrem Freund her. "Eigentlich will ich gar nicht mehr  Schülerin werden. Alles, wonach ich mich gerade sehne, ist die Wärme der Kinderstube und ein Stück Beute." Dann hellte sich ihr Gesicht auf. "Kann ich die Maus essen?"

"Nein." widersprach Wieselpfote. Er senkte die Stimme. "Auf der Jagd dürfen wir nicht essen, erst, wenn der Clan versorgt ist."

"Dasch gilt auch für disch!" mischte sich Orkanpfote ein. Der sturmfarbene, breit gebaute Kater nuschelte noch stärker als Wieselpfote und Haseljunges zusammen, da er eine Elster, einen Spatz und ein Eichhörnchenexemplar mit besonders buschigem Schweif zu schleppen versuchte.

"Stell dir vor, das weiß ich!" fauchte Haseljunges, die den großspurigen Kater nie hatte leiden können.

"Nicht streiten." besänftigte Wolkenschleier die jungen Katzen, doch seine Worte gingen im beängstigendem Donner unter. Das blendende Weiß der Blitze konnte man selbst durch das dichte Blätterdach erkennen. Erschrocken zuckte Haseljunges zusammen. Wieselpfote blieb stehen und sah beunruhigt nach oben, das Fell gesträubt. Die schwülwarme Luft schen zu knistern.

Wenig später folgte erneut lauter Donner, erste Regentropfen klopften auf den Blättern weit über den Katzen. Es wurden immer mehr, überall tropfte und prasselte es. Der Wind fuhr heulend durch die Äste und schüttete mehrere Blätter voller Regenwasser über den Katzen aus.

"Beeilt euch!" rief Ginsterkralle, und die Jäger setzten sich wieder in Bewegung. Haseljunges stolperte neben Wieselpfote her, der mit seiner Krähe hinter Ginsterkralle und Orkanpfote hereilte. Wolkenschleier bildete das Schlusslicht, sein weißes Fell leuchtete im schummrigem Wald.

Haseljunges' Fell sog sich immer mehr mit Wasser voll, bis es ihr so schwer vorkam wie ein ganzer Baum. Und noch immer blieb der Wald um sie herum gleich, kein Tal, keine Lichtungen, nichts. Der Regen trommelte auf dem trockenem Boden, alles was nicht versickerte, lief in Bächen einen Abhang hinunter. Die Katzen platschten durch Pfützen, während der kalte Wind ihr Fell zerwühlte und die Luft auffrischte.

Gerade, als der Hügelkamm mit dem Brombeerwall zum Lager endlich in Sicht kam, zerbarst der Himmel in einem ohrenbetäubendem Knall. Ein hochgewachsener Baum, vom Blitz getroffen, loderte hell auf und fiel innerhalb weniger Augenblicke in verkohlte, nasse Splitter auseinander. 

Haseljunges fuhr zusammen, machte einen Satz nach vorn - und plötzlich war da kein Boden mehr unter ihren Pfoten.

Schneefall - Sehnsucht | Band IWhere stories live. Discover now