Kapitel 21

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Gegen Mitternacht leerte sich das Wood-Food langsam und ich brachte die leergegessenen Teller in die Küche. Ramiro stand am Spülbecken und wusch die Teller und Gläser ab. Ich trat daneben und half ihm dabei. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken nur so, jedoch konnte ich nichts sagen. Wie sollte ich meine verzwickte Situation erklären?

«Hey, was ist los mit dir?» Ramiros sanfte Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Reflexartig wollte ich erklären, dass es mir gut ginge. Jedoch konnte ich unser Gespräch nicht noch weiter hinauszögern. Deshalb holte ich tief Luft und antwortete leise: «Ich muss mit dir reden...»

~~~

Hinter mir zirpten Grillen und weit entfernt heulte ein Wolf. Ramiro und ich standen hinter dem Wood-Food im schwachen Licht der Glühbirne. Gekonnt wich ich seinem Blick aus. Wie sollte ich es ihm nur erklären? Am besten startete ich am Anfang.

«Also, vor einigen Tagen ist bei uns ja das Westliche Rudel vorbeigekommen. Dabei kam es zu diesem Treffen mit dem Alpha und mir» Ramiro nickte langsam. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und in seinen Augen zeichnete sich Verwirrung ab.

Ich holte tief Luft und dann sprudelten die Worte nur so auf mir heraus. «Der Alpha und ich wurden uns nicht einig und trafen uns danach wieder. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir zusammen weitervorgehen wollten. Denn wir bemerkten, dass beide unsere Rudel von jemanden gegeneinander aufgebracht wurden. So kam es, dass wir eine Spur von einem entführtem Rudelmitglied des Westlichen Rudels verfolgten. Ich wurde dabei von Wolfswurz verletzt und er brachte mich nach Hause. Am nächsten Morgen erklärte er mir, dass wir Mates seien», ich liess Ramiro gar keine Zeit, um zu reagieren und sprach eilig weiter: «Und ich weiss das macht jetzt auf den ersten Blick keinen Sinn, da es das nicht gibt. Aber wir hatten von Beginn an eine Verbindung und ich kann mit ihm telepathisch Kommunizieren. Deshalb verstehe ich momentan gar nichts mehr»

Ramiro starrte mich einige Sekunden lang stumm an. Ich wagte nicht zu atmen. Dann räusperte er sich. «Okay..., denke ich? Was bedeutet das für uns?»

Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Das wusste ich selbst nicht. Ich wusste im Moment nichts.

Er räusperte sich ein weiteres Mal und sprach dann leise meine stumme Befürchtung aus. «Ich denke es wäre das Beste, wenn wir es beenden würden. Für alle wäre es am besten»

Ich liess den Kopf hängen. Klar war es das beste und auch die einzig logische Entscheidung. Und doch fiel es mir nicht leicht. Ramiro war mir ans Herz gewachsen. Doch jetzt mit Ash hatte sich alles verändert. Ich war mir nur noch nicht sicher, ob zum positiven oder negativen.

Auch in Ramiros Augen glitzerten Tränen und er breitete tröstend die Arme aus. Ich fiel ihm in die Arme und krallte mich in seinen Pullover. Stumm liefen mir die Tränen über die Wangen. Sein Griff wurde fester, so als ob es ihm ähnlich ging. Ich wollte ihn noch nicht loslassen, den gewohnten Geruch verlassen. Seine Wärme war angenehm tröstlich. Und doch musste ich es. Egal was mit Ash und mir passieren würde oder nicht. Zwischen Ramiro und mir konnte im Moment nichts laufen.

Ich weiss nicht, wie lange wir schlussendlich dastanden und uns festdrückten. Irgendwann, als die Tränen auf meinen Wangen bereits getrocknet waren, lösten wir uns. Ein letzter Blick in seinen Augen und ich wusste er dachte dasselbe. In den letzten Wochen war zwischen uns eine Freundschaft entstanden, die lange halten würden.

Schweigend drehte ich mich um und lief zum Waldrand. Jetzt brauchte ich einen freien Kopf und diesen bekam ich nur beim Laufen.

So kam es, dass ich eine moosbedeckte Fläche aussuchte und mich verwandelte. So schmerzhaft es auch jedes Mal war, so war es das immer wert, da ich mich danach so frei wie sonst nie fühlte. Mit frischer Energie und Elan stürmte ich los. Es dunkelte langsam und die letzten Sonnenstrahlen schienen durch die Bäume hindurch. Mit den tiefen Nebelschwaden liessen die Sonnenstrahlen den Wald mystisch wirken. Die Vögel zwitscherten in der Abendsonne und Waldtiere kosteten die letzte Wärme aus. Ich hatte heute für das alles nicht so viel Aufmerksamkeit übrig, da ich zu viel im Kopf hatte. Meine Pfoten trommelten auf dem Waldboden, wirbelten die Tannennadeln auf und liessen die Rehe aufschrecken. Ich wirbelte um die Bäume, versuchte verzweifelt die Gedanken fallen zu lassen, den Wolf das Denken zu überlassen.

Blaue Augen zum FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt