Kapitel 26

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«Endlich lerne ich die kennen, Kate», seine Stimme war wie aus einem Alptraum und jagte mir einen Schauer über den Rücken. «All die Jahre hatte ich gewartet, aber nie die Hoffnung verloren. Und sogar deinen Mate hast du mitgenommen. Wie überaus nett von dir.»

Ash knurrte verärgert und zerrte an den Fesseln. Doch das würde uns nichts bringen, wir waren deutlich in der Unterzahl und zusätzlich vom Wolfswurz geschwächt.

Hart erwiderte ich den Blick des Alphas und knurrte: «Was willst du von uns?»

«Ach Kate, kennst du mich denn gar nicht?» Ich sollte ihn kennen? Ich hatte bis vor ein paar Tagen noch nie wirklich mit Streunern zu tun gehabt. Das hatte zuvor immer mein Vater erledigt.

«Woher sollte ich dich kennen? Ich glaube dich hätte ich nicht so schnell vergessen.»

Sein trockenes Lachen erfüllte den Raum. «Das hast du Recht, kleine Kate.» Erneut knurrte Ash bedrohlich. Doch diesmal trat ein Streuner auf das Zeichen vom Alpha heran und klebte ihm grob den Mund zu. «Was soll das hier alles?», schrie ich verärgert.

Der Alpha seufzte enttäuscht auf. «Scheinbar hast du wirklich noch nie von mir gehört. Also lass mich es kurz zusammenfassen, wer ich bin», er machte eine kurze, bedeutungsvolle Pause und sprach dann weiter, «Ich bin der Mate von deiner Mutter, oder zumindest gewesen.»

Fassungslos starrte ich ihn an. Der Mate meiner Mutter? Wie konnte das sein? Meine Mutter war doch mit meinem Vater zusammen gewesen? Oder war ich am Schluss das Kind dieses Typen vor mir? Wir wurde schlecht beim Gedanken daran.

«Wie k-» ich räusperte mich, «Wie kann das sein?»

«Naja, wie du scheinbar bereits bemerkt hast, sind Mates kein Märchen, sondern etwas sehr Reales. Und so war ich der Mate deiner Mutter Luisa»

Ich war entsetzlich verwirrt und konnte keine klaren Gedanken mehr fassen. «Aber wieso war meine Mutter dann mit meinem Vater zusammen?»

Ich meinte alten, tiefen Schmerz in seinen Augen aufblitzen zu sehen. «Weil es das echte Leben ist und nicht immer die Bestimmten zueinander finden, so wie uns in den Büchern und Geschichten erzählt wird.»

Meine Gedanken rasten. Ich erinnerte mich plötzlich an das Tagebuch meines Vaters. Dort hatte er von einem Werwolf erzählt, der meine Mutter für sich haben wollte. «Du warst es, der meinen Vater damals auf dem Werwolfstreffen herausgefordert hatte!»

«Ja das stimmt. Ich dachte damals ich hätte eine Chance gegen ihn und könnte mit Luisa zusammen nach Hause gehen,» er schien mit seinen Gedanken in der Vergangenheit gelandet zu sein. «Ich sah Luisa zum ersten Mal, als ich als junger Streuner durch das Revier lief. Sie sass da, am Teichrand zwischen all den Blumen und erstrahlte vor Schönheit. Sie war die wunderschönste Person, die ich je gesehen hatte. Doch bevor sie mich ebenfalls sehen konnte, musste ich vor deinem Vater flüchten, der mich aus seinem Revier verjagte. Er war damals ein junger Alpha und hatte frisch das Rudel übernommen.»

Abwesend strich er mit seinem Finger über das linke Handgelenk. «Ich wusste damals nicht, dass Luisa und ich Mates waren. Doch ich hatte unbewusste in der Nähe von Luisa mein eigenes Rudel aufgebaut. Ich startete als Streuner und arbeitete mich hoch bis zum Alpha eines berüchtigten Rudels. Eines Tages bei einer Patrouille traf ich erneut auf Luisa. Sie war ebenfalls verzaubert von mir und wir trafen uns mehrmals heimlich im Wald. Doch sie hielt immer Abstand zu mir, da sie mit deinem Vater zusammen war. Dabei hatte ich das Verlangen und Begehren in ihren Augen gesehen. Sie liebte vielleicht deinen Vater, doch wir waren füreinander bestimmt!» Er ballte seine Hand zur Faust.

«Als dann das Alphatreffen stattfand und ich Luisa neben deinem Vater sah, glaubte ich eine Chance gegen ihn zu haben. Doch er besiegte mich im Kampf beschämend leicht und jagte mich ein weiteres Mal davon. Noch nie in meinem Leben war ich so gedemütigt worden und das vor allen anderen Alphas!»

Seine Augen richteten sich auf mich und ich zuckte vor seinem dunklen Blick zurück. «Doch ich akzeptierte Luisas Entscheidung und hielt mich zurück. Wegen der Demütigung durch deinen Vater verlor ich meinen Platz als Alpha und wurde erneut zum Streuner. Aber solange Luisa glücklich war, brachte ich es nicht über mein Herz ihr dieses Glück zu nehmen. So kam es, dass ich mich mit anderen Streunern zusammenschloss und mein eigenes Rudel aus Streunern aufbaute. Eines, dass mir keiner wegnehmen konnte und niemals werden wird! Ich dachte ich sei über den Verlust von Luisa hinweg, doch dann erkrankte sie und starb.»

Der wütende Ausdruck glich nun einem traurigem. Sein Blick richtete sich auf den Boden vor mir. Seine Worte klangen dumpf. «Es fühlte sich an, als wäre ein Teil meiner Seele mit ihr gestorben. Ich konnte sich nicht einmal ein letztes Mal sehen. Dieser Schmerz erinnerte mich wieder an all die Dinge, die dein Vater mir angetan hatte. Und so schmiedete ich meine Rache an ihm. Luisas Gefühle konnte ich nicht mehr verletzten. Und er hatte mir einfach zu viel genommen», seine Stimme wurde immer lauter. «Und dann stirbt dieser Bastard, bevor ich ihn angreifen konnte. Alles nahm er mir! Und da er mir nicht einmal die wohlverdiente Rache gönnte, beschloss ich, dass du, kleine Kate, mit dem Erben deines Vaters leben musst.», bedrohlich zeigte er mit seinem Finger auf mich.

Stur erwiderte ich seinen kalten Blick. Beinahe hatte ich Mitleid mit ihm. Er war der traurige Verlierer eines Beziehungsdreieckes. Jedoch berechtigte das sein Verhalten nicht. Ashs Rudelmitglied Viktor hatte nichts damit zu tun gehabt und auch Brad war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

Die Neuigkeiten bezüglich meiner Mutter erfreuten mich hingegen sehr. Meine Mutter hatte meinen Vater nie betrogen. Er hatte damals leider alles falsch verstanden. Meine Mutter hatte trotz ihres Mates meinen Vater gewählt, da sie ihn über alles liebte. Meine Augen brannten und ein riesiger Klumpen fiel mir vom Herzen.

Ich hätte erleichtert aufgeatmet, wäre da nicht der Mate meiner Mutter vor mir und plante mich umzubringen. «Und wie sieht das 'Erbe' meines Vaters aus?» Wagte ich zu Fragen.

Gehässig lachte er: «Du wirst dein gesamtes Rudel in den Tod reissen und anschliessend zuschauen wie dein Mate qualvoll sterben wird»

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Das laute Lachen des durchgeknallten Typen hallte mir auch nach Stunden noch in den Ohren. Glücklicherweise war er zu seinem Rudel gerufen worden, bevor er seine Drohung umsetzten konnte. Ash hatten sie inzwischen das Klebeband vom Mund genommen und einer der Streuner war im Raum zur Bewachung zurückgeblieben. Bis jetzt hatten Ash und ich seit der Gefangenschaft kein Wort gewechselt. Mein Kopf war viel zu aufgewühlt wegen der Neuigkeiten und dazu kam, dass es aussichtslos aussah. Wie sollten wir nur aus diesem Raum kommen?

Das Rumpeln der Tür schreckte uns aus den Gedanken. Erneut trat der Typ zusammen mit Sven ein. «Ich kam nur kurz, um die frohe Botschaft mitzuteilen. Gerade wurden eure Rudel angegriffen und es sieht nicht gut für euch aus.» Erneut lachte er. Sven stimmte mit ein und ignorierte gekonnt meinen tödlichen Blick. Wie konnte er uns nur so hintergehen?

Ein weitere Streuner betrat den Raum und schien dem Alpha telepathisch etwas mitzuteilen. Die einzig wahrnehmbare Reaktion war das dunkle Funkeln seiner Augen, ansonsten blieb sein Gesicht ausdruckslos.

Er wirkte verärgert. «Tut mir leid, ich muss euch leider verlassen, da meine Anwesenheit woanders gefragt ist.» Nur mit Mühe unterdrückte ich ein verächtliches Schnauben bei seinem Sarkasmus. «Schade, dass ich mich nicht persönlich um deinen Mate kümmern konnte, kleine Kate. Für dich ist es vielleicht sogar so besser. Jetzt könnt ihr gleichzeitig sterben. Oder jemand von euch kann länger die Luft anhalten, dann auch nicht», vergnügt zuckte er mit den Schultern und trat zur Türe.

Plötzlich durchbrach ein Zischen die Stille. Aus verborgenen Lüftungen in der Decke strömte beissender Nebel. Ich erkannte es schnell als Wolfswurz!

Kurz bevor sich die Türe hinter ihm schloss, drehte der Alpha sich zu uns um: «Kleine Kate. Richte deiner Mutter einen Gruss von Marek aus.» Dann fiel die schwere Türe auch schon ins Schloss.

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Danke fürs lesen. ˆˆ

Was haltet ihr von Marek?

Blaue Augen zum FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt