Nachdenklich starrte ich zum Fenster hinaus und beobachtete den Regen. Seit etwa einer Stunde schüttete es wie aus Kübeln.
Nicht dass ich etwas dagegen hätte, denn bei diesem Regen würde Alpha Carter meine Wachen unmöglich hören oder riechen können. Leider wusste ich nicht wie lange es noch regnen würde. Hier bei uns war das Wetter einfach unberechenbar.
Schritte erklangen hinter mir und jemand räusperte sich.
«Noch immer nichts Neues», erklärte mir ein Grenzwächter. Ich nickte, doch zufrieden war ich nicht.
Seit heute Morgen versuchten wir nun schon, die Streuner zu verhören. Doch es war, als ob sie stumm wären.
Hören konnten sie uns, das war mir sicher. Als ich sie anschrie und langsam nicht mehr weiterwusste, hatten sich die Lippen des einen Streuners zu einem leichten Lächeln verzogen. Daraufhin hatte ich die Geduld verloren und hatte den Keller verlassen und hielt mich seitdem in Brads Hinterzimmer auf.
Eigentlich hätten wir uns vor zehn Minuten bereit zum Aufbruch machen sollen, doch die Streuner hatten momentan Priorität. Alpha Carter würde schon etwas warten können.
Erneut erklangen Schritte hinter mir und ich erkannte am Geruch, dass es sich um Josh handelte. Nun drehte ich mich herum und blickte ihn fragend an.
«Noch keine Fortschritte, aber ich glaube heute kriegen wir nichts mehr aus denen raus. Wir sollten langsam losbrechen.» Ein gewisser Unterton in seiner Stimme machte mich stutzig. Es klang, als ob er ziemlich angespannt war, jedoch konnte ich nicht sagen, ob dies an den Streunern oder am Treffen mit dem Alpha lag.
«Ich weiss, aber ich habe so ein ungutes Gefühl dabei, die Streuner alleine hier zu lassen», erklärte ich ihm meine Sorgen. Der Grenzwächter bemerkte, dass er nicht mehr gebraucht wurde und lief zur Türe hinaus. Denn jetzt würde ein Gespräch zwischen Alpha und Beta kommen.
«Das Treffen mit Alpha Carter ist wichtig für unser Rudel. Wir müssen wissen mit wem wir es zu tun haben und ich will ihn ehrlich gesagt nicht verärgern, er scheint nicht der freundliche Typ von nebenan zu sein», redete Josh auf mich ein.
«Ich weiss schon, was ich tue!», entgegne ich eine Spur zu heftig. Josh Kopf zuckte zurück.
Ich seufzte auf und sagte ruhiger: «Tut mir leid, ich weiss auch nicht was gerade mit mir los ist.»
Ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus und er breitete seine Arme aus. Er drückte mich an seine Brust und flüsterte mir ins Ohr.
«Mach dir nicht so viele Gedanken um Alpha Carter, das wird schon klappen. Und sonst bin ich ja auch noch da und verpasse ihm einen Tritt in den Arsch.»
Nun konnte ich das Lächeln nicht unterdrücken und verbarg es an seiner Brust. In solchen Momenten war ich unglaublich dankbar, dass Josh mein Beta und gleichzeitig mein bester Freund war. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn machen sollte.
Die Schultern nun weniger verspannt, trat ich zurück und rief die anderen zum Aufbruch.
~~~
Da wir nicht wussten was uns erwartete, hatte ich mehrere Krieger organisiert, welche mit uns kommen werden und sich im Wald verstecken würden. Gleichzeitig würden mehrere Grenzwächter die Westliche Grenze im Blick behalten, denn vielleicht war dieses Treffen auch nur ein Ablenkungsmanöver.
Angespannt beobachtete ich wie sich die anderen bereit machten. Noch immer schüttete es und langsam spürte ich die Nässe, wie sie sich durch mein Fell frass. Ich wollte dieses Treffen möglichst schnell hinter mir haben, denn schon den ganzen Nachmittag verspürte ich bereits ein merkwürdiges Kribbeln im Magen.
Auf mein Signal stürmten wir los. Josh und ich rannten in Richtung der Lichtung, während die anderen ihre Posten bezogen.
Nass peitschten die Blätter und Zweige um meine Beine und doch fühlte ich, wie ich ruhig wurde. Tief atmete ich ein und genoss die frische Waldluft, welche nach Regen roch. Neben mir jaulte Josh glücklich auf. Wir beide zusammen waren schon lange nicht mehr laufen gegangen und mir war bis gerade eben nicht bewusst gewesen, wie sehr ich das vermisst hatte.
Wir näherten uns der Lichtung und ich versuchte den Geruch des Alphas aufzuschnappen. Entweder war der Wind auf seiner Seite oder der Regen verdeckte erfolgreich seinen Geruch. Ich hoffte sehr es war zweiteres, denn sonst hätte er uns bereits gerochen.
Ich wurde langsamer und verfiel in Schritttempo und Josh hielt sich hinter mir. Aufmerksam beobachtete ich die Sträucher, doch konnte keine dunklen Umrisse von Wölfen erkennen.
Doch dann sah ich an einem Busch vorbei, wie zwei Personen auf die Lichtung zuschritten. In Menschenform!
'Ist das sein Ernst? Jetzt müssen wir uns zurückverwandeln und die nassen Klamotten anziehen', beschwerte ich mich gedanklich bei Josh. Zustimmend verdrehte er genervt die Augen.
Also liefen wir Richtung Büsche auf unserer Seite der Grenze und Josh zog seinen Rucksack aus. Zur Sicherheit hatten wir zuvor unsere Klamotten in einen alten Rucksack gesteckt und Josh hatte sich diesen auf den Rücken gebunden.
Ich kontrollierte, ob die Personen auf ihrer Seite der Grenze blieben, und verwandelte mich zurück.
Schmerz durchzuckte mich und ich stöhnte gequält auf. Meine Knochen brachen mit einem Knacksen, während meine Fellhaare sich zurückzogen. Meine Schnauze verschwand und meine Zähne zogen sich ebenfalls ins Zahnfleisch zurück.
Mit zitternden Händen streifte ich mir meine Jeans über und zog meinen Pullover an. Ich hasste es nasse Klamotten anzuziehen. Sie schienen dann immer drei Grössen geschrumpft zu sein.
Als Josh ebenfalls so weit war, traten wir hinter den Büschen hervor.
An der Grenze standen zwei Männer, beide gross und kräftig gebaut. Den einen erkannte ich aus dem Wood-Food und vermutete, dass er der Beta des Alphas war. Der andere strahlte die gleiche Macht aus wie der schwarze Wolf, welchen ich vor zwei Tagen hier auf dieser Lichtung getroffen hatte.
Als wir näherkamen, erkannte ich sein Gesicht. Wie durch ein Wunder schaffte ich es nicht zu stolpern vor Starren.
Denn ich konnte nicht anders als starren. Sein Gesicht war wunderschön. Tiefblaue Augen, geschwungene Lippen, ausgeprägte Wangenknochen, markanter Kiefer und tiefschwarzes Haar. Die Haarsträhnen fielen ihm in die Stirn und tropften vom Regen.
'Pass auf, dass du nicht zu sabbern anfängst', lachte Joshs Stimme in meinen Kopf. Ertappt blickte ich zu meinem Beta und sah seine Augen belustigt funkeln.
«Danke, dass ihr gekommen seid. Es ist mir eine Ehre meine neuen Nachbarn kennen zu lernen», erklang die tiefe Stimme des Alphas. Sogleich überzog Gänsehaut meinen Körper und meine Haare stellten sich auf. Wieso hatte dieser Kerl eine solche Wirkung auf mich?
Der Alpha trat einen Schritt nach vorne. «Kommen wir doch direkt zur Sache. Ich bin Alpha Carter und würde gerne dein Rudel übernehmen!»
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Puuh, dieser Alpha Carter könnte Kate noch Ärger bereiten!
Danke fürs lesen. ˆˆ
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Blaue Augen zum Feind
Loup-garouZwei Alphas. Eine Seele. Kate und Ash sind wie Feuer und Wasser. So unterschiedlich und doch bestimmt sich gegenseitig zu ergänzen. Kate lebt als Alpha mit ihrem Rudel in Greenwood, einem abgeschiedenen Dorf. Doch eines Tages zieht ein Rudel dazu un...