Kapitel 16 - Der Orden weiß (fast) alles

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„Miss Dawson, bitte begleiten Sie mich ins Büro des Schulleiters.“ Ich zog meine Augenbrauen nach oben und drehte mich zu McGonagall um. „Was?“ „Sie haben mich schon verstanden.“ Um uns herum begannen die Schüler zu tuscheln. „Hat sie was angestellt?“ „McGonagall schaut gar nicht glücklich aus.“ „Was da wohl abgeht?“ Schulterzuckend stand ich auf. „Bis später“, grinste ich Hermine zu und folgte unserer Hauslehrerin aus der Großen Halle. Wenigstens war ich schon fertig mit frühstücken. McGonagall schwieg, bis wir auf leere Flure kamen. „Ich entschuldige mich, sollte mein Auftreten eben hart geklungen haben, Flora. Sei versichert, dass es nicht an dir liegt. Albus wird dir alles erklären, wenn wir in seinem Büro sind.“ „Kein Problem, Minerva.“ Es war immer noch komisch, die Erwachsenen aus dem Orden zu duzen. Doch es war normal geworden. Ich hatte mich mehr oder weniger daran gewöhnt. Während wir die Stufen zu Dumbledores Büro hinaufgingen, beschlich mich das Gefühl, dass diese Aktion etwas mit eben jenem Orden zu tun haben musste. Was konnte es auch sonst anderes sein?

Im Büro wartete auch Snape, wie immer mit griesgrämiger Miene. „Ah, Miss Dawson. Da sind Sie ja.“ Dumbledore erhob sich von seinem Platz und kam um seinen Schreibtisch herum. „Wie Sie sich vielleicht schon gedacht haben, geht es um den Orden. Um genau zu sein: Es findet heute ein Ordenstreffen im Grimmauldplatz statt. Da Sie ein vollwertiges Mitglied der Gruppe sind, dürfen Sie selbstverständlich daran teilnehmen.“ Ich nickte und verschränkte meine Arme. Musterte den Zauberer vor mir – hoffentlich unauffällig. „Sie werden das Flohnetzwerk benutzen. Severus und Minerva werden Ihnen zeigen, wie es geht.“ Wieder nickte ich und folgte mit meinem Blick meinem Zaubertranklehrer, der zum Kamin schritt. Dort nahm er sich eine Hand voll Flohpulver aus einem Schüsselchen auf dem Kaminsims. Das warf er ins Feuer. Die Flammen stoben knisternd nach oben und verfärbten sich grün. Snape stellte ich hinein, schnarrte „Grimmauldplatz Nummer 13“ und verschwand. McGonagall tat es ihm gleich, aber nicht, ohne noch einmal einen vermutlich besorgten Blick in meine Richtung zu werfen. Ich schenkte ihr als Antwort ein schwaches Lächeln, dann war ich mit Dumbledore alleine. Jetzt war wohl ich an der Reihe. Flohnetzwerkreisen waren für mich nicht unbekannt, ich hatte es schon mal gemacht. Also brauchte ich auch nicht aufgeregt zu sein oder Angst zu haben. Und wenn ich im falschen Kamin landete, konnte ich es ja immer noch ein weiteres Mal versuchen oder eine Nachricht mit meinem Patronus losschicken. Ich streckte meine Hand nach dem Flohpulver aus.

„Einen Moment noch, Miss Dawson.“ Ich hielt inne. Zog meine Hand wieder zurück. Drehte mich zu Dumbledore. „Ja?“ Der Mann blickte mich an. Dachte wohl nach. „Wie steht es mit dem Buch, dessen Beschaffung ich Ihnen als Auftrag gab?“ Fast hätte ich meine Augen geschlossen und geseufzt. Doch ich unterdrückte den Drang und zuckte stattdessen mit den Schultern. „Ich habe es gelesen, wie Sie wollten. Es ist sehr interessant, wirklich.“ Dumbledore legte seinen Kopf schief, minimal, kaum wahrnehmbar. „Und? Ist die Uralte Magie in Ihnen erwacht, Miss Dawson?“ So direkt war der Mann doch sonst nicht. Ich legte meinerseits den Kopf schief. „Nein, da muss ich Sie enttäuschen, Schulleiter.“ Ich war mir sicher, dass diese Antwort ihn nicht zufriedenstellte. Doch warum auch immer, er stellte mir keine weiteren Fragen. Stattdessen musterte er mich noch ein paar Sekunden, als würde er die Wahrheit in meinen Gedanken lesen wollen. Siedend heiß fiel mir ein, dass er das ja konnte. Bevor ich jedoch meinen Geist leeren und mich möglichst auf eine Mauer in meinem Hirn konzentrieren konnte, brach der Mann den Blickkontakt ab und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Hoffentlich hatte er nichts gesehen. „Nun, dann will ich Sie nicht weiter aufhalten. Ich werde in Hogwarts bleiben, um ein paar wichtigen Angelegenheiten nachzugehen.“ Damit war unsere Unterredung beendet.

Ich wandte mich dem Kamin zu, warf Flohpulver in die Flammen und nannte mein gewünschtes Ziel. Unterwegs stieß ich mir den Ellenbogen an und verpasste um ein Haar den richtigen Kamin. Gerade noch rechtzeitig stolperte ich heraus und landete in der Küche des Grimmauldplatzes. Ich stolperte über den Boden. Starke Hände packten mich an den Schultern und stellten mich auf die Füße. Snape hielt mich an den Schultern und musterte mich prüfend, klopfte mir dann Asche von meinem Gryffindor-Pulli. „Meine Güte, Flora! Warum hast du so lange gebraucht! Wir haben uns schon Sorgen gemacht, dass du am falschen Kamin ausgestiegen bist“, wetterte McGonagall hinter Snape. Der ließ mich los und machte einen Schritt zur Seite. McGonagall ihrerseits musterte mich noch einmal. „Entschuldige. Dumbledore wollte noch mit mir sprechen und hat mich aufgehalten“, erklärte ich.

Merlins Erbin 2 - Wahre das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt