Kapitel 5 - Turbulente Wochen

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Der nächste Tag stand unter keinem guten Stern. Das merkte ich schon, als ich hinunter in die Küche zum Frühstück kam und alle ein Gesicht zogen, als wäre jemand gestorben. Ich brauchte kurz um zu realisieren, dass heute ja Harrys Anhörung im Ministerium stattfinden würde. Ich ließ meinen Blick schweifen. „Harry ist schon mit Arthur im Ministerium“, erkannte Remus meinen fragenden Ausdruck. Ich nickte und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch. Das Essen verlief schweigend. Hin und wieder fielen bedeutungsschwere Blicke. „Das wird schon“, sagte Molly mit einem Mal und stellte eine Schüssel mit Rührei so  energisch auf den Tisch, dass sie einen Sprung bekam. Ohne ein Wort zog Remus seinen Zauberstab und reparierte das Porzellan. Hermine sprang vom Tisch auf. „Ich bin in meinem Zimmer!“, rief sie und eilte aus der Küche. Ich blickte ihr hinterher. Überlegte, ob ich ihr nachlaufen sollte. „Ich auch“, meinte Ginny und folgte Hermine. Ron, Fred und George verzogen sich ebenfalls. War ich eine schlechte Freundin, dass mich Harrys Anhörung nicht so sehr mitnahm wie die anderen? Natürlich machte ich mir Sorgen, aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass Harry wirklich verurteilt werden würde.

Ich leckte mir über meine trockenen Lippen und wandte mich wieder meinem Gegenüber zu. „Hat Harry gute Chancen?“, wollte ich wissen. Doch statt Remus antwortete mir der Hausherr selbst. „Er hat nichts falsch gemacht. Selbst minderjährige Zauberer dürfen in Gefahrensituationen zaubern“, meinte Sirius. Remus nickte. „Und das war ja wohl eindeutig eine Gefahrensituation. Das Ministerium sollte lieber mal überprüfen, warum die Dementoren in dem kleinen Vorstadtörtchen waren, anstatt einen 15-jährigen Jungen in die Mangel zu nehmen, der alles richtig gemacht hat“, regte Sirius sich weiter auf. Wieder nickte Remus leicht. „Also ist das Gesetz auf seiner Seite?“, hakte ich nach. „Ja“, kam es dieses Mal von Remus und ich nickte. Gut, dann sollte er also eigentlich nicht bestraft werden. Immerhin hatte er rechtmäßig gehandelt. Bis zum Mittagessen brütete ich noch einmal über dem Buch der uralten Magie. Auch meine Freunde ließen keinen Laut vernehmen. Zum Mittagessen trafen wir alle wieder aufeinander. Auch dieses Essen verlief schweigend. Danach verschwanden die anderen aber nicht mehr.

So saßen wir also alle am Tisch und warteten gespannt – oder eher angespannt – auf Harrys Rückkehr. Irgendwann klickte die Haustür. Zuerst kam Arthur in die Küche und strahlte uns alle an. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war also alles gut gegangen. „In allen Anklagepunkten freigesprochen“, verkündete das Oberhaupt der Weasleys feierlich, genau in dem Moment, als Harry hinter ihm den Raum betrat. „Ich hab’s gewusst! Du kommst immer mit allem durch!“, rief Ron und sprang auf. Hermine neben mir atmete tief und zittrig durch. „Sie mussten dich freisprechen. Die hatten nichts gegen dich vorzuweisen, überhaupt nichts“, nickte sie fachmäßig. „Ihr scheint aber trotzdem ziemlich erleichtert, obwohl euch doch klar war, dass ich da rauskommen würde“, grinste Harry. Während Fred, George und Ginny nun einen Siegestanz begannen und immer wieder „Er ist frei!“ riefen, stand ich auf und trat zu dem Jungen mit der Blitznarbe. „Ich hatte keinerlei Zweifel, dass sie dich nicht bestrafen würden“, murmelte ich und zog ihn in eine kurze Umarmung. „Danke, Flora“, flüsterte Harry und ließ mich wieder los. „Das reicht jetzt! Beruhigt euch! Hör mal, Sirius, Lucius Malfoy war im Ministerium…“, meinte Arthur.

Kurz entgleisten mir meine Gesichtszüge. Ich presste meine Lippen zusammen und wandte mich in Richtung Tür. „Entschuldigt mich“, meinte ich, war mir aber nicht sicher, ob mich überhaupt irgendwer gehört hatte. Eilig marschierte ich die Treppen hinauf in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Erst dann wagte ich es, Dracos Briefe aus den Tiefen meines Koffers herauszuziehen. Mein Freund hatte mir immer wieder geschrieben, dass sein Vater sich merkwürdig verhielt. Und im Orden stand er auf der Liste möglicher Todesser. Was, wenn Dracos Familie sich wirklich wieder der dunklen Seite anschließen würde? Wie würde Draco handeln? Würde er ebenfalls für Voldemort kämpfen? Oder würde er dazu gezwungen werden? Wie würde dann unsere Freundschaft aussehen? Wie auch immer es kommen würde, solange Draco noch mein Freund sein wollte, würde ich zu ihm stehen und ihn unterstützen. Ich würde alles daran setzen, dass wir weiterhin Freunde sein konnten und würden!

Merlins Erbin 2 - Wahre das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt