Kapitel 6

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Wie immer verkündete das Klingeln das Ende des Schultages.

Osamu verließ das Gebäude. Kurz vor dem Tor blieb er stehen und sah Richtung Halle.

Er konnte hören, dass die anderen schon mit dem Training angefangen hatten.

Das Quietschen der Schuhe auf dem Boden, das Aufprallen der Bälle.



"Der war gut" Rief ihr Trainer, als sich die Aufmerksamkeit der gesamten Halle plötzlich auf die Türe richtete.

Atsumus Augen begannen zu strahlen, während die anderen eher überrascht wirkten.

"Keine Sorgen ich schaue nur zu" gab Osamu desinteressiert von sich und setzte sich auf die Bank.

Irgendwie hatten viele das Gefühl, dass Osamu direkt wieder abhauen würde, wenn sie etwas falsches sagen würden.

Osamu beobachtete alles ganz genau und dabei blieb es nunmal nicht aus, dass sein Frust wieder hoch kam. Aber er würde hier jetzt ganz bestimmt nicht anfangen zu heulen.

Er sah auf seine Tasche. Der kleine Anhänger wackelte ein wenig.

Er machte ihn ab und umklammert ihn mit seinen Händen.

Er hatte ihn mitgenommen, als er bei Suna war. Normalerweise hatte Suna ihn immer an seiner Tasche gehabt.

Und zugegeben er war süß. Es war ein kleiner Fuchs der einen Volleyball in den Vorderpfoten hielt und seinen Hintern ein wenig in die Luft streckte.

Die nächsten Tage liefen genauso ab. Und jedes Mal wenn Osamu ihnen beim Spielen zusah, hätte er anfangen können zu heulen.

Sie waren wieder in der Halle. Er hatte sich angewöhnt den Anhänger festzuhalten, während sie Training hatten. Irgendwie beruhigte ihn das.

Seltsamer weise ließen sie immer wenn sie drei gegen drei spielten einen Platz für ihn frei.

Wahrscheinlich hofften sie, dass er irgendwann doch mitmachen würde.

*wie zum Teufel soll ich aufs Feld gehen und spielen. Wie soll ich spielen, wenn er es nicht mehr kann*

Suna war nicht nur sein Freund, sondern eben auch sein Partner auf dem Feld.

Der Gedanke daran ohne ihn auf dem Feld zu stehen tat weh, sogar sehr.

"Ich weiß genau was du denkst" Suna hockte vor ihm. "Aber du gehst das ganze falsch an" er machte eine Pause.

"Betrachte das ganze mal anders. Wenn ich nicht mehr spielen kann-" er sah ihn an. "-Dann musst du eben für uns beide spielen"

"Hm" Osamu sah ihn verwundert an.

Osamu beobachtete die anderen.

Er hatte nie darüber nachgedacht, wie Suna das ganze sehen würde.

Er legte den Anhänger neben sich auf die Bank und ging zu dem Spielfeld, auf dem sie extra einen Platz freigehalten haben.

Er sah seine Mitspieler nichtmal an, dafür wurde er umso intensiver angeschaut.

Er nahm sich den Ball. Er hatte aufgepasst, also wusste er, dass er sowieso mit dem Aufschlag dran war.

Er schmetterte den Ball übers Netz. Er kam mit einem lauten Knall auf dem Boden auf, sprang gegen die Wand, prallte dort ab und flog geradewegs aus der Halle.

Die anderen sahen ihn schockiert an. Nicht weil er plötzlich spielte, sondern weil sie nun langsam verstanden, warum er nicht spielen wollte.

Das war keiner seiner normalen Aufschläge. In diesem Ball steckte mehr Frust als Spielfreude.

Es war nicht ungewöhnlich, dass er mal übers Ziel hinausschoss, aber das war keine bloße Kraft.

Das waren pure Emotionen. Frust  Verzweiflung, Trauer und alles was sich die letzten Wochen sonst noch angesammelt hatte.

Aber dafür fühlte sich Osamu nun erstaunlich gut.

Dieser erste Ball war wichtig. Mit einem Schlag hat er einfach alles rausgelassen.

Er sah dem Ball hinterher. "Sorry"

"Äh schon gut" versuchte Akagi ihn zu beschwichtigen, auch wenn er zugegebenermaßen gerade kurz davor war sich in die Hose zu machen.

"Na geht doch" lächelte Suna. Er wusste, dass das genau das war, was Osamu jetzt gebraucht hatte.

Den Rest des Trainings spielte er wie gewohnt weiter, allerdings hat ihn die lange Pause etwas aus der Form gebracht.

Nach dem Training verließen sie alle gemeinsam die Halle.

"Du bist ganz schön aus der Form, wirst dich wohl anstrengen müssen um uns wieder einzuholen" stichelte Akagi.

"Schon klar"

"Hö was das denn" erklang eine Stimme neben ihnen.

Sie blieben stehen und sahen die Jungs an. Drei um genau zu sein.

Sie waren im Basketball Club und hatten eigentlich nichts mit ihnen zu tun.

Sie sahen Osamu an. Er war sich sicher dass der eine Izumi hieß.

"Du gehst wieder zum Training?" Fragte einer der drei verwundert.

"Ist doch egal" gab Izumi von sich. "Ich verstehe das ganze Drama sowieso nicht. Um den Typ ist es doch nicht schade, der war sowieso immer nur im Weg"

Alle sahen ihn mit großen Augen an und jeder einzelne von ihnen wusste, dass er damit Suna meinte.

Allerdings wusste er nicht, dass Suna genau daneben stand. Es sah aus, als wäre ihm etwas eingefallen.

"Was?" Osamu sah ihn an. Im Grunde gab er ihm gerade die Chance, das was er gesagt hatte wieder zurück zu nehmen.

"Ist doch so. Niemand braucht nen Loser der eh nichts auf die Reihe beko-" er hatte nichtmal die Chance auszureden, da hatte er schon die erste Faust im Gesicht.

Und auf die erste folgten weitere.

"Osamu beruhig dich" Aran schlang von hinten seine Arme um ihn und zog ihn von Izumi weg. Atsumu stellte sich vor seinen Bruder und versuchte ihn zu beruhigen.

Izumi saß auf dem Boden in seiner eigenen Blutlaache und sah geschockt auf seine Hand.

Sein Zahn hatte das ganze nicht so gut überstanden. Er sah zu Osamu hoch.

Seine Freunde halfen ihm auf und brachten ihn weg.

"Osamu was sollte das?" Fragte Aran aufgeregt und ließ ihn los.

Osamu hatte sich relativ gut beruhigt. "Er hat kein Recht dazu so über ihn zu reden" gab Osamu erstaunlich ruhig von sich. "Er kannte ihn ja nichtmal" damit ging er einfach weiter.

Dass seine Hand ebenfalls am bluten war, schien ihn nicht zu interessieren.

Suna sah ihn an. "Das ist zwar nett gemeint, aber ich bin tot. Was die zu sagen haben interessiert mich nicht, also solltest du auch nicht zu viel Wert darauf legen" er machte eine Pause. "Aber mir ist da was eingefallen"

The Guardian (Osasuna) (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt