Von Grenzen, die keine Grenzen sind

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"Queer people always talk about other people having to respect their boundaries. But you have to respect your parent's boundaries too. Calling you your nickname of your deadname was how far they could go."
("Queere Menschen sprechen immer davon, dass andere Menschen ihre Grenzen respektieren müssen. Aber du musst auch die Grenzen deiner Eltern respektieren. Dich beim Spitznamen deines Deadnames zu nennen war das weiteste, was sie gehen konnten.")

So oder so ähnlich lauteten viele Kommentare unter einem Video, in dem eine queere Person schilderte, dass sie bei ihren Eltern bei einem Spitznamen ihres Zweitnamens genannt wird. Dey hatte kein Problem damit, aber die Kommentare haben aus irgendeinem Grund in das Video reininterpretiert, dass die Person ein Problem damit hat, und dann angefangen, gegen sie zu argumentieren.

Deswegen sprechen wir heute über Grenzen, die keine Grenzen sind. Wenn man nicht allzu viele Gedanken daran verschwendet, würde man vielleicht denken, "ja, das sind Grenzen, die Mitmenschen sind einfach nicht bereit, die Änderungen anzunehmen und suchen sich selbst Lösungen in ihrer Comfort-Zone". Aus meiner Sicht ist das aber keine valide Grenze. Ein Problem damit zu haben, sich an eine Namens- und Pronomensänderung zu gewöhnen, ist nicht damit zu vergleichen, unter der Geschlechtsdysphorie zu leiden, die durch falsche Ansprache entsteht (siehe mein Kapitel zu Geschlechtsdysphorie).

Abgesehen davon stellt sich natürlich auch die Frage, was mit den Grenzen der queeren Menschen ist. Hier würde man die Grenze eben dort ziehen, wo der falsche Name oder die falschen Pronomen verwendet werden. Selbst wenn man also die Grenze der Mitmenschen als solche ansieht, steht hier Grenze gegen Grenze.

Und versteht mich nicht falsch, es ist ganz normal, vor allem als Angehörige einer queeren Person Zeit zu brauchen, sich an die Änderungen zu gewöhnen. Meine Eltern beispielsweise haben mich lange bei meinem Spitznamen, also Andy, genannt, bevor sie meinen tatsächlichen Namen verwendet haben - was sie mittlerweile aber tun. Ich hatte nunmal vorher viel mehr Zeit als sie, darüber nachzudenken und mich daran zu gewöhnen, und zumindest einen Teil dieser Zeit verdienen sie auch. Ich musste ja am Ende deutlich mehr rausfinden als sie, aber ich denke, ihr versteht meinen Punkt.

 Aber es ist nicht okay, es nicht einmal zu versuchen und sich einfach auf einen Spitznamen, mit dem eine queere Person wahrscheinlich nicht einmal einverstanden ist, festzulegen - also z.B. eine Transfrau, deren Deadname Alexander ist, einfach Alex zu nennen, ohne, dass sie das will. Selbst wenn dieser Name, wie in diesem Beispiel, sogar neutral ist, finde ich das unverschämt. Das ist ein bisschen so, als würde ich einen Mann namens Patrick einfach Hubert nennen, weil ich das halt will und weil es meine Grenze ist, dass ich jemanden nicht Patrick nennen will.

Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine - ich finde es einfach sehr unverschämt, wenn das ganze Leid, das Menschen durch Geschlechtsdysphorie erfahren, mit der Nennung eines Namens und neuer Pronomen auf die gleiche Ebene gesetzt wird. Und wie gesagt, damit kann man sich vor allem als nahe Angehörige schwer tun, aber es ist dennoch nicht ansatzweise vergleichbar und zumindest ein Versuch ist mehr als angebracht, egal, wie lang es dauert.


𝐐𝐔𝐄𝐄𝐑 𝐒𝐄𝐈𝐍 | Aufklärung, Erfahrungen, Debatten, MeinungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt