Kapital 9

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Der Montagmorgen begann mit der üblichen Routine. Minho war jedoch ungewöhnlich nervös, als er zur Schule ging. Er hatte den neuesten Brief für Jisung in seiner Tasche, bereit, ihn in dessen Spind zu legen. Diesmal war der Brief anders. Er war der ehrlichste und persönlichste von allen, und Minho wusste, dass er damit eine Tür öffnete, die nicht mehr geschlossen werden konnte.

Minho wartete, bis die ersten Unterrichtsstunden begonnen hatten und der Gang leer war. Dann schlich er sich zu Jisungs Spind und schob den Brief hinein. Er atmete tief durch, versuchte seine Nerven zu beruhigen und ging dann zu seinem Unterricht.

Die Stunden zogen sich wie Kaugummi, und Minho konnte sich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Er dachte ständig daran, wie Jisung auf den Brief reagieren würde. Er stellte sich verschiedene Szenarien vor: die besten und die schlimmsten.

Endlich kam die Mittagspause. Minho ging zögernd zum Pausenhof, wo Jisung und die anderen bereits auf ihn warteten. Jisung hielt den Brief in der Hand und sah nachdenklich aus.

"Hey, Minho", sagte Jisung, als er ihn sah. "Ich habe einen neuen Brief bekommen. Willst du ihn mit uns lesen?"

Minho versuchte, ruhig zu bleiben. "Klar, warum nicht."

Sie setzten sich alle in einen Kreis, und Jisung öffnete den Brief und begann laut vorzulesen. Seine Stimme zitterte leicht, als er zu den letzten Zeilen kam.

"Ich hoffe, dass du mich verstehen wirst, wenn die Zeit kommt, und dass unsere Freundschaft stark genug ist, um diese Wahrheit zu überstehen.

In Liebe, Dein geheimer Verehrer L.K ."

Eine gespannte Stille folgte, als Jisung den Brief beendete. Alle sahen sich an, als ob sie versuchten, die Identität des geheimen Verehrers zu erraten.

"Das ist wirklich intensiv", sagte Felix schließlich. "Wer auch immer das geschrieben hat, meint es ernst."

Jisung nickte nachdenklich. "Ja, es ist irgendwie überwältigend. Ich wünschte, ich wüsste, wer es ist."

Minho konnte das Schweigen nicht mehr ertragen. Er wusste, dass der Moment gekommen war. Er musste die Wahrheit sagen, bevor jemand anderes es herausfand.

"Jisung", sagte Minho leise, aber bestimmt. "Kann ich kurz mit dir allein sprechen?"

Jisung sah überrascht aus, nickte aber. "Klar, Minho. Gehen wir ein Stück."

Die beiden standen auf und gingen ein paar Meter weiter weg, während die anderen ihnen neugierig nachsahen. Sie fanden eine ruhige Ecke des Pausenhofs, wo sie ungestört reden konnten.

Minho nahm einen tiefen Atemzug und sah Jisung direkt in die Augen. "Jisung, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Es ist nicht einfach für mich, aber du verdienst die Wahrheit."

Jisung sah ihn erwartungsvoll an. "Was ist los, Minho? Du kannst mir alles sagen."

Minho zögerte einen Moment, bevor er fortfuhr. "Die Briefe... sie sind von mir. Ich bin dein geheimer Verehrer."

Jisungs Augen weiteten sich vor Überraschung. Er sagte nichts, aber Minho konnte sehen, wie er die Worte verarbeitete.

"Ich wollte es dir schon lange sagen, aber ich hatte Angst", fuhr Minho fort. "Angst, dass es unsere Freundschaft zerstören könnte. Aber ich konnte meine Gefühle nicht länger verbergen. Du bedeutest mir so viel, Jisung, und ich musste es dir irgendwie sagen."

Jisung war immer noch sprachlos. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und sah dann Minho mit einem Ausdruck an, den dieser nicht deuten konnte.

"Minho, ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll", begann Jisung schließlich. "Das ist... das ist so viel auf einmal."

Minho nickte verständnisvoll. "Ich verstehe. Es ist viel. Und ich erwarte nicht, dass du sofort eine Antwort hast. Ich wollte nur, dass du die Wahrheit weißt."

Jisung sah zu Boden und schien über seine Worte nachzudenken. Dann sah er Minho wieder an, und in seinen Augen lag ein warmes, sanftes Lächeln.

"Minho, ich bin froh, dass du ehrlich zu mir bist. Und ich bin froh, dass du den Mut hattest, es mir zu sagen. Es bedeutet mir viel, dass du mir vertraust."

Minho fühlte, wie ein Gewicht von seinen Schultern fiel. "Danke, Jisung. Das bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst."

Jisung trat einen Schritt näher und legte eine Hand auf Minhos Schulter. "Lass uns einfach sehen, wohin das führt, okay? Ich brauche etwas Zeit, um das alles zu verarbeiten. Aber ich möchte, dass wir weiterhin Freunde bleiben, egal was passiert."

Minho lächelte erleichtert. "Das möchte ich auch. Freunde, egal was passiert."

Sie gingen zurück zu den anderen, die immer noch gespannt auf ihre Rückkehr warteten. Jisung und Minho setzten sich und lächelten sich an, und die anderen wussten, dass etwas Wichtiges passiert war, aber niemand stellte Fragen.

Der Rest des Tages verging in einem seltsamen, aber angenehmen Schwebezustand. Minho fühlte sich erleichtert, dass die Wahrheit endlich ans Licht gekommen war, und er war dankbar für Jisungs Verständnis und Geduld.

Am Abend, als Minho zu Hause war, dachte er über die Ereignisse des Tages nach. Es war ein großer Schritt gewesen, aber er hatte das Gefühl, dass es der richtige war. Und obwohl er nicht wusste, was die Zukunft bringen würde, fühlte er sich bereit, sie gemeinsam mit Jisung anzugehen, egal wohin der Weg sie führen würde.

Through the Silence /Minsung 🩶Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt