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Die Luft im Tempel war immer noch von einer unheimlichen Stille erfüllt, als wir uns fragend umschauten. Die Wände aus Stein, die einst so böse und bedrohlich wirkten, schienen nun wie Zeugen einer Befreiung zu sein. Doch während ich versuchte, die Freude über unseren Sieg zu empfinden, war es, als würde etwas in mir zerrissen werden – ein Schatten, der mein Herz an einen Ort gewann, wo die Erinnerungen an vergangene Tage lebendig wurden.

„Sofia, alles ist vorbei", flüsterte Julian, und sein warmer Atem war wie ein Anker in der schrecklichen Stille. Er schloss mich fest in seine Arme, und ich spürte die Stärke und den Trost seiner Präsenz. Doch in diesem Moment konnte ich die anhaltende Leere in mir nicht leugnen. „Ja, ja. Es ist vorbei", antwortete ich, meine Stimme brüchig, fast als wäre ich auf der Suche nach Worten, die meine Gedanken einfangen könnten.

„Aber..." Ich hielt inne, übermannt von einem Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte. „Aber was?", fragte er, sein Blick durchdringend. „Es gibt keinen Grund zur Traurigkeit mehr. Wir haben gesiegt, Sofia." Aber ich hatte keinen Grund mehr, meine Hand in die Hand meiner Mutter zu legen, kein Lachen mehr zu hören, das die Wände unseres alten Hauses füllte. Die Bilder schossen mir in den Kopf, die fließenden Bewegungen meiner Mutter, während sie in der Küche arbeitete, die Art und Weise, wie sie die Haare aus ihrem Gesicht strich, die Wärme ihrer Stimme, die mir immer versicherte, dass alles gut werden würde.

„Julian", begann ich, „ich... ich kann nicht aufhören, an sie zu denken. An meine Mutter." Die Worte waren schmerzlich, als würden sie mir das Herz aus der Brust reißen. „Wie kann ich das alles feiern? Ich fühle mich so leer, als wäre ein Teil von mir verloren gegangen."

Julian nickte verständnisvoll, sein Gesicht von Mitgefühl durchzogen. „Es tut mir leid, Sofia. Es ist völlig normal, dass du sie vermisst. Der Verlust ist real, und mit jedem Sieg kommt auch ein Stück Trauer. Was ist, wenn wir sie ehren, anstatt ihre Erinnerung in der Freude zu verlieren?"

Seine Worte fanden einen Widerhall in meinem Inneren. Ich dachte an die Geschichten, die meine Mutter mir erzählt hatte, an die Lektionen des Lebens, die sie mir mitgebracht hatte. „Sie hätte nie gewollt, dass ich die Trauer trage, dass ich sie so sehr vermisse."

„Vielleicht wäre es ein Zeichen der Stärke, eine Kerze für sie anzuzünden, ihr zu gedenken, während wir unser neues Leben beginnen", schlug Elara leise vor. Ihre Augen schimmerten mit Mitgefühl und Verständnis. „Wir haben gekämpft, um diese Welt zu retten, und wir haben es geschafft. Lass uns jetzt auch für die kämpfen, die in unseren Herzen weiterleben."Ich lächelte schwach, während die Trauer von mir abfiel – nicht vollständig, aber ein wenig. „Das klingt gut. Sie würde das mögen."

Julian und Elara nickten, während wir uns auf den Weg zu einem helleren Teil des Tempels machten, wo wir Platz schaffen könnten für eine kleine Gedenkstätte. Es war ein kleiner Lichtstrahl in der Dunkelheit, ein Anzeichen für die Hoffnung, die das Leben schließlich bringen kann, selbst wenn die Schatten nicht ganz verschwunden sind.

In diesem Moment war ich mir klar – meine Mutter lebte in den Erinnerungen. Sie war ein Teil von mir, von dem, was ich war und was ich werden würde. Und während wir den alten Tempel säuberten und unseren kleinen Altar errichteten, um ihre Erinnerung zu ehren, konnte ich ein weiteres Stück von mir finden, das sich mit der Dunkelheit versöhnte.

„Ich vermisse dich, Mama", murmelte ich leise und stellte eine kleine Blume, die wir früher in unserem Garten pflückten, auf den steinernen Sockel. „Aber ich werde weiterhin für dich kämpfen. Für all die Dinge, die du mir beigebracht hast."

„Das habe ich gefühlt, als wir gegen den Wächter gekämpft haben", gestand ich und blickte auf die beiden Freunde, die mir so nahe standen. „Eure Stärke hat mein Herz gehalten, aber es ist auch meine Liebe zu ihr, die mir geholfen hat, nicht aufzugeben."

„Du bist stark, Sofia", entgegnete Julian, und ich sah, wie seine Augen einen Funken des Verständnisses hatten. „Und ich glaube, das ist genau das, was sie gewollt hätte – dass du weiter kämpfst, egal wie schwierig die Zeiten sind."

„Richtig", fügte Elara hinzu. „Wir sind hier, und wir sind für dich da. Die Schatten können zwar niederdrücken, aber das Licht der Erinnerungen wird euch immer ein Zuhause bieten." Die Stille des Tempels wurde durch unsere leisen Stimmen gefüllt, und ich fühlte, wie die Dunkelheit allmählich einen zarten Rückzug einlegte.

Es war ein Anfang, eine neue Geschichte, und schließlich musste ich mir eingestehen, dass die Dunkelheit mehr war als nur die Trauer. Sie war der Ort, an dem ich mit meiner Mutter und all den Lektionen, die sie mir hinterlassen hatte, lebte. So schloss ich einen Kreislauf: einen Kampf dem neuen Licht und den ständigen Erinnerungen.

Und so, wo es einst unheilvolles Dunkel gab, begann ein neuer Anfang, mit der Liebe und der Stärke, die niemals erlöschen würden.



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Der Whisky-Fluch: Legenden eines WerwolfsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt