Kapitel 6.3

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Sie war wie erstarrt, rührte nicht einen Muskel. Er konnte es ihr nachfühlen, ein wenig zumindest. Er hatte sich ebenfalls wie erstarrt gefühlt, als er Sein Urteil hörte. Sollte sie sich nicht innerhalb weniger Umläufe nach der nächsten Schlacht an seine Seite stellen, sei sein Einfluss wohl nicht ausreichend. Dann wäre es an den anderen Höllenfürsten, ihre Künste an ihr auszuprobieren.

Zwei Umläufe hatte er mit der Herstellung der Figuren verbracht. Und damit, zu überlegen, wie er sie dazu bringen konnte, ihn zu wählen. Denn die Konsequenzen, sollte sie es nicht tun, wären weitreichend. Es würde sein Ansehen unter den Höllenfürsten schwer beschädigen und die Furcht seiner Diener vor ihm mindern. Gleichzeitig musste er vor Veidja möglichst unbeeindruckt erscheinen, durfte nicht zeigen, wie sehr sie Einfluss auf ihn haben konnte. Und übte er zu viel Druck aus, war sein Plan hinfällig, denn in dieser Sache musste er ihren freien Willen respektieren. Eines der Konzepte, das in diesem Reich deutlich mehr Gewicht hatte, als in der Welt der Menschen.

Also musste er ihr bewusst machen, wie viel schlechter es war, sollte sie nicht sein werden wollen. „Bevor du das denkst: Du gewinnst nichts, indem du die Entscheidung verweigerst." N'Arahn machte eine ausholende Bewegung. „Am Ende gehört alles hier Ihm."

Das war eine bittere Wahrheit. Es war ihm noch nie so vorgekommen, doch nun... Bisher hatte er den Eindruck gehabt, ein ziemlich freies Leben zu leben. Seit er ein vollwertiger Kriegstreiber war, hatte er die Macht, die damit einherging, genossen. Hatte ausprobiert, was ihm außer dem Kämpfen noch gefiel. Aus den Ränken rund um den Schwarzen Thron jedoch hatte er sich herausgehalten, soweit es ihm möglich war. Nur am Rande waren ihm in der Gunst gesunkene Höllenfürsten aufgefallen. Ihre Zersetzung, bevor ein Adjutant sie tötete und ihren Platz einnahm. Dass er selbst irgendwann angreifbar sein könnte, war ihm nie als realistische Möglichkeit erschienen. Aber was immer er sich aufgebaut hatte, war nur so lange von Bestand, wie der Herr der Hölle es zuließ. Und doch war er jetzt bereit, viel zu riskieren.

Der Blick, mit dem sein Engel ihn bedachte, versprach interessante Zeiten. Nun, sie war in der Hölle. Hatte sie gedacht, dass es hier einfach werden würde? Dass irgendetwas besser werden würde? Nein, sicher nicht. Und trotzdem konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie es ihm persönlich übelnahm, dass diese Situation nun eingetreten war. Dass sie eine Wahl treffen musste, die nur in zwei gleichermaßen schlimme Richtungen führte.

Wieder zu Veidja gewandt sagte er: „Du hast erst einmal ein wenig Zeit, dir Gedanken über deine Möglichkeiten zu machen. Später gehen wir auf einen Ausflug." Er öffnete mit einem mentalen Befehl die Tür, hinter der Darr schon mit Veidjas Eskorte wartete. Der Engel sprang geradezu auf. Sie schien froh, aus diesem Raum heraus und von N'Arahn weg zu kommen. Er hatte ihre Wachen dieses Mal verdoppelt, um kein Risiko einzugehen.

Er hätte sie selbst überwachen können, doch N'Arahn brauchte Zeit für sich. Sicher, er hatte die letzten Umläufe viel nachgedacht. Einen Gedanken hatte er bis zuletzt allerdings nicht zugelassen, da er ungeheuerlich war. Konnte er sich diesem stellen, bevor er weitere Schritte unternahm?


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Der Markt, das Herz der Hölle, war ein Ort des wilden Treibens, der bunten Farben, der überwältigenden Gerüche und fremdartigen Geräusche. Seit sie durch das Portal getreten waren, wurden Veidjas Sinne von so vielen Eindrücken überflutet, dass ihr schwindelig wurde. Ohne es wirklich zu merken, war sie näher an N'Arahn herangerückt, nahm sogar sein Angebot an, sich bei ihm unterzuhaken.

Kreischend sprangen niedere Dämonen vorbei, die mit bunten Bändern gekennzeichnet anscheinend Botengänge übernahmen. Der Gang, in dessen Seitenarm sie ausgestiegen waren, war breit und hoch. Nach kurzer Zeit weitete er sich zu einer gigantischen Höhle, deren zwar weit entfernte, aber doch sichtbare Decke funkelte. An Wänden und Boden war das Blutrot vorherrschend, von dem die Roten Tiefen ihren Namen hatten, wurde jedoch immer wieder von anderen Farben durchzogen. Das Gestein der Decke dagegen war von unzähligen glitzernden Adern durchzogen. Sie warfen das Licht von glühenden Pflanzen, die auf die Entfernung Ähnlichkeit mit Moosen hatten, zurück, und verstärkten es, so dass der gewaltige Raum in ein stetes Licht gehüllt war.

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