Kapitel 1

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Jade

"Und du willst wirklich gehen?" "Mom bitte, du weißt warum." entgegne ich meiner Mutter. "Ja, aber da bist du ganz alleine. Hier bin ich und deine andere Oma, nicht wahr Mäuschen?" mit dem letzten Satz wendet sich meine Mutter Fiona zu, die sie auf dem Arm hält.

"Bitte Mom! Ich halte es hier nicht mehr aus. Alles erinnert mich an ihn. Ich kann das nicht mehr länger." bitte ich fast schon verzweifelt. Meine Mutter seufzt schwer. "Es sind bald sechs Monate her. Ist es wirklich noch so frisch?" fragt Mom und reißt damit die Wunde in meinem Herzen unwissend wieder auf.

"Manches kann eben auch die Zeit nicht heilen. Er war mein Gegenstück. Wir waren wie Seelenverwandten. Ich kann ihn nicht einfach so vergessen. Außerdem wird er immer ein Teil meines Lebens bleiben, dank Fiona. Sie ist die Einzige, die es schafft, dass mein Herz nicht mehr schmerzt und nach ihm verlangt."

Meine Mutter nickt schwach und übergibt mir Fiona, nachdem sie sie nochmal richtig durchgekuschelt hat. "Ich werde euch beide vermissen. Ruf an, sobald du da bist. Am besten bei jeder Pause, die du machst." "Mom, wir sind nur zwei Stunden Fahrt entfernt. Sobald wir uns eingerichtet haben, kommst du uns besuchen." verspreche ich ihr zum wiederholten Male, während ich Fiona festschnalle.

Sobald die Autotür zu ist, werde auch ich ordentlich gedrückt. "Ich liebe dich, vergiss das nicht." nuschelt meine Mutter. "Werde ich nicht und ich hab dich auch lieb."

Schließlich steige ich auch ein und fahre nach dem Winken endlich los. Nun kämpfe ich leicht mit den Tränen. Ich mache mich auf in eine fremde Stadt, in einen Neustart für mich. Mein einziger Lichtblick ist mein kleiner Krümel, der gerade wohl mal wieder die Füße als besseren Schnuller findet.

"Fiona" ermahne ich sie. Durch den Spiegel sehe ich, wie sie den Fuß loslässt und kichert, so als hätte sie mich verstanden. Lächelnd schüttle ich den Kopf. Fiona ist doch gerade mal fünf Monate und zwei Wochen alt. Als würde sie mich verstehen können.

Während ich aus der Stadt raus fahre, überschwemmen mich all die Erinnerungen an John und mich. Obwohl wir in der selben Stadt wohnten, kannten wir uns nicht. Aber wie auch bei einer Millionenstadt, wie New York.

Es war Schicksal, dass Ted mich seinem besten Freund John vorgestellt hatte, nachdem wir herausgefunden hatten, dass wir aus der selben Stadt kamen. Anders kann ich mir die Chemie zwischen uns nicht erklären. Es war auf seine eigene Art und Weise magisch zwischen uns.

Nur ein Jahr nach unserem Kennenlernen heirateten wir. Obwohl John öfters auf Missionen unterwegs war, führten wir eine harmonische Ehe. Es war, als würde er nie weg sein. Während er also beim Militär war, habe ich meinen Dienst als Sanitäterin absolviert. Nicht verwunderlich, da ich eigentlich Feuerwehrfrau bin. Jeder verfolgte seine Karriere. Und als mir dann die Veränderung an mir auffiel und und ich einen Test machte, war unsere Freude groß.

Wenn John doch bloß nie auf seine letzte Mission gegangen wäre. Ich wische mir eine Träne weg und versuche mich wieder auf den Verkehr zu konzentrieren. Einen Zwischenstopp müssen Fiona und ich noch tun.

Als ich da ankomme, parke ich und hole Fiona. Mit ihr auf dem Arm gehe ich durch das große Tor. Wenn nicht überall die Steine stehen würden, könnte man das Gelände fast als einen schönen Park ansehen.

Es dauert nicht lange und ich komme vor einem ganz bestimmten Stein an. Vor diesem setzte ich mich auf den Boden. Fiona sitzt an mich gelehnt, ganz ruhig. Als wenn sie wüsste, dass wir am Grab ihres Vaters sind.

"Hallo John. Fiona geht es gut. Sie wird immer größer, mit jedem Tag ein Stückchen mehr. Ich wünschte du hättest sie kennen lernen und im Arm halten können. Leise Schluchzer unterbrechen meine Worte.

Ich atme ein paar Mal durch und fahre dann fort. "Mir geht es etwas besser als beim letzten Mal. Aber du fehlst mir John, so unglaublich." Mir laufen weitere Tränen über die Wangen.

"Wir sind heute hier, um uns für eine längere Zeit zu verabschieden. Ich halte es hier nicht mehr aus. Alle die Erinnerungen sind im Moment noch so schmerzhaft. Ich wünschte ich könnte sie einfach genießen, aber im Moment erinnern sie mich nur daran, was ich verloren habe und nicht was wir hatten. Wir werden nach Scranton fahren. Es ist nicht allzu weit entfernt. Aber die Stadt ist so viel kleiner als New York. Und es gibt einen Wald, der ganz nah ist. Ich habe ein wirklich kleines Haus gefunden, welches direkt am Waldrand steht. Für Fiona und mich wird es vollkommen ausreichend sein. Auf den Bildern sieht es so aus, wie wir uns unser Heim immer vorgestellt haben."

Mein letzter Satz verschwindet wieder in einem Schluchzer. Der warme Wind weht leicht um mich herum. Es ist fast, als würde er mich umarmen und trösten wollen. Schwach lächle ich bei dem Gedanken, dass es John ist, der mich von wo aus auch immer er ist, trösten möchte.

"Wusste ich doch, dass ich dich hier noch finden werde." schreckt mich eine Stimme auf. Ich schaue auf und blicke in die gebrochenen Augen von Ted. Er rollt die letzten Meter zu mir hin. "Hallo Ted. Wie geht es dir?"

"Besser, die Physiotherapie schlägt langsam an und langsam komme ich auch mit diesem verfluchten Stuhl zurecht." braust er auf. Fiona wimmert leise. Ted schaut schuldig zu ihr "Tut mir leid Kleine. Das war nicht in Ordnung von mir." entschuldigt er sich.

"Was möchtest du hier Ted? Zu diesem Zeitpunkt?" frage ich Ted. "Ich wollte mich wenigstens von Euch verabschieden. Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass du zu mir kommst, für den Abschied?" Ich will ihm widersprechen, doch kommt kein Ton aus meinem Mund. Schuldbewusst schaue ich auf den Boden.

Doch Ted legt eine Hand auf meine Schulter. "Hey, es ist in Ordnung. Ich verstehe dich. Und ganz ehrlich? Wenn ich nicht noch Physio bräuchte, würde ich mit dir gehen. Ich halte es hier auch nicht mehr aus." "Kann ich dir irgendwie helfen Ted?" frage ich leise nach. Über meinen Schmerz habe ich seinen ganz vergessen.

"Versprich mir, dass du auf euch aufpassen wirst. Sobald ich kann, werde ich dir folgen. Also wenn du schon da bist, kannst du vielleicht schon mal nach Wohnungen Ausschau halten?" fragt er und zwinkert mir zu.

Wir verbringen noch einige Zeit am Grab von John, ehe wir zu meinem Auto gehen. Während ich Ted schiebe, trägt Ted Fiona und bringt sie unaufhörlich zum lachen.

Am Auto verabschieden wir uns. "Pass auf dich und mein Patenkind auf, Jade." fordert Ted. "Mache ich. Auf Wiedersehen Ted." "Auf Wiedersehen Jade."

Ich steige wieder ins Auto und fahre nun endgültig los Richtung Scranton.



(Vielleicht kann ich mir ja Freitag immer als Veröffentlichungs-Tag nehmen. Aber alles ganz locker 😉)

Feuer der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt