Geständnis und Geschrei

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Ich hielt es nicht mehr aus. Ich rannte aus dem Hotel, bloß weg von hier. Ich hatte keine Ahnung mehr, was mich zu meinem impulsiven Handeln getrieben hatte, ich wusste nur, dass ich so schnell wie möglich von hier wegmusste. „Alastor! Warte! Was ist denn los?" Hinter mir hörte ich noch Charlie verzweifelt nach mir rufen. Ich ignorierte sie. Da sie mir nicht länger als bis zur Tür folgte, nahm ich an, dass sie es akzeptierte. Als ich neu in der Hölle war und in Canibal Town aufwachte, war Rosie stets für mich da. Sie leitete mich durch den schweren Anfang, den jede Seele durchmachen muss, wenn sie in der Hölle ankam. Rosie wurde zu meiner Freundin. Ich würde sagen zu meiner Besten sogar. Zu ihr ging ich. Als ich vor ihrer Tür stand, sah sie sofort, dass etwas nicht stimmte und ließ mich rein. Sie war einer der wenigen, die meine wahren Emotionen sehen konnte. Durch mein dauerhaftes Grinsen war dies nicht leicht. Als wir in ihrem Wohnzimmer saßen, broch ich zusammen. Rosie nahm mich, ohne ein Wort zu sagen, in den Arm.

Nach einer Weile hatte ich mich beruhigt und mir ging es besser. Endlich konnte ich wieder klar denken. Rosie brachte mir eine Tasse Tee und fragte mich, was passiert sei. Ich musste selbst erst einmal überlegen. Nochmal alles durchspielen. Ich weiß noch, dass wir alle gemeinsam in der Sitzecke der Lobby saßen und uns unterhalten haben. Lucifer gesellte sich irgendwann zu uns. In mir stieg erst Aufregung auf, mein Herz fing an schneller zu schlagen. Doch genauso schnell fühlte es sich an, als würde mir jemand ein Messer in meine Brust rammen, nein, 1.000 Messer trifft es wohl eher. Dieses Gefühl war mir nicht neu. Seit einiger Zeit erschien es jedes Mal, wenn Lucifer den Raum betrat. Erst kommen die Aufregung und der erhöhte Puls, doch wenn ich seinen Ehering sah, wurde all das zu diesem stechenden Schmerz, der immer von Trauer, Wut und Frustration begleitet wurde. Diesmal wurde es einfach unerträglich und ich musste raus. Aber wieso war es diesmal anders? Ich kann mich einfach nicht erinnern. Ich erzählte Rosie all das. „Hat er irgendetwas gesagt, was dich besonders getroffen hat?" versuchte Rosie meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Ich überlegte noch einmal. „Wir haben uns in der Gruppe unterhalten, wie sonst auch. Nichts ungewöhnliches" überlegte ich laut. Warte. Ja, das wars. „Er..." begann ich. Mein Herz wurde bei der Erinnerung schwer. „...er...sagte...nun, wir hatten es von Sündern und dass es verschiedene Arten davon gibt. Auf die Frage welche Art er am meisten verabscheute, antwortete er die Kanibalen und Overlords. Ich gehöre zu beidem..." Ich musste mich zusammenreise, wenn ich einen zweiten Nervenzusammenbruch verhindern wollte. Rosie sah mir an, wie schlecht es mir bei diesem Gedanken ging. Wieder nahm sie mich in den Arm. „Es wird alles wieder gut werden, dass verspreche ich dir." Manchmal fragte ich mich, ob ich tief in mir drin, meine Mutter auf Rosie projizierte. Dieses Mitgefühl, diese Art und Weise wie sie mich beruhigte, erinnerten mich stark ein meine Mutter. Da ich mich gerne an meine Mutter erinnerte, empfand ich dies nicht als schlimm.

Ich verbrachte einige Tage bei Rosie. Mir ging es deutlich besser. Gerade als wir eins unserer üblichen Gespräche führten, klingelte es. Rosie stand auf und ging zur Tür. Ich hörte eine aufgeregte Stimme und wie Rosie sagte „Ja, er ist oben" wenn auch sehr zögerlich. Wer mag das sein? Ich stand vor dem kleinen Schreibtisch, der neben dem Fenster stand und schaute hinaus. „Hier bist du. Ich habe dich schon überall gesucht" erklang eine erleichtere Stimme hinter mir. Diese Stimme kannte ich nur zu gut. Lucifer. „Wieso solltest ausgerechnet DU mich suchen? Und dann auch noch in dem so grausamen Caniable Town." Meine Stimme war kühl und da ich es nicht für nötig hielt in anzuschauen, da ich genau wusste, dass sonst all diese negativen Gefühle aufkommen würden, schaute ich weiter aus dem Fenster. Mein Lächeln versteifte in der üblichen Position. Dem klickendem Geräusch nach hatte er die Tür geschlossen. „Ich denke wir sollten reden oder besser gesagt du solltest reden. Was war das denn neulich? Du hast alle erschreckt, besonders Charlie und als du nicht mehr wieder kamst, haben sich alle sonst was gedacht." „Ich wüsste nicht was ich dir noch zu sagen hätte." Ich bleib bei meinem kühlen, monotonen Tonfall, schaute ihn nicht an. „Ist es wegen dem, was ich neulich gesagt habe? Verdammt, damit habe ich nicht speziell dich gemeint." „Ich weiß, du meintest alle von uns." „Was? Warte, nein...das ist nicht, was ich sagen wollte." „Ich weiß nicht, was du mit dem hier bezwecken willst. Ich werde nicht zurückkommen. Es wäre besser, wenn du jetzt gehst und um deine Frage zu beantworten: ich bin nicht nur deswegen weggerannt." Das ‚nur' sagte ich so leise, dass ich es selbst kaum hörte. Lucifer schien der Kragen zu platzen. „Warum dann?! Warum bist du dann weggerannt?!" schrie er beinahe.

Ich merkte erst jetzt, dass sich meine Finger immer mehr in das Holz des Schreibtisches gerammt haben. Unter meinen Fingernägeln sammelte sich das Holz. Es fiel mir schwer meinen Atem ruhig zu halten und als er mich so anschrie, konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Ich drehte mich ruckartig zu ihm um und schrie in der gleichen Lautstärke. „Weil ich dich liebe, verdammt! Hast du eine Ahnung wie hart es ist, wenn man sich nach der Nähe von jemanden sehnt, der diese Sehnsucht niemals erwidern würde?! Wenn man jemanden einfach nur in seinen Armen halten will, dieser aber das komplette Wesen von einem selbst verachtet? Wenn man die Hand von jemanden halten will, der an dieser einen Ring trägt, der aussagt, dass er deine Hand wegschlagen würde, weil er diese Liebe niemals erwidern wird?! Hast du eine Ahnung, wie schlecht es mir in deiner Nähe geht?! Nein?! Dann lass mich gefälligst in Ruhe und verschwinde!" Tränen stiegen mir in die Augen und meine Stimme wurde immer zittriger. Ich musste anfangen zu schluchzen und drehte mich mit dem letzten Satz wieder von ihm weg, meine Arme um mich klammert und den Kopf hängend. Lucifer stand mit geschockter Miene einfach nur starr da.

Hazbin Hotel // RadioappleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt