Ungebetener Besuch

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Ich wachte in meinem Bett auf. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich überhaupt eingeschlafen war. Wann bin ich in mein Zimmer gegangen? Ich war einfach nur verwirrt. Als ich auf die Uhr sah, sah ich, dass es bereits spät am Mittag war. Wie lange habe ich bitte geschlafen? Ich stand auf und zog mir das nächstbeste T-Shirt über. Aus irgendeinem Grund hatte ich nur eine Hose an. Immer noch müde und verschlafen trottete ich die Treppe runter in die Lobby. Es war keiner da. Merkwürdig. Ich bediente mich an der Bar und setzte mich in meinen üblichen Sessel, um die heutige Hell-Zeitung zu lesen. Darauf fand ich einen Zettel mit einer Notiz:

Wir sind in Canibal Town, da dort ein Fest stattfindet. Das wollte Charlie nutzen, um die anderen aus dem Hotel zu bekommen und um gleichzeitig Werbung dafür zu machen. Ich wollte dich nicht wecken, also sind wir ohne dich los. Du kannst gerne nachkommen. Hab dich lieb <3 -Lucifer

Für ein Fest hatte ich gerade gar keine Nerven. Ich legte den Zettel zur Seite und führte meine Routine fort. In der Zeitung stand nichts Spannendes. Meine Ohren drehten sich in Richtung Eingangstür, als es klopfte. Ich stand auf und öffnete sie.

Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Ich vergass vor lauter Schreck zu atmen. Vor mir stand einer dieser Basdarte, der vom ersten Mal, um genau zu sein. Bevor er irgendetwas sagen konnte, nahm ich ihn in einen engen Würgegriff. Meine Dämonengestalt gab sich zu erkennen. Meine Augen würden schwarz-rot. Die Pupillen formten sich zu einem Radioregler und meine Hörner wuchsen um das 10-fache. Meine Körpergröße wuchs ebenfalls erheblich. „Alastor!" Lucifer und die anderen kamen gerade herein. Geblendet von meiner Wut, ignorierte ich ihn. Ihn, diesen Abschaum von irgendwas, drückte ich immer mehr die Luft ab. Ich wollte ihn leiden sehen, so wie er mich leiden ließ. „Al! Beruhig dich!" Lucifer ist nun in die Luft gestiegen und breitete seine Flügel zwischen ihm und mir aus. „Ganz ruhig." Seine Stimme wechselte von entsetzter Aufregung in einen beruhigenden Ton. Er flog näher an mich heran, bis er seine Hände auf meine Wangen legen konnte. Seine Berührung ließ in mir jedes Mal ein Gefühl von Geborgenheit und Liebe aufsteigen. Ich kam wieder zu mir und kam runter, wütend war ich aber immer noch. Er brachte mich weg, während die anderen nach diesem Arschloch sahen. „Jetzt nochmal ganz ruhig. Was ist denn passiert?" „Es ist ER!" Dieses ‚er' sprach ich mit so viel Ekel und Abscheu aus wie ich konnte. Lucifer verstand nicht. Mein Kopf drehte such und ich konnte keinen rationalen Gedanken mehr fassen. Ich zitterte nur noch, Panik überrannte mich wieder. Ich spürte, wie mir die Tränen übers Gesicht liefen. Es brannte. Die Kratzer vom Vortag waren immer noch tief. Als Lucifer mich sah und sich meine Worte durch den Kopf gehen ließ, verstand er es. Ich sah, dass auch er nun wütend wurde, aber hatte sich deutlich besser unter Kontrolle als ich. Er hielt es für besser, wenn ich mich in meinem Zimmer zurückziehe. Wenig begeistert von der Idee, ging ich widerwillig die Treppe rauf.

In meinem Zimmer lief ich wütend und voller auffuhr auf und ab und begann bereits mit meinem Mordplänen 2.0. Ich überlegte, wie ich ihn von den anderen trennen kann, wo ich ihn am besten nochmal kalt machen konnte. Die gleiche Methode wie beim letzten Mal wäre ja langweilig. Ich überlegte, wie ich meine Dämonengestalt verwenden könnte. Es würde noch schmerzhafter werden als beim letzten Mal, das wusste ich. Lucifer kam rein und unterbrach meine düsteren, vor Hass tobenden Gedanken. „Du scheinst nicht wirklich ruhiger zu sein. Vielleicht hilft die Info, dass er weg ist. Keine Sorge, ich habe den andern nichts erzählt." Er versuchte mich das starre und angespannte Bündel, das ich war, zu Umarmen. Ich brannte noch vor Hass und Wut. Da diese Umarmung nichts brachte, versuchte er es mit einem Kuss. Ich wollte wütend bleiben, meine Mordpläne fortsetzten, ihn zur Rechenschaft ziehen, aber Lucifer machte es mir unmöglich. Dieser Kuss war intensiv. Sobald ich seine Lippen auf meinen spürte, konnte ich nicht anders als schwach zu werden. Er zog mich nah an sich heran, legte einen Arm um meine Taille. Die andere Hand ließ er, wie üblich, in meinem Nacken ruhen mit leichten, streichelnden Bewegungen. Sie waren kaum spürbar, aber genau das machte sie so besonders. Diese Zärtlichkeit. Ich legte meine Arme um seinen Brustkorb und drückte ihn an mich. Nun konnte ich seinen ganzen Körper an meinem spüren. Ich fühlte die Nähe, die Wärme, die von ihm ausging. Ein Gefühl, das mich immer schwach werden ließ. Lucifer wusste das und machte es sich gerade zum Vorteil. Das, was er bezwecken wollte, hat funktioniert. Ich war deutlich ruhiger und entspannter. Aber dieser Kuss war anders als sonst. Die Reaktion meinerseits war normal. Aber diesmal benebelte es meine Sinne, so wie eine Droge.

Als wir uns voneinander lösten, setzte ich mich, leicht benommen von den Gefühlen und dem Kuss, auf die Bettkannte. Lucifer setzte sich neben mich, mit einer Hand auf meinem Rücken ruhend. „Wieder besser?" Seine Stimme hatte manchmal einen hypnotisierenden Ton. Keine Ahnung, ob er dies bewusst macht, aber wenn ja: es klappt jedes Mal. Er ist voller Liebe und Ruhe mit einem Hauch von Sicherheit und Berauschung. Manchmal meinte ich ein kleinwenig Verführung rauszuhören. Dies benebelte mich noch mehr, falls das zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich war. „Ja" gab ich ihm zur Antwort, wenn auch sehr zögerlich. Was passiert, wenn er wieder geht? Ziemlich sicher verfalle ich dann wieder in meine Wut zurück. So sehr ich diesen Typen zur Strecke bringen würde, ich genoss Lucifers Nähe und Ruhe, die er ausstrahlte, die Gefühle, die er in mir auslöste. Ich hielt ihn am Handgelenk fest, als er gerade den Raum verlassen wollte. Ich erinnerte mich an gestern, als ich wieder klarer denken konnte und an heute morgen. „Wie hast du mich eigentlich hierher bekommen?" Das folgende sprach ich mit spielerischer Traurigkeit. „Und warum war ich nicht bei dir?" „Du warst bei mir" lachte er. „Du bist in der Wanne eingeschlafen. Das war gar nicht mal so leicht dich da rauszubekommen. Wir lagen bei mir im Bett und haben gekuschelt. Heute morgen kam Charlie rein und wollte mit mir den Tag und noch einiges andere Organisatorisches bezüglich des Hotels besprechen. Da ich wusste, dass du volle Ausruhung nötig hattest, habe ich die mittels eines Portals in dein Bett verfrachtet. Keine Ahnung, wieso mir das Portal nicht gestern Abend schon eingefallen ist. Das hätte den Weg zum Bett deutlich leichter gemacht." Ich hatte diesen langen schlaf wohl wirklich nötig.

Auch wenn ich jetzt deutlich ruhiger war, als vorhin, dieses Arschloch würde schon noch seine gerechte Strafe bekommen.

Hazbin Hotel // RadioappleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt