Erwin

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Sie lebte und das war das Einzige, was zählte. Allerdings war Levi dagegen, das Mädchen in ein Krankenhaus zu bringen. Nicht so lange er nicht wusste, ob sich der Dämon noch in ihrem Körper und Geist befand. Der Hausverwalter, Erwin, hatte sich dagegen gesprochen, doch Levi war hier derjenige, der das Sagen hatte, und somit hatte er sich in Absprache mit seinem jungen Kollegen Eren dazu entschieden, das Mädchen dortzubehalten. Allerdings nur unter der Bedingung Erwins, dass ein Arzt kommen würde und sie zumindest ein einziges Mal begutachten sollte. Levi hatte dem zugestimmt und Erwin hatte sie sich daran gemacht, einen Arzt zu kontaktieren. Der Blonde schien sehr gewissenhaft und ehrlich zu sein. Er war fleißig und hörte gut zu. Er wusste, wie dringlich die Mission war und dass es kein Zurück mehr gab. Allerdings macht er sich auch sehr große Sorgen um das Mädchen – was ihm hoch anzurechnen war.
Erwin Smith war 42 Jahre alt und kümmerte sich seit nun mehr als 10 Jahren um dieses Anwesen. Das war bisher das Einzige, was Levi über ihn in Erfahrung bringen konnte.
Stirnrunzelnd stand er da und beobachtete den Arzt dabei, wie er das Mädchen untersuchte. Sie hatten sie in ein anderes Zimmer verfrachtet. Als der Arzt, ein Mann mittleren Alters gefragt hatte, warum sie fixiert sei, war Levi ehrlich gewesen. Daraufhin hatten sich die Augen des Arztes geweitet und er hatte zügig mit seiner Untersuchung begonnen.
Eine der Schwestern hielt sie fest, während der Arzt ihre Lunge abhörte.
»Ich nehme an, dass Sie sie nicht in ein Krankenhaus bringen wollen?«, wandte sich der Mann zu ihm. Ihre Blicke begegneten sich und Levi schüttelte den Kopf, bevor er sagte: »Das ist zu riskant. Sie muss erst mal hier bleiben. Ich versuche mich zu beeilen. Wenn alles überstanden ist, dann bringe ich sie persönlich ins Krankenhaus!« Er spürte die Blicke von Pater Eren und Erwin auf sich ruhen.
»Verstehe. Dennoch muss ich ihnen sagen, dass ihr Zustand sehr schlecht ist. Ich bin geneigt zu behaupten, dass hier unterlassene Hilfeleistung stattfindet«, der Arzt erhob sich. Schwester Maria zog Rose das frische Hemd hinunter und drehte sie zurück auf den Rücken. Ihr Blick war voller Qual und Trauer. Levi wusste wie grausam es war ein Familienmitglied in einem solch desolaten Zustand zu wissen. Es tat weh. So weh.
»Wir helfen ihr mit aller Macht. Ein Krankenhaus kann ihr nicht helfen solange ihr Geist noch besessen ist!« Levi hatte von Anfang an klar gemacht, dass er im Auftrag des Vatikans hier war und dass er sich nicht einzumischen hatte.
Der Arzt erhob sich, packte seine braune Tasche zusammen und trat kopfschüttelnd an die drei Männer heran.
»Wenn sie in diesem Haus stirbt, dann ist das ihre Schuld!«
Levi sah das anders. Außerdem setzte er alles daran, sie zu retten. Ihre Seele aus den Klauen der Bestie zu befreien.
»Ich begleite sie nach draußen«, sagte Pater Eren freundlich und legte dem Arzt eine Hand auf seine Schulter. »Kommen Sie Doktor. Es wird Zeit zu gehen. Wir danken Ihnen für ihre Hilfe und werden Sie natürlich informieren sobald sich der Zustand verschlechtert. Dann kann sie immer noch in ein Krankenhaus gebracht werden«, Erens Stimme hörte sich dabei so sanft, so freundlich an als würde er versuchen eine Versicherung zu verkaufen. Die Masche zog sehr gut, denn der Arzt nickte und ging ohne Umschweifen mit.
Levi sah ihnen kurz hinterher und als Pater Eren ihm einen Blick über seine Schulter zu Warf, sah er schnell weg. Dabei wusste er nicht mal, warum er das tat? Es war doch nichts dabei, wenn sich ihre Blicke begegneten? Doch warum fühlte es sich dann an, als würde er die größte Sünde begehen?

Erst als de beiden den Raum verlassen hatten, wandte er sich Erwin zu.
»Können wir beide uns kurz unterhalten? Unter vier Augen?«
Der große Blonde Mann sah ihn überrascht an, nickte jedoch und meinte: »Sicher doch. Am besten wir gehen in mein Büro!« Levi nickte und folgte dem hochgewachsenen Mann.
Sie schritten durch den langen Korridor und wieder fielen Levi die Musterungen und Bilder der Fenster auf. Doch irgendwie hatte er das dumpfe Gefühl, dass sich die Bilder verändert hatten. Allerdings war das ein Ding der Unmöglichkeit. Er war mit Sicherheit nur übermüdet und durcheinander. Die Ereignisse der letzten Stunden, gingen nicht ohne Spuren an ihm vorbei.
»Ich werde das alte Zimmer von Rose renovieren. Damit sie einen Grund zur Freunde hat, wenn es ihr wieder besser geht!« Levi blickte auf den breiten Rücken des großen Mannes, als er dies sagte.
Nach nur wenigen Augenblicken erreichten sie das Büro des Hausverwalters. Als sie eintraten, fiel Levi die unglaubliche Ordnung auf. Alles war sauber, beinahe staubfrei und sehr ordentlich. Ordner waren nach Größen und Farben sortiert. Unzählige alte Bücher befanden sich in den großen, alten Regalen und weckten Levis Interesse.
Der schwarzhaarige Priester fühlte sich sofort wohl.
»Bitte setzen Sie sich doch«, Erwin machte eine einladende Handbewegung und deutete auf den gemütlichen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er selbst setzte sich auf dem auf der gegenüberliegenden Seite. Levi bedankte sich nickend und nahm Platz. Lässig überschlug er das rechte Bein über das linke und faltete seine Hände in seinem Schoß zusammen.
»Also ... Sie wollten etwas mit mir besprechen?«
Levi nickte und räusperte sich, bevor er den Mund öffnete und sagte: »Zuallererst wollte ich mich bei ihnen bedanken.«
Die dominanten Augenbrauen schossen fragend in die Höhe.
»Wären Sie nicht gekommen, dann hätte es Böse mit mir geendet«, gab er zu. Erwins Blick war noch immer fragend, doch dann entspannten sich seine Gesichtszüge und er lehnte sich zurück.
»Ich hab zwar keine Ahnung von alldem aber das ändert nichts daran, dass ich ein gläubiger Christ bin und Menschen zu Hilfe eile wenn sie sie benötigen«, sprach er seine Gedanken frei aus.
»Was war überhaupt los? Müssen Sie nicht einfach nur beten um einen Dämon zu vertreiben?«, wollte der Blonde dann wissen.
Levi atmete tief durch. »Ganz so einfach ist es nicht. Manche Dämonen sind stark und mächtig. Ich gehe davon aus, dass wir es hier mit keinem gewöhnlichen Exemplar zutun haben«, erzählte er und warf einen Blick aus dem Fenster. Es war geschlossen und draußen regnete es noch immer in Strömen. Eine unglaubliche Finsternis hatte sich über diesen malerischen Ort ausgebreitet und Levi war sich sicher, dass es sich auch hier um etwas mystisches handeln musste.
»Ach so. Naja. Ich hab noch einiges zu lernen. Was ich aber weiß ist, dass ich mit aller meiner Macht versuchen werde zu helfen. Rose ist einfach ein zu liebes Mädchen. Das, was ihr gerade widerfährt, hat sie nicht verdient«, zum Schluss hin senkte Erwin betroffen seinen Blick gen Boden – was Levi stutzig werden ließ.
»Stehen Rose und Sie sich nahe?« Vielleicht war das auch der Grund, weshalb der Dämon Rose auserwählt hatte. Eine befleckte Seele war einfacher zu übernehmen, als eine reine vollkommene Seele.
Der Blick des Blonden wurde plötzlich sehr ernst.
»Was wollen Sie damit andeuten? Etwa, dass ich mich an junge Mädchen ran mache?« Erwins Stimme war ruhig. Levi ließ sich dennoch nicht in die Karten sehen. »Keineswegs. Ich dachte nur, dass Sie mir vielleicht etwas über das Mädchen erzählen können«, stellte er klar.
»Fragen Sie doch ihre Schwestern. Ich denke, dass Rose sich eher einer von ihnen anvertraut hat«, Erwin war noch immer ruhig. Dennoch glaubte Levi fest daran, dass Erwin durchaus mehr zu erzählen hatte. Etwas was wichtig für seine Untersuchungen war. Aber warum schwieg er dann und reagierte patzig auf manche Fragen?
»Manchmal vertraut man sich einem Fremden eher an als der eigenen Familie.«
Erwin schwieg. Irgendwas schien ihm auf der Seele zu brennen, doch was konnte Levi nicht sagen. Erzwingen würde Levi nichts. Das konnte er auch nicht. Trotzdem ... Die Neugier in ihm wuchs und wuchs.
»Wenn ihnen was wichtiges einfällt, dann sagen Sie es mir ruhig. Doch um zu meinem eigentlichen Anliegen zurück zu kommen ...«, Levi beugte sich etwas vor und sah ihn wieder eindringlich an.
»Sie wurden von der Kirche eingestellt um sich um das Anwesen hier zu kümmern, richtig?«
Erwin schien über den Themawechsel sehr überrascht, nickte jedoch.
»Das ist korrekt!«
»Können Sie mir sagen, wem das Anwesen vorher gehört hat? In der Akte die ich habe, steht kein Name. Ich weiß, dass die Kirche es übernommen und sogar geweiht hatte.«
Erwin hörte ihm aufmerksam zu und nickte zustimmend. »Das ist richtig. Ich kam erst später an diesen ... Ort. Und bis vor etwa einem Jahr war auch alles sehr unauffällig. Dann hat es irgendwann angefangen.«
»Was hat angefangen?« Levi sah ihm eindringlich in die Augen.
Erwin schien das irgendwie nervös zu machen, denn er wandte seinen Blick ab und schenkte der Uhr hinter Levi seine gesamte Aufmerksamkeit.
»Am Anfang waren es nur ein paar tote Tiere. Möwen, Raben und manchmal auch Ratten oder Wild. Sie alle starben sobald sie in der Nähe des Hauses kamen. Ich sag's Ihnen, das war ne Scheissarbeit, das alles wegzuräumen und sauber zu machen! Ich hab's gemacht, ohne zu meckern. Die Äbtissin war mir dafür sehr dankbar. Doch dann ... begann es. Viele der Frauen hier ... wurden nach und nach verrückt. Eine begann sogar Selbstmord!«
»Was? Davon steht nichts in meiner Akte, die ich bekommen habe!« wandte Levi ein. Erwin nickte, beugte sich vor, stützte seine Unterarme auf dem Tisch ab und sah ihn unverwandt an.
»Natürlich nicht. Ich glaube nicht, dass die Kirche es will, dass es an die Öffentlichkeit kommt, wenn in einem ihrer Häuser etwas gewaltig schief läuft! das ist doch nicht da erste mal, das etwas vertuscht wird. Wenn sie verstehen, worauf ich hinaus will?«
Levi blieb jedes Wort im Hals stecken. Was sollte er darauf erwidern. Leider waren gewisse Vorfälle nicht von der Hand zu weisen und Levi selbst setzte sich dafür ein, dass diese Menschen strafrechtlich verfolgt werden sollten und nicht einfach nur in die nächste Gemeinde versetzt!
»Seitdem das Gebäude renoviert wurde, und man diese kleine Schlucht unten am Wasser entdeckt hat, ist nichts mehr so wie es war. Ich denke, dass die Arbeiter, das Tor zur Hölle geöffnet haben und nun haben wir den Salat. Irgendwas lebt in diesem Haus und beobachtet uns alle ganz genau. Ich bin mir sogar sicher, dass der Teufel ganz genau weiß, was wir beide gerade besprechen! Außerdem ist da noch diese Sache zwischen Rose und Pa-« als er das mit der Schlucht am Wasser gehört hatte, war er schon raus. Es erinnerte ihn an den Traum, den er gehabt hatte. In dem er Eren vor dem Ertrinken retten wollte und-
Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken und Erwin aus seinen Erzählungen.
»Herein!« Rief der Blonde mit fester Stimme. Als die Tür sich öffnete, steckte Pater Eren den Kopf hinein und schenkte den beiden Männern ein ehrliches Lächeln. »Schwester Maria und Sina haben das Abendessen vorbereitet. Ich wollte Sie beide nur daran erinnern«, sagte der junge Priester. Levi nickte und erhob sich.
»Ich komm nach. Mir liegt der Tag noch zu schwer im Magen.«, winkte Erwin ab. Levi konnte es gut verstehen. Sein Appetit hielt sich auch in Grenzen. Dennoch musste er alles dafür tun, um bei Kräften zu bleiben.
»Wir reden bei Gelegenheit weiter«, meinte Levi und Erwin nickte zustimmend. Dann ließ er Erwin Smith zurück und kam Pater Eren, entgegen der ihn mit einem sanften Lächeln begrüßte. Die grünen Augen leuchteten förmlich.
»Sie werden doch mit und essen oder?« Fragte der Junge und Levi nickte. »Selbstverständlich«, meinte er gelassen, als er das Büro verließ und die Tür hinter sich zuzog.
»Das freut mich sehr«, lächelte Eren und gemeinsam gingen sie in Richtung Gemeinschaftsraum.
»Ich bin froh, dass Sie hier sind, Monsignore«, begann der junge Mann eine Unterhaltung, während sie nebeneinander den Gang entlangliefen.
»Ohne Sie, hätten wir Rose mit Sicherheit längst verloren«, fügte er hinzu. Dem konnte Levi leider nicht widersprechen. Denn wenn eins gab in dem er richtig gut war, dann war es die Gabe Dämonen auszutreiben. Das war seine Berufung. Er hatte sich ihr mit Leib und Seele verschrieben.
»Nein, du bist auch nicht in anderen Dingen sehr gut«, hörte er Eren plötzlich sagen, als dieser urplötzlich stehen geblieben war. Levi drehte sich verwundert zu ihm herum. Zwei Schritte trennten sie voneinander, doch Levi hatte das Gefühl, dass eine gewaltige Hitze von dem Jungen ausging. Er blickte zu Boden.
»Pater Eren? Alles in Ordnung?«, erkundigte Levi sich. Besorgt kam er näher. Bis er direkt vor dem Bengel stehen blieb. Erst dann hob dieser den Kopf. Levi atmete tief durch, als in das intensive Grün blickte, welches heute zu glühen schien.
»Du kannst gut ficken, oder?« Die Stimme des Jungen war nur ein Raunen und schien mit jeder Silbe zu vibrieren. Die ausgesprochenen Worte seines Gegenübers zielten Levi direkt in den Schoß.
»Was?«, Levi schluckte und entfernte sich von Eren.
Der Blick des Jungen änderte sich plötzlich. Fort war die Maske der Verführung und zurückblieb nur ein neugieriger fragender Ausdruck auf dessen Gesicht.
»Ich hab gefragt, ob wir nach dem Essen gemeinsam beten wollen?«
Der schwarzhaarige sah ihn ungläubig an. Lag es an seinen Ohren oder an seinem Verstand? Hatte er Eren derart missverstanden?
»Ist alles in Ordnung?« Erkundigte sich der Jüngere mit einer deutlich besorgten Stimme. Levi schluckte schwer und nickte bloß.
»Lass uns zum Abendessen gehen und dann ... gemeinsam beten!«
Außerdem musste er seine Gedanken ordnen. Als er sich umsah, hatte er erneut das Gefühl, dass sich die Bilder auf den Fenstern geändert haben. Wie konnte das alles sein? Es war unmöglich! Er musste übermüdet sein. Anders konnte er sich das ganze nicht erklären. Sein Kopf spielte ihm eindeutig einen Streich.

Sinners - Levi x Eren Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt