»Ob ich Gebete kenne?« Erwin Smith sah ihn mit seinen blauen Augen an und wirkte mehr als verwirrt. Levi nickte.
»Gebete. Das Ave Maria?«, hakte er nach und Erwin verneinte mit einem Kopfschütteln. »Ich kann das Vater unser. Geht das auch?« Es war nicht, das beste Gebet für einen Exorzismus aber besser als nichts.
»In – und auswendig?«, horchte er nach.
»Mehr oder weniger« , schmunzelte der Blonde und Levi konnte nur mit seinem Kopf schütteln. Hatte er nicht erzählt, dass er Christ war? Wieso in Gottes Namen konnte er dann keines der einfachsten Gebete?
»Hat man Ihnen denn in der Schule gar nichts beigebracht?«
Ein schelmisches Grinsen legte sich auf die schmalen, fein geschwungenen Lippen seins Gegenübers und verlieh ihm einen beinahe jugendlichen Ausdruck. »Im Religionsunterricht hab ich öfter mal ein Nickerchen gemacht aber in allen anderen Fächern war ich gut!« Als der diese Aussage hörte, wandte er sich kopfschüttelnd ab und richtete seinen Blick auf Eren, der ihn mit großen Augen ansah.
»Wir bleiben hier vor der Tür und beten für Rose's Seele«, er zeigte auf einen vorbereiteten Stuhl, direkt neben der Zimmertür.
»Wäre es nicht besser wenn wir uns im Zimmer befinden?«
Abermals schüttelte der Schwarzhaarige seinen Kopf und sagte mit ernster Stimme: »So lange wir den Namen nicht haben, versuchen wir den Dämon in diesen vier Wänden zu halten. Die Gefahr ist zu groß, dass er in einen von uns fährt!« Abwartend ließ er seinen Blick zwischen Erwin und Eren hin und her wandern. Beide Männer nickten zustimmend. »Verstanden!« Kam es vom Hausverwalter, der sich gleich auf den Stuhl setzte, seinen vorbereiteten Rosenkranz aus der Hosentasche zupfte und die Hände ineinander faltete.
»Ich fange an! Sie beide sollten sich auf die Suche nach dem Namen machen!« Levi hob anerkennend seine Augenbrauen und nickte zustimmend. Der Mann hatte Eier – das musste er ihm lassen. Ohne zu zögern, hatte er sich bereit erklärt, einen Kampf gegen das Böse zu bestreiten. Nicht viele Menschen würden den Schneid haben so etwas zu tun.
»Sehr gut«, entgegnete Levi ihm.
»Trotzdem würde ich mich später noch mal mit Ihnen gerne unterhalten, wir wurden gestern ja unterbrochen«, Erwin war ihm sehr nahegekommen und sah im ernst in die Augen. Seine Stimme war leiser geworden und kurz schweifte sein Blick ab. Levi folgte diesem und erkannte, dass Erwin dem jungen Priester einen sehr ... missbilligenden Blick zuwarf.
»Sicher«, antwortete Levi und da richtete sich Erwins Augenmerk wieder auf ihn. »Wenn Pater Eren an der Reihe ist, reden wir!« Dann wandte er sich Eren zu, der ihn mit wachen Augen ansah.
»Wir gehen in die Bibliothek«, sagte er zu seinem jungen Mitstreiter, welcher sich nickend in Bewegung setzte und neben ihm herlief. Levi warf einen Blick nach hinten über seine Schulter, um sicherzugehen, dass Erwin brav betete – was er auch tat. Dennoch ... irgendwas war seltsam an der ganzen Sache. Doch es wollte ihm nicht einfallen, was es war.Die Hauseigene, kirchliche Bibliothek befand sich im Untergeschoss, zwischen Gemeinschaftsraum und Bastelraum. Als Levi sie betrat, konnte er feststellen, dass sich hier, schon seit Ewigkeiten nichts mehr getan zu haben schien. Sehr viele Bücher lagen aufgeklappt herum, Bücher Stapel waren umgefallen, und in den Regalen hatte sich eine dicke Staubschicht gebildet. Verwundert darüber blickte er sich um und fuhr mit seinem Finger eine lange Kommode entlang, um den Staub dort zu entfernen. Er hob seine Hand und warf einen Blick auf die schmutzigen Finger. Mit Daumen und Zeigefinger verrieb er den Staub und schüttelte ihn dann schließlich ab. Er wandte sich an seinen jungen Priester Kollegen und sah ihn neugierig an.
»Wann ist die Bibliothek das letzte Mal benutzt worden?« Der Junge mit den
großen Augen, sah ihn an und hob bloß seine Schultern. Er schien genauso ahnungslos zu sein wie Levi selbst.
»Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin ja noch nicht allzu lange hier und diese ganzen Geschehnisse, laufen ja schon eine ganze Weile. Es kann sein, dass die Äbtissin die letzte war, die sich in dem Raum hier aufgehalten hat«,
erklärte Eren und sah ihn entschuldigend an. So, als ob er sagen wollte, dass es ihm leidtat, dass er keine nützlichere Information zu bieten hatte.
»Ah«, ein weiteres Mal sah sich Levi noch mal um, bevor er sagte: »Verstehe.« Doch im Grunde genommen verstand er rein gar nichts. Alles in und an diesem Haus war ihm ein großes Rätsel.
Die Bibliothek war gut gefüllt, und wenn sie aufgeräumt wäre, würde Levi sich hier durchaus wohl fühlen. Es gab eine Menge theologische Fachliteratur zu lesen und auch die ein oder anderen kirchlichen Romane waren vor zu finden. Doch das war zweitrangig, das konnte er sich anschauen, wenn das alles vorbei war. Wie heiß es so schön? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Zielstrebig lief er auf ein Regal zu, in dem er das gewünschte Buch vermutete.
Mit seinen Augen suchte er Reihe für Reihe ab, und in der untersten fand er schließlich das gesuchte Werk. Langsam ging er in die Hocke, ums aus dem Regal zu nehmen. Auch hier lag eine sehr dicke Staubschicht drauf und kurz fragte Levi sich, weshalb die Äbtissin sich nicht diesem Buch zugewandt hatte. Es war das Buch Henoch. Jedenfalls eine einzelne Ausgabe davon. In diesem Buch waren sehr viele Erzählungen und Überlieferung der gefallenen Engel, Dämonen und Nephilim zu finden. Levi schlug die erste Seite auf und wunderte sich kurz darüber, dass sie vollgekritzelt war. Er konnte überhaupt nicht erkennen, was das Gekrakel darstellen sollte. Kurz ärgerte er sich darüber, dass ein so wichtiges Buch als Malvorlage gedient hatte aber das musste er hinten anstellen. Er nahm das Buch und ging zu einem der vielen Tische. Eren und er setzen sich an den Tisch und Levi begann zu blättern.
Sie hatten Glück. Das hier war sogar eins der Exemplare, die mit Bildern und Grafiken versehen worden war.
»Schaust du bitte noch nach, was es noch unter Dämonologie zu finden gibt«, wies er seinen jüngeren Kollegen an, der sich sofort erhob und sich auf den Weg machte. In der Zwischenzeit las Levi die ersten Zeilen. Es gab nichts, was er aus diesem Buch noch nicht kannte. Er fand es sehr interessant. Denn in diesem Buch ging es wirklich nur um den Fall der Engel und die darauf folgenden Resultate.
Es gehörte nicht zur Bibel und umfasste eine umfangreiche Sammlung und Traditionen apokalyptischen Ausmaßes samt Entstehungsdaten.
Dies ist der Tatsache zu verdanken, dass das Buch Teil des biblischen Kanons der äthiopischen Kirche ist. Die äthiopische Übersetzung beruhte auf griechischen und aramäischen Henoch Schriften. In den jüdischen Kanon oder denjenigen anderer christlicher Kirchen wurde das Werk nicht aufgenommen. Was Levi wirklich sehr schade fand, denn es beinhaltete unglaublich interessante Geschichten. Auch hier war vieles natürlich Interpretations- und Auslegungssache, genau wie es mit der Bibel der Fall war. Dennoch zählte es zu Levis Lieblingswerken.
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Sinners - Levi x Eren Fanfiction
FanfictionPater Levi Ackermann, Exorzist des Vatikans, muss nach Irland um einen jungen Priester bei einem harten Fall zu helfen. Kein Problem für den erfahrenen Exorzisten doch leider stellt sich das irische Kloster als Tor zur Hölle heraus und die beiden be...