Clara
Ich sehe in Wincents Augen, dass er mit der Antwort nicht zufrieden zu sein scheint. Aber ich möchte nicht darüber reden. Noch nicht. Ich bin noch nicht bereit dazu, ich kann ihm noch nicht voll und ganz vertrauen. Auch wenn ich es gerne hätte, mein Kopf möchte einfach noch nicht, er fühlt sich einfach noch nicht bereit dazu „Ich kann es dir nicht erzählen", versuche ich zu erklären. Wincent legt sanft eine Hand auf meine Schulter: „Das verstehe ich. Rede wenn du bereit bist." Wincent scheint mich echt zu verstehen, auch wenn ich ihm nichts sage scheint er auf meiner Wellenlänge zu sein. Das Verständnis, dass er mir entgegen bringt. Aber irgendwann muss ich es ihm sagen. Nur wann? Ein Klopfen an der Tür unterbricht uns und eine Pflegerin kommt herein. Ich sehe sie erst als sie am Tisch steht und die Tabletts auf ihre Hände nimmt. Sie dreht sich um und nickt uns zu. „Entschuldigung, ich wollte nicht stören", sagt sie, dreht sich auf dem Absatz um und verlässt leise das Zimmer. Wincent schaut ihr hinterher und nagt an seiner Unterlippe. Als die Tür wieder ins Schloss fällt blickt er mich wieder an. Sanft streicht er über meine Wange. Sein warmer Blick ruht auf mir und ich bin mir nicht sicher was los ist. Hat er Gefühle für mich entwickelt? Mag er mich wie eine Art Schwester? So wie er seine Freunde liebt? Bei seinem warmen liebevollen Blick den er mir schenkt kann ich nicht anders und falle schluchzend in seine Arme. Er hält mich sanft fest und fährt mir durch mein Haar. Er lässt mich nicht los und bleibt bei mir. In seinen Armen fühle ich mich sicher und geborgen. So finde ich kurze Zeit später wieder zu mir und wische mir die Tränen weg. „Es ist wohl besser, dass ich es dir sage", gebe ich von mir.
Wincent
Ok, jetzt macht sie es wirklich spannend. Ich lege sanft meine Hand auf ihr Oberschenkel und warte ihre Erklärung ab, wieso sie Schlaftabletten genommen hat und in den Pool gestiegen ist. „Ich kann einfach nicht mehr", kommt sprudelnd aus ihrem Mund: „Ich habe einfach keine Kraft mehr zu kämpfen. Für jede Kleinigkeit muss ich kämpfen. Ich will einfach nicht mehr leiden." Diese Worte treffen mich mehr als mir es lieb ist. „Was heisst das nicht mehr leiden?" frage ich sanft nach. „Naja, dass ich nicht mehr arbeiten kann, dass ich mein Traum nicht realisieren kann, mein Glück nicht finden kann", gibt sie zurück. „Das ist es? Du willst nicht mehr leiden und wolltest dein Leben beenden?" frage ich sie geschockt. Sie nickt und weint in mein T-Shirt. „Ich glaube aber an dich, du wirst das alles erreichen. Das braucht aber Zeit. Egal für jeden Traum gibt es einen Weg. Dieser Weg wird nicht immer gradlinig sein, aber du wirst an dein Ziel kommen" versuche ich ihr zu erklären. „Ich werde einen Teil des Weges mit dir gehen können, aber vielleicht nicht den ganzen." Ich nehme sie in meine Arme und halte sie minutenlang. Als sie sich wieder beruhigt hat frage ich nach ihrem Traum nach. „Ich möchte Schriftstellerin sein, meine eigenen Geschichten veröffentlichen, einen Verlag finden, der mich unter Vertrag nimmt, irgendwann selber einen Gründen und als Verlegerin und Autorin bekannt werden", gibt sie als ausführliche Antwort an. Dieser Traum gefällt mir. „Ist das alles was dich beschäftigt?" frage ich nach. Sie zuckt mit den Schultern. „erzähl mir alles. Ich möchte dich näher kennen lernen", gebe ich ehrlich zur Antwort. Sie blickt mich an und lächelt leicht. „Ich habe nach der Schule eine Ausbildung als Verkäuferin gemacht aber abgebrochen. Dann eine Kellnerin Ausbildung absolviert aber nie eine Stelle gefunden. Alle meinten ich sei zu jung, oder zu unerfahren. Also ich war immer zu teuer einfach gesagt. Ich habe lange nach etwas gesucht was mir Freude bereitet aber nie was gefunden. Vor 14 Jahren starb meine Oma, die ich sehr geliebt habe und ich sie wieder sehr vermisse. Seit knapp acht Jahren leide ich unter Depressionen und hab mich immer wieder aufgerappelt, letztes Jahr bei einem Job mehr gearbeitet als ich eigentlich vertraglich Angestellt war. Irgendwann bin ich bei der Arbeit zusammen gebrochen, seither in Psychologischer Behandlung, hat leider nicht wirklich geholfen", berichtet sie. Ich höre ihr zu ohne sie zu unterbrechen. Ich glaube all das was sie mir erzählt hat trägt zu dieser Depression mit Burnout bei. Besonders, dass sie immer mehr arbeiten musste und das mit ihrer Oma. „Oh, das ist verständlich. Ein Thema das mich lange beschäftigt hat ist das man Probleme weils einfacher ist leichter und bequemer immer vor sich her schiebt und das relativ lange. Problem ist relativ klein, du schiebst es Tage, Monate, Jahre vor dir her, Problem wird riesengross. Irgendwann platzt die Bombe und dir geht's richtig scheisse. Wichtig ist das man sich helfen lässt. Das ist mir 2019 passiert und dann war ich bei der Therapie und hab mir da helfen lassen. In Magazinen hiess es dann, dass es ein Peinliches Geständnis ist, dass Wincent Weiss jetzt zur Therapie geht. Und ich denk mir so wie kann denn ein Jugendmagazin schreiben, dass es Peinlich wäre sich helfen zu lassen und zum Arzt zu gehen. Ich finde es wichtig das man sich helfen lässt, sei es mit Freunden sprechen, mit der Familie oder professionelle Hilfe nimmt, Für das sind die ja da", pflichte ich ihr bei. Wichtig ist, dass sie sich Hilfe geholt hat. Tragischer Weise hat das nicht zur Verbesserung ihrer Verfassung geholfen aber immerhin ist sie gewillt etwas zu verändern und ist in der Klinik gelandet. „Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst. So gut es geht bis ich die Rehaklinik verlassen kann, danach eher schriftlich. Aber ich bin für dich da", gebe ich ein Versprechen. Sie kuschelt sich an mich und geniesst meine Nähe während sie: „Vielen Dank", sagt. „Das mit dem Job, kann ich vollkommen verstehen. Immer zu allem Ja zu sagen, obwohl du das gar nicht willst. Du willst einfach freundlich und Hilfsbereit sein, aber deine Gesundheit leidet darunter. Auch wenn du das selber weisst und gerne Nein sagen würdest", gebe ich von mir. „Ja und vor allem versetze ich mich immer in die andere Person. Also ich wäre ja in der Situation auch froh, wenn jemand meine Schicht übernehmen würde, oder einen Tag für mich nimmt. Darum sagte ich immer ja, obwohl ich wusste das mein Körper gar keine Kraft mehr hatte", sagt sie. „Ja, das stimmt. Aber so wirst du oft ausgenutzt. Du musst lernen nein zu sagen. Ich weiss es ist einfach gesagt als getan und ich weiss dass ich selber dran arbeiten muss. Also können wir das gerne zusammen lernen", sage ich. Durch unser Gespräch verfliegt der Nachmittag wie im Flug. Nun kenne ich Clara ein bisschen besser und kann sie besser einschätzen und unterstützen. „Entschuldigung die Frage, ich hab dich vor dem Mittagessen am Telefon gehört. Ich hab natürlich versucht wegzuhören, war nicht einfach. Aber kommt deine Freundin morgen hierher?" fragt sie mich. Ich nicke und blicke nachdenklich aus dem Fenster: „Ich weiss nur nicht wie ich das Überleben soll. Ich meine sie wird überhaupt nicht gut zu sprechen sein, dass wir ein Zimmer teilen. Eine Frau teilt das Zimmer mit ihrem Freund. Ich weiss nicht was ich machen soll", gebe ich gedankenverloren von mir. „Wenn du möchtest kann ich für die Zeit ja in den Garten oder zur Maltherapie oder so", gibt sich grüblerisch von sich. „Ist ja süss von dir, aber ich muss auf dich aufpassen. Ich habe es der Leitung versprochen", gebe ich zur Antwort. „Ja das stimmt schon, aber sonst kriegst du doch von deiner Freundin ärger, wegen mir", sagt sie sanft. „na und. Egal, ich hab ja nichts verbrochen", gebe ich von mir.
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War schon fast dran gewöhnt ans Alleinsein
FanfictionDiese Geschichte könnte triggernde Inhalte haben. Viel Spass beim lesen.