Prolog

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„Ich schaffe das nicht!"

Verzweifelt sitze ich auf einer Parkbank vor meiner Limonade und heule meiner Freundin etwas vor.

„Doch, du schaffst das! Kneif die Arschbacken zusammen! Diese Chance kommt nur einmal im Leben!"

„Aber was die von mir verlangen, ist unmenschlich!"

„Die Alternative dazu ist unmenschlich."

Meine Schultern sacken in sich zusammen. Sie hat ja recht. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich muss das hier hinkriegen.

„Aber Seoul ist so eine riesige Stadt und ich kenne hier niemanden."

„Su! Hör auf zu jammern, okay? Du bist bei JYP-Entertainment angenommen worden!"

„Nur unter Vorbehalt. Ich habe gerade mal so den Vorentscheid bestanden. Die verlangen von mir, dass ich innerhalb von ein paar Monaten Koreanisch lerne. Und ich muss nebenbei mit den anderen Trainees konkurrieren. Das heißt für mich Choreo, Gesangstraining und Kompositionsunterricht. So viele Stunden hat der Tag nicht, dass ich alles unter einen Hut bringe."

Meine Freundin Rosa sieht mich fassungslos durch den Monitor meines Notebooks an.

„Beschwerst du dich gerade tatsächlich bei mir, dass du als künftige K-Pop-Ikone einen Arsch voll Arbeit hast?"

Ich seufze laut auf. Ja, klar..., wenn sie es so auslegt, klingt es als wäre ich ein undankbares faules Stück, dass keinen Bock auf eine Karriere in der Musikbranche hat.

Das ist aber nicht so. Ich bin bereit, alles dafür zu geben! Aber ich dachte nicht, dass ausgerechnet ein koreanisches Label auf mich aufmerksam wird und bei meiner Agentur in Italien eine Anfrage stellt.

In meinem kleinen Heimatdorf in Kampanien, habe ich schon mehrere Tanz- und Musikwettbewerbe gewonnen. Schon seit meiner Kindheit stehe ich gerne auf der Bühne und erfreue mich an den tanzenden Kindern und den klatschenden alten Leuten. Sie sind ein dankbares Publikum und viele von ihnen kennen mich persönlich. Wie das bei einem Dorfleben eben so ist.

Aber die großen Plattenlabels, haben alle immer einen großen Bogen um mich gemacht. Sie sagen zwar, dass ich jede Menge Talent hätte, doch ich solle mich doch erst wieder melden, wenn ich eine größere Fanbase und eine erste eigene Single rausgebracht habe.

Solche Witzbolde!

Ohne Plattenlabel, keine Fanbase, ohne Fanbase, kein Plattenlabel und ohne Plattenlabel keine Single!

Das ist doch eine simple Schlussfolgerung! Wieso raffen es diese Idioten dann nicht, mit denen Rosa sich jeden Tag abmühen muss?

Doch eines Tages änderte sich alles. Durch einen simplen banalen Zufall.

Rosa freundete sich mit einer Kollegin aus Korea in den sozialen Netzwerken an. Diese war auf der Suche nach Talenten für das E2K (Europa 2 Korea) Programm. Daraufhin erzählte Rosa ihr von meinem Fall und schickte ihr eine Aufnahme von einem meiner Auftritte.

Diese war dann gleich hellauf begeistert und schlug vor, mich für die kommenden Vorentscheide ihrem Management vorzuschlagen.

Und was soll ich sagen, ich wurde tatsächlich eingeladen.

Zuerst dachte ich, es sei eine Falle. Wie die, von solchen Banden, die sich zum Beispiel im Internet als Bankier, oder Anwalt eines verstorbenen Milliardärs ausgeben, um dir dann schließlich deine Kontodaten zu klauen.

Aber als mir Rosa die Unterlagen gab und das dazugehörige Flugticket, war eine Flucht zurück nicht mehr möglich.

Ich weiß, dass es Rosas kleiner Agentur nicht so gut geht und deshalb setzt sie alle Hoffnungen in mich. Aber ich bin auch nicht Superwoman!

Selbst wenn ich es schaffen sollte, in so kurzer Zeit Koreanisch zu lernen, und meine Trainee-Aufgaben zu erledigen, muss ich auch irgendwann mal schlafen, verdammt!

Aber wie ich es drehe und wende. Es gibt nur zwei mögliche Optionen: Entweder ich kneife tatsächlich die Arschbacken zusammen - so wie es Rosa formuliert - oder ich gebe auf und dann muss Rosa ihr kleines Geschäft zu machen. Dann kann ich mit ihr zusammen unter einer Brücke leben und den kackenden Möwen am Strand ein Ständchen singen.

Meine Familie ist schon immer dagegen gewesen, dass ich eine Musikkarriere einschlage. Sie sagt immer, dass man mit so einem Firlefanz keine Familie ernähren könne. Ich solle doch lieber einen jungen Mann aus meinem Dorf heiraten und Plantagen-Bäuerin werden und später mal das Gasthaus übernehmen.

Ich fand die Vorstellung aber schon damals als Kind gruselig. Ich wollte nie so enden wie meine Tanten. Noch dazu, wo ihre eigenen Kinder längst ihr Glück in der nächstgroßen Stadt gefunden haben. Keiner meiner Cousins oder Cousinen ist im Dorf geblieben. Ich bin die letzte meiner Generation, die noch versucht dort etwas aus sich zu machen.

Und Rosa ist eine Ausnahme. Sie lebt noch im Dorf, weil sie eine pflegebedürftige Mutter hat. Sonst wäre sie auch schon längst weggezogen.

Und Rosas Mama Theresa ist trotz ihrer Gehbehinderung die liebste Frau, die man sich nur vorstellen kann. Sie hat mir meine Mama oft ersetzt, weil diese mit meinem Papa das einzige Dorfgasthaus führen musste und wenig Zeit für mich hatte.

Dafür bekam ich bei Mama Theresa das Familienleben, dass ich mir immer gewünscht hatte.

Im Frühling saßen wir oft im Garten, sahen aufs Meer hinaus und erzählten uns Geschichten aus einer anderen Zeit.

Dabei aßen wir Orangen aus der Plantage des Nachbars und tranken Limonade aus frisch gepressten Zitronen.

Genau aus diesem Grund kann ich Rosa und ihre Mama nicht in Stich lassen. Sie verlassen sich auf mich. Und wenn sich herumspricht, dass eine Künstlerin aus Rosas Agentur ein großer K-Pop Star ist, dann wird sich für sie alles zum Besseren wenden. Und wenn ich erst einmal ein volles Konto habe, werde ich dafür sorgen, dass Rosa und ihre Mama eine schöne rollstuhlgerechte Wohnung bekommen und sich keine Sorgen mehr um unbezahlte Krankenhausrechnungen machen müssen.

„Ja, tut mir leid. Ich versuche mein Bestes zu geben. Aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn ich es nicht hinbekomme."

„Nein, dafür werde ich keine Zeit haben. Ich werde zu sehr damit beschäftigt sein, meine Firma zu schließen und meiner Mama zu erklären, dass es sich auch unter einer Brücke schön lebt. Und du wirst damit beschäftigt sein, das Gasthaus deiner Eltern zu übernehmen. Also nein, ich werde nicht enttäuscht sein."

Gott, manchmal kann Rosa auch echt pedantisch sein.

Aber bei dem Gedanken das Gasthaus meiner Eltern zu übernehmen, fährt mir ein Schauder über den Rücken.

Brr. Bloß nicht! Das ist ja fast noch schlimmer als Plantagen-Bäuerin! Obwohl ich ein Gastronomiekind bin, habe ich noch nie das Bedürfnis gehabt in die Fußstapfen meiner Eltern zu treten.

Aber ich weiß, dass mir genau das blühen wird, wenn ich es hier nicht schaffe. Das ist meine erste und einzige Chance endlich aus dem Dorfschatten herauszutreten, der mich wie ein schwerer Sack zu Boden hält.

From Zero To HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt