Kapitel 15 - Von Freundschaft und Wundern

8 1 1
                                    


In Katastrophenfilmen wird oft am Ende, wenn die Welt in Schutt und Asche liegt, von den wenigen Überlebenden, eine neue Zeitrechnung angefangen.

Der Tag null ist bei mir jetzt bereits drei Tage her. Der Tag, der mein Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat.

Ich habe meine Umzugskartons noch nicht ausgepackt. Es fehlt mir der Antrieb dazu. Ich liege die meiste Zeit einfach nur in meinem Bett und lass mich von irgendwelchen Serien berieseln, deren Handlung ich nicht mitverfolge.

Mein neues Apartment liegt um einiges weiter weg, als das, indem ich bisher gewohnt habe. Meine Wohnung ist sehr klein und ich habe gerade mal eine kleine Kochnische und ein Badezimmer, indem man nicht einmal umfallen kann, wenn man wollte.

Aber ich beschwere mich nicht.

Bisher habe ich nichts gehört. Weder von Bangchan und den Jungs, noch von Mister Kim oder dem Gremium. Mein Kampfeswille ist gebrochen und ich warte passiv darauf, dass irgendetwas passiert. Selbst Rosa hat sich nicht getraut, mich anzuschreien, nachdem sie mich über die Kamera gesehen hat. Ich glaube mein teilnahmsloser Blick und meine tiefen Furchen unter den Augen sprechen für sich. Ich glaube sie denkt, dass ich gestraft genug bin.

Aber das bin ich nicht.

Ich verdiene noch mehr Strafe. Wie konnte mir so ein dämlicher Fehler passieren?

Ich bin nicht einmal wütend auf das Todsündentrio. Nur auf mich selbst. Natürlich hätte ich mir an deren Stelle diese Chance nicht entgehen lassen! Nein, die Idiotin bin ich gewesen, dass ich ihnen so eine hervorragende Gelegenheit geboten habe.

Ich gebe zu, ich habe sie unterschätzt und ich war so selbstsicher, dass ich das nicht in Erwägung gezogen habe. Aber wie sagte der Typ in der Kantine? Hochmut kommt vor dem Fall. Da hat er absolut recht.

Masako: Verdammt, Susy! Geh bitte an dein Telefon! Man sagt, dass du in ein anderes Wohnheim verlegt wurdest. Bitte rede mit uns! Jules macht sich auch Sorgen. Melde dich!

Ich klicke die Nachricht weg. Ich kann meinen Freunden im Moment nicht gegenübertreten. Es geht einfach nicht.

***

Tag vier.

Mit Maske und Kapuze eile ich durch die verregneten Straßen von Seoul. Ich gehe zum Supermarkt und stocke meinen Vorrat an Instantnudeln und Junkfood auf. Das ist das Einzige, wovon ich mich momentan ernähre.

Ich weiß, Doktor Wang würde mir deswegen bestimmt die Hölle heiß machen.

Aber es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit, als ich am Schulleben teilgenommen habe und als ich noch ein vollwertiges Mitglied der Akademie war.

Im Moment besteht mein Leben nur aus Herumsitzen und warten, bis andere Leute über meine Zukunft entscheiden. Es ist ein beschissenes Gefühl. Der Kontrollverlust über das eigene Leben macht mich fertig und zerfrisst mich innerlich.

Wie konnte es von einem Augenblick auf den anderen soweit kommen?

Ständig schwirren mir die gleichen Fragen im Kopf herum. Aber sie bleiben unbeantwortet. Um nicht wahnsinnig zu werden, begnüge ich mich damit, mich von einem Tag in den nächsten zu schleppen und zu versuchen mich auf das Schlimmste vorzubereiten.

Es wundert mich sowieso, dass sich das Gremium so lange Zeit für eine Entscheidung lässt. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, bereits in einem Flieger Richtung Europa zu sitzen und mich auf ein Leben als Bäuerin einzustellen.

Ich traue mich immer noch nicht Nachrichten anzusehen oder im Internet nach dem geleakten Song zu googeln.

Mein Profil habe ich aus sämtlichen Sozialmedien gelöscht. Die unzähligen Hasskommentare, die ich erhalten habe, habe ich gleich ungelesen mitgelöscht. Es reicht mir schon, dass mein Handy in den ersten Tagen fast ununterbrochen geklingelt hat und ich sämtliche Nummern sperren musste. Erst gestern habe ich mir eine neue Nummer besorgt und habe nur ausgewählte Kontakte darauf umgeleitet.

From Zero To HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt