"Wir müssen dringend reden" Ein flehender Unterton lag in seiner Stimme. Nervös fuhr er sich durch die dunklen Haare, die mal wieder total zerzaust waren, sodass ich direkt den drang verspürte darin herum zu wuscheln, so wie letzte Nacht. Letzte Nacht, deswegen war er hier.
Ich drehte mich nochmal, um zu schauen, ob Emma uns von irgendwoher belauschte und trat dann zu ihm in die Einfahrt. Die Tür hatte ich angelehnt, auch wenn sie vermutlich bei der nächsten stärkeren Windbö ins Schloss fallen würde.
Ich rieb mir die Arme. Sollte ich nochmal rein gehen, um mir eine Jacke zu holen? Nein, ich ließ ihn jetzt einfach sagen, was er zu sagen hatte.
"Letzte Nacht..." Fing er an zu sprechen. "Ich kann mich nur noch an ein paar Bruchteile erinnern, aber ich habe da etwas gesagt, was du vergessen solltest"
"Was genau meinst du?" fragte ich ihn, da ich gehofft hatte, dass er die Sache noch etwas ausführen würde. Wer weiß, vielleicht hatte ich ihn gestern komplett falsch verstanden, auch wenn es da nicht viel falsch zu verstehen gab.
"Ich denke du bist clever genug und kannst eins und eins zusammenzählen" Sagte er mit der Andeutung eines Lächelns, das nicht den Hauch von Freude in sich hatte. Ich hatte ihn noch nie so verletzlich wie in diesem Moment gesehen. Er kam mir wie jemand vor, der unter keinen umstanden hinter seine arrogante, kalte Fassade blicken lassen wollte, aber ich hatte das Gefühl, gerade nahm er zum ersten Mal seit dem Unfall seine Maske ab.
"War es das, was du vor ein paar Tagen in der Besenkammer angedeutet hast, wieso du mich besser als all die anderen verstehen würdest?"
Er sah mich mit traurigen Augen an, die Hände in seiner Jackentasche verkrampften sich sichtlich. "Ich denke das wir beide eine große Schuld auf uns geladen haben" flüsterte er. Seine Augen wurden glasig, ich erkannte mich in ihnen. Eine Träne kullerte meine Wange hinunter, ohne dass ich wirklich weinte. Sanft berührte er meine Wange mit seiner Hand, unbewusst schmiegte ich mich an sie und die wohlige Wärme, die von ihm aus ging. Mit dem Daumen wischte er meine Träne fort und sah mir dabei so tief in die Augen, dass ich das Gefühl hatte in ihnen zu versinken.
"Es ist wichtig, dass niemand je davon erfährt, dass würde nicht nur mich, sondern meine ganze Familie in Schwierigkeiten bringen" flüsterte er.
"Wieso deine Familie?"
Er zögerte kurz, rang mit sich. Es schien ihm Körperliche Schmerzen zu bereiten an das geschehene zu denken, aber klar, ich hatte noch nie für jemanden so viel Mitgefühl, wie für ihn. Vermutlich wütete in uns beiden derselbe heftige sturm, der uns langsam, aber sicher zu Grunde richtete.
"Ich war betrunken, als es geschah, meine Familie hat ihr Geld und ihre Kontakte spielen lassen, um es zu vertuschen" er schluckte hart. "Ja, ich hätte mich stellen sollen, ja ich hätte nicht betrunken in ein Auto steigen sollen und ja ich bin ein riesen Feigling" Wurde er nun lauter, doch ich hatte das Gefühl, er sprach zum ersten Mal das aus, was er sich jeden Tag aufs Neue selbst im Stillen sagte.
"Meine Eltern wollten mich beschützen und meine Zukunft retten, in der ich vermutlich eine Zeit lang im Gefängnis gesessen hätte, aber eins konnten sie mit ihrem Geld nicht beseitigen, die Schuld, die solange ich lebe auf mir lasten wird" Nun kullerten auch ihm ein paar Tränen hinunter, die er sich mit dem Handrücken wegwischte. Dann hörte er auf zu weinen und war plötzlich ganz still, als würde er langsam die Maske wieder aufsetzen.
"Ich werde nichts sagen" flüsterte ich.
Seine Hand berührte immer noch meine Wange, während er wie in Trance mit dem Daumen über meine Haut und schließlich über den Ansatz meiner Lippen streichelte. Kaum merklich kam er mir näher oder ich ihm. In dem Moment konnte ich mich nicht mal an meinen eigenen Namen erinnern und schon gar nicht daran, dass mir eigentlich kalt war. Gerade war mir so unfassbar heiß. Wir waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Mein gesamter Körper kribbelte. Sein Blick zuckte immer wieder zu meinen Lippen. Ich schloss die Augen, spürte schon die Hitze seines Atems auf meiner Haut.
"Ava, ist alles in Ordnung?" Brüllte Emma aus dem inneren des Hauses und im nächsten Moment stand sie auch schon in der Tür.
Erschrocken sprangen wir auseinander. Ich hatte das Gefühl gerade aus einem schönen aber auch gleichzeitig qualvollen Traum erwacht zu sein, was bei Jackson wohl auch der Fall war. Wie ein verschrecktes Reh sah er erst Emma und dann mich an. In Emmas Gesicht erkannte man, dass sie mich gleich mit Fragen bombardieren würde.
Kurz schwiegen wir uns alle an, bis Jackson diese unangenehme Stille brach.
"Ich werde dann jetzt gehen" Er klang verwirrt und betroffen zugleich, obwohl er sich beste mühe gab sich das nicht anmerken zu lassen.
"Okay, bis dann" Antwortete ich, während mein Herz immer noch Purzelbäume schlug.
Emma sah ihm noch ungläubig hinterher, bis er um die Ecke verschwand. Sie setzte zu einem Spruch an, doch ich hob nur abwehrend die Hand.
" Sag jetzt bloß nichts" Stoppte ich sie und zwang mich mit wackligen Beinen an ihr vorbei zurück ins Haus.
Dicht hinter mir hörte ich ein ungläubiges Oh mein Gott geflüstert, was mir sagen sollte, dass sie keine ruhe gäbe, bis sie nicht jedes kleinste Detail aus mir rausgequetscht hatte.
__________________________
Danke zuerst einmal für über 1K reads ❤
Ich hab mich dazu entschieden alle 2-3 Tage ein neues Kapitel zu posten, da jeden Tag nicht mehr möglich für mich ist.
Bis zum nächsten Kapitel ❤

DU LIEST GERADE
Forbidden Love
RomanceAva & Jackson Ava zieht zusammen mit ihrer Familie in eine Kleinstadt weit weg von den Erinnerungen, die ihr nachts den Schlaf rauben. Endlich ist sie wieder eine Unbekannte. Das dachte sie zumindest, denn schon am ersten Schultag, hat sich die Wah...