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Im Dämmerlicht, das durch das halb geöffnete Fenster fiel, lagen Liana und Lucas eng nebeneinander in ihrem Bett. Der Raum war still, abgesehen von ihrem gleichmäßigen Atem und dem gelegentlichen Rauschen des nächtlichen Verkehrs draußen. Sie lagen Rücken an Rücken, doch beide waren hellwach, gefangen in ihren Gedanken.

Lucas drehte sich schließlich leicht zur Seite, sah Liana an, die mit verschränkten Armen dasaß und in die Dunkelheit starrte. Er konnte sehen, dass ihre Miene sich leicht angespannt hatte, und er wusste, dass sie sich vermutlich die gleichen Fragen stellte wie er.

„Denkst du... das hier war richtig?", fragte er leise, um die Stille zu brechen. Seine Stimme klang unsicher, fast entschuldigend, als hätte er Angst, sie damit zu verletzen. Liana sah ihn an, und in ihren Augen lag ein Ausdruck, den er nicht sofort deuten konnte – etwas zwischen Nachdenklichkeit und Bedauern.

„Ich weiß nicht," antwortete sie schließlich und ließ ihren Blick kurz sinken. „Ich meine, das hier... das fühlt sich gerade gut an. Aber es bringt uns nur mehr Probleme, als wir ohnehin schon haben, oder?" Sie seufzte, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihn wieder an, diesmal mit einer leichten Unsicherheit in ihren Augen.

Lucas nickte langsam. „Genau das dachte ich auch." Er legte eine Hand auf ihre Schulter, eine kleine, zaghafte Geste, die zeigen sollte, dass er ihre Zweifel verstand. „Wir sind beide irgendwie... zu tief in diesen Fall verstrickt. Und das könnte alles nur noch komplizierter machen."

Liana lächelte schwach und senkte den Blick. „Es ist, als würde ein Teil von mir sich einfach wünschen, dass all das nicht existiert – dass es keine Ermittlungen gibt, keine Fragen, die wir beantworten müssen." Sie schloss die Augen, und ihre Stimme klang fast melancholisch. „Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, wenn wir uns nie kennengelernt hätten. Es wäre einfacher."

Lucas spürte einen schmerzhaften Stich bei ihren Worten, auch wenn er wusste, dass sie ehrlich waren. „Ja... einfacher vielleicht," gab er leise zurück. „Aber vielleicht hätten wir uns dann auch nie so kennengelernt, wie jetzt." Er strich sanft mit dem Daumen über ihren Arm, und sie öffnete die Augen, sah ihn nachdenklich an.

„Es gibt so vieles, was du nicht weißt, Lucas." Ihre Stimme zitterte leicht, und er konnte die Unsicherheit in ihren Augen sehen. „Ich weiß nicht, ob ich dir alles erzählen kann. Vielleicht wäre es... besser, wenn wir es einfach dabei belassen."

Er ließ seine Hand von ihrem Arm sinken und seufzte leise. „Das verstehe ich. Aber glaub mir, Liana – egal, was passiert, ich will wissen, was dich bewegt. Auch wenn das bedeutet, dass es uns beide noch tiefer in dieses Chaos zieht."

Liana nickte langsam, und für einen Moment herrschte wieder Schweigen zwischen ihnen. Schließlich legte sie den Kopf an seine Schulter, ließ den Moment einfach so, ohne zu reden, in der Dunkelheit verharren.

Nach einer Weile sagte sie leise: „Vielleicht war es keine gute Idee... Aber ich bereue es trotzdem nicht." Nach einem langen, stillen Moment löste sich Liana langsam von ihm und hob den Blick. Etwas Ernstes flackerte in ihren Augen auf, etwas, das Lucas nicht entging.

„Lucas," begann sie leise, fast zögerlich, „habt ihr eigentlich... neue Hinweise gefunden? Gibt es irgendetwas Neues in den Ermittlungen?"

Lucas runzelte leicht die Stirn, aber sein Blick blieb sanft, fast beschützend. Er wusste, dass Liana die Situation belastete – die Vorwürfe, die Fragen, die Ungewissheit. Er hatte all das in ihren Augen gesehen, selbst wenn sie es selten aussprach.

„Es gibt noch ein paar lose Fäden, an denen wir arbeiten," antwortete er schließlich, vorsichtig mit seinen Worten. „Es tauchen immer wieder neue Details auf, aber vieles ist noch nicht klar genug, um ein vollständiges Bild zu ergeben." Er hielt kurz inne, als wollte er abschätzen, wie viel er ihr anvertrauen konnte, dann fügte er leise hinzu: „Es gibt ein paar Zeugen, die ich noch einmal befragen möchte, Leute, die dir nahestehen."

Liana nickte langsam, und Lucas konnte sehen, wie ihre Miene sich verhärtete, als ob sie sich gegen den Ansturm an Emotionen wappnete, der mit diesen Informationen einherging. Doch dann sah sie ihn direkt an, und ihre Augen waren fest und entschlossen.

„Und... glaubst du, dass das Bild, das ihr sucht, die Wahrheit ist?" Ihre Stimme zitterte leicht, aber sie hielt seinem Blick stand.

Er atmete tief durch und legte eine Hand sanft an ihre Wange, ein Versuch, die Distanz zu überbrücken, die die Ermittlungen zwischen ihnen schufen. „Ich weiß nicht, was ich finden werde, Liana," sagte er ehrlich. „Aber ich verspreche dir, dass ich die Wahrheit herausfinden will – ganz gleich, was das bedeutet."

In diesem Moment, in der Stille, die zwischen ihnen lag, war kein Raum für Zweifel oder Masken. Liana blickte ihm in die Augen, und für einen Moment schien die Welt um sie herum zu verschwinden. Die drückende Last der Ermittlungen, die ständigen Fragen und Verdächtigungen, all das schien in diesem Augenblick unerheblich zu sein. Was zählte, war der Mann vor ihr, der trotz allem, was zwischen ihnen stand, immer noch eine Verbindung zu ihr suchte.

„Ich will nicht, dass du mich mit den anderen in Verbindung bringst", sagte sie schließlich, ihre Stimme leise, aber fest. Sie ließ ihre Hände sinken und trat einen Schritt zurück, als wollte sie die Nähe für einen Moment wieder etwas zurücknehmen. „Ich will nicht, dass du dich von all dem beeinflussen lässt. Du musst wissen, dass ich unschuldig bin, Lucas. Ich weiß, dass du es weißt."

Lucas atmete tief ein, der Kloß in seiner Kehle fühlte sich schwer an. Was er wusste und was er glaubte, war längst nicht mehr so einfach wie zu Beginn der Ermittlungen. Die Spuren, die sie hinterlassen hatte, die Antworten, die sie gegeben hatte, die kleinen Lügen, die sie erzählt hatte, die waren alle nicht ohne Bedeutung. Doch er wollte nicht an ihr zweifeln.

„Ich glaube dir, Liana", sagte er schließlich, und seine Stimme war fester, als er sich fühlte. „Aber mein Job ist es, nach der Wahrheit zu suchen, und die Wahrheit..." Er ließ die Worte hängen, als würde er sich für einen Moment selbst in Frage stellen. „Die Wahrheit wird irgendwann ans Licht kommen, egal was wir tun."

Liana nickte, aber in ihren Augen glomm eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. „Ich habe nichts getan, und trotzdem wird mir das Gefühl gegeben, dass ich ständig auf der Anklagebank sitze." Ihr Blick verfinsterte sich. „Ich weiß, du musst deine Arbeit machen. Aber es gibt Dinge, die du nicht weißt, Lucas. Dinge, die niemand wissen kann, weil sie in mir verborgen sind."

Die Anspannung in ihr war greifbar. Lucas konnte sehen, dass sie kämpfte, mit etwas, das sie festhalten wollte, aber nicht in Worte fassen konnte. Er wollte sie nicht noch mehr unter Druck setzen, wollte nicht weiter in dieser Grauzone aus Verdacht und Vertrauen operieren. Doch die Fragen nagten an ihm, und er wusste, dass er sie nicht einfach unbeantwortet lassen konnte.

„Ich weiß, dass du etwas verheimlichst, Liana", sagte er leise, fast als würde er sich selbst zur Wahrheit zwingen. „Aber was auch immer es ist, ich werde es herausfinden. Und wenn es dich schützt, dann umso besser."

Die Luft zwischen ihnen war elektrisch, und Liana atmete tief ein, als sie sich wieder einen Schritt von ihm entfernte. „Du solltest jetzt gehen", sagte sie schließlich, ihre Stimme schwankend zwischen Entschlossenheit und etwas anderem, das Lucas nicht ganz einordnen konnte. „Bevor du noch mehr von dir glaubst, was du nicht glauben solltest."

Er spürte die Kluft zwischen ihnen wachsen, die Verbindung, die sie kurz geknüpft hatten, begann wieder zu bröckeln. Und doch konnte er nicht gehen, nicht ohne mehr zu wissen. „Ich... ich muss gehen, aber wir reden später weiter, okay?"

Liana nickte, aber ihre Miene verriet nichts, was er wirklich lesen konnte. „Mach, was du tun musst", sagte sie, und für einen Moment stand sie einfach nur da, als würde sie ihm mit dieser Antwort alles überlassen.

Lucas wusste, dass das hier noch lange nicht vorbei war. Dass das, was er fühlte und was er wusste, längst nicht die ganze Wahrheit war. Aber für den Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehen – und zu hoffen, dass er in den kommenden Tagen die Klarheit finden würde, die ihm immer noch fehlte.

Er drehte sich um und ging zur Tür, doch als er den Türgriff ergriff, blieb er noch einmal stehen. Liana stand dort, still und beobachtend, ihre Augen dunkler als zuvor.

„Ich werde die Wahrheit herausfinden, Liana. Ich muss es."

Lucas saß auf dem alten, abgewetzten Sofa in der kleinen Wohnung seines Freundes Markus. Der Raum war kaum beleuchtet, nur das gedämpfte Licht der Straßenlaternen drang durch das Fenster. Der Geruch von altem Holz und Zigarettenrauch lag in der Luft, eine vertraute Atmosphäre, die ihn für einen Moment von den drängenden Gedanken befreite. Aber die Stille, die ihn umgab, ließ die Ereignisse der letzten Tage immer wieder in seinen Kopf drängen.

Markus hatte ihm etwas zu trinken eingeschenkt, aber Lucas hatte kaum ein Glas genommen. Stattdessen starrte er auf die Flüssigkeit, die im Glas leicht schimmerte, als wäre es das Einzige, das er noch festhalten konnte.

„Du siehst aus, als hättest du einen schlechten Traum", sagte Markus, seine Stimme grimmig, aber mit einem Hauch von Mitleid. „Was ist los, Lucas?"

Lucas zog ein tiefes Atemzug und ließ den Kopf nach hinten sinken. „Es wird immer komplizierter, Markus. Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll."

Markus setzte sich gegenüber von ihm und nahm einen Schluck aus seinem eigenen Glas, sein Blick aufmerksam. „Du redest von Liana, richtig?"

Lucas nickte, ohne zu sprechen. „Ich bin mir nicht mehr sicher, was ich denke. Ich weiß, was ich in den Akten lese, was die Zeugen sagen... aber wenn ich mit ihr spreche, fühlt es sich an, als würde alles, was ich weiß, auseinanderfallen."

„Du hast sie also wieder getroffen?", fragte Markus, die Augenbrauen hochgezogen.

„Ja", murmelte Lucas, seine Stimme rau und nachdenklich. „Sie hat mich gefragt, was wir herausgefunden haben, und ich... ich konnte ihr nichts sagen, weil ich selbst nicht sicher bin. Es gibt diese Momente, in denen ich ihr glaube, wirklich glaube, dass sie unschuldig ist. Aber dann gibt es wieder diese anderen Momente, wo ich mich frage, was sie mir wirklich verschweigt."

Markus lehnte sich zurück, zog an seiner Zigarette und ließ den Rauch langsam entweichen. „Und was denkst du? Glaubst du ihr?"

Lucas überlegte kurz, bevor er antwortete. „Ich will ihr glauben, aber ich kann es nicht einfach so tun. Alles weist auf sie hin, Markus. Sie war da, sie hatte ein Motiv, und dann gibt es diese ganzen Lücken in ihrer Geschichte. Aber gleichzeitig... hat sie etwas in ihren Augen, als würde sie mir die Wahrheit sagen. Ich kann es nicht fassen, dass sie es war, aber ich weiß nicht, ob ich mir das nur einrede."

Markus schaute ihn eine Weile an, als wolle er ihn durchschauen. „Du bist verliebt in sie, oder?"

Lucas starrte ihn an, die Frage traf ihn härter, als er erwartet hatte. „Was? Nein, das... das ist nicht es."

„Oh, doch", erwiderte Markus, seine Stimme ruhig, fast ein bisschen spöttisch. „Komm schon, Lucas. Du bist ein verdammt guter Polizist, aber das hier? Das hier ist keine Ermittlung mehr. Es ist persönlich."

„Ich weiß es nicht", sagte Lucas nach einer langen Pause. „Vielleicht ist es das, was mich verwirrt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Beweise sehe oder ob es nur meine Gefühle sind, die mir die Wahrheit verschleiern."

Markus seufzte und legte die Zigarette in den Aschenbecher. „Es gibt einen Grund, warum wir uns von den Leuten nicht zu sehr einlassen sollten, mit denen wir arbeiten. Weil wir nicht mehr objektiv sind. Und du weißt, dass das die Gefahr ist, wenn du mit ihr so umgehst."

„Ich weiß", sagte Lucas, der Ton in seiner Stimme war von Frustration durchzogen. „Aber was, wenn sie wirklich unschuldig ist? Was, wenn ich ihr Unrecht tue, nur weil ich ihr nicht mehr vertrauen kann?"

„Du bist ein verdammt guter Ermittler, aber du bist auch ein Mensch, Lucas. Und wir sind nicht unfehlbar", sagte Markus ruhig. „Du musst dich entscheiden, was für dich wichtiger ist: Deine Arbeit oder das, was du für sie empfindest. Denn wenn du weiter an diesem Fall dran bleibst, ohne die richtigen Entscheidungen zu treffen, wirst du am Ende niemanden retten. Am wenigsten dich selbst."

Lucas starrte auf das Glas vor sich. Markus hatte recht. Es war nicht nur die Arbeit. Es war mehr, viel mehr. Und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm klar, dass seine Gefühle ihn beeinflussten – und das war gefährlich.

„Was soll ich tun, Markus?" fragte er schließlich, die Verzweiflung in seiner Stimme deutlich zu hören.

„Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst", antwortete Markus, „aber du musst ehrlich zu dir selbst sein. Liana zu retten wird nicht einfach, und die Wahrheit wird immer komplexer. Du musst entscheiden, was für dich wirklich zählt."

Lucas starrte auf das Glas und dachte an die Momente, in denen er mit Liana gesprochen hatte – an die geheimen Blicke, an die Nähe, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, an das Unbehagen, das er in ihrer Gegenwart oft spürte. Er wusste, dass er nicht nur an den Fall, sondern auch an ihr zog, und das machte es so viel schwerer, eine klare Entscheidung zu treffen.

„Ich habe das Gefühl, dass ich an einem Punkt bin, an dem ich nichts mehr im Griff habe", sagte er leise. „Es fühlt sich an, als würde alles, was ich tue, immer mehr zu einem Fehler werden."

„Vielleicht ist es an der Zeit, den Fall ruhen zu lassen und mehr über dich nachzudenken", antwortete Markus, und seine Stimme klang jetzt fast besorgt. „Du kannst den Fall nicht allein lösen, Lucas. Und du kannst dich auch nicht selbst verlieren."

Lucas nickte, aber es war eine leere Geste. Er wusste, dass er an einem Wendepunkt stand – zwischen dem, was er fühlte, und dem, was er zu tun hatte. Doch noch immer war es ein Labyrinth aus Fragen, das er nicht zu durchschauen wusste.

Kill me BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt