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Lucas saß in seinem Auto, das Motorgeräusch das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Es war ein weiterer dieser Tage, an denen alles in ihm zerriss, an denen die Grenze zwischen dem, was er fühlte und was er tat, immer mehr zu verschwimmen schien. Er starrte auf das Handy in seiner Hand und überlegte, wie er mit Liana sprechen sollte.

Er hatte es immer wieder vor sich hergeschoben, aber jetzt fühlte er, dass es notwendig war. Er hatte mit Markus gesprochen, er hatte seine eigenen Gedanken sortiert – aber er wusste, dass es Zeit war, sich der Realität zu stellen.

Er tippte eine Nachricht: „Liana, wir müssen reden. Ich denke, es ist besser, wenn wir uns für eine Weile distanzieren. Ich kann nicht mehr klar sehen, und es ist nicht gut für uns beide."

Sobald er die Nachricht abgeschickt hatte, stieg die Anspannung in ihm an. Er legte das Handy auf den Beifahrersitz, lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Etwas in ihm wusste, dass es das Richtige war, aber die Unruhe, die Liana in ihm auslöste, machte diese Entscheidung schwerer, als sie hätte sein sollen.

Gerade als er sich entschloss, das Gespräch weiter zu führen und die Dinge klarzustellen, vibrierte sein Handy auf dem Beifahrersitz. Ein Anruf. Die Nummer war eine der Ermittlungsabteilungen, und als er den Hörer abnahm, spürte er sofort, dass es nichts Gutes war.

„Lucas, wir haben etwas. Eine Leiche wurde gefunden. Es ist ein Mord, wie der Fall mit Jessica. Die DNA stimmt überein."

Die Worte des Anrufers trafen ihn wie ein Schlag. „Was?" stieß er aus, seine Stimme rau und hektisch. „Sag mir das nicht, was ich denke!"

„Die Leiche wurde heute Morgen im Park gefunden. Wir haben die DNA überprüft. Es ist die gleiche, wie bei Jessica. Aber da ist noch mehr, Lucas. Die Umstände der Tötung sind fast identisch. Jemand hat die gleiche Handschrift hinterlassen."

Lucas war plötzlich völlig wach. Die Müdigkeit, die ihn eben noch gelähmt hatte, war wie weggeblasen. „Wo ist der Tatort?"

„Wir brauchen dich hier, sofort", kam die Antwort. „Du musst kommen. Wir haben auch erste Hinweise auf mögliche Zeugen."

„Ich bin unterwegs", sagte Lucas hastig, legte auf und starrte auf das Display seines Handys. Der Entschluss, sich von Liana zu distanzieren, schien in diesem Moment weit entfernt. Alles, was er wusste, war, dass er wieder in den Fall eintauchen musste, dass er etwas finden musste, um diesem Albtraum ein Ende zu setzen.

Er startete den Motor und fuhr los, das Herz raste. Es gab so viele Fragen, so viele ungelöste Rätsel. Und die Erkenntnis, dass jemand wieder zuschlug, dass die Verbindung zu Jessica nicht nur ein Zufall war, traf ihn wie ein neuer Schlag. Wer auch immer der Mörder war, er ließ eine Spur hinter sich, die immer dichter und verworrener wurde.

Und Liana? In diesem Moment schien sie weit weg, ein unbestimmtes Gefühl von Verlangen und Schmerz, das er nicht abschütteln konnte. Aber er wusste auch, dass er ihr momentan nicht helfen konnte. Er musste den Mörder finden. Und das bedeutete, sich ganz auf den Fall zu konzentrieren, auch wenn er wusste, dass jeder Schritt ihn weiter von der Wahrheit entfernte – und von ihr. Als Lucas den Tatort erreichte, war der Park bereits von den Ermittlern abgesperrt. Blaulicht spiegelte sich auf dem feuchten Boden, der Regen der letzten Stunden hatte den Asphalt glänzend und glitschig gemacht. Polizisten standen in kleinen Gruppen, einige machten Fotos, andere nahmen Proben, während die Leiche in der Nähe eines abgelegenen Pfades lag, von den Ermittlern sorgfältig abgesichert. Lucas atmete tief durch und zog sich seine Handschuhe an, bevor er auf Markus zuging, der bereits auf ihn wartete.

„Wieder der gleiche Park", sagte Markus mit einem Blick auf den Ort, der sie schon einmal in die Dunkelheit geführt hatte. „Wie beim letzten Mal. Genau hier." Seine Stimme war ruhig, aber Lucas spürte die Spannung in den Worten.

„Gibt es schon mehr?" fragte Lucas, während er sich mit einem prüfenden Blick die Leiche ansah. Es war eine junge Frau, die auf dem Boden lag, offensichtlich nicht mehr am Leben, mit einer Schusswunde, die den Brustkorb durchbohrt hatte. Der Anblick ließ ein unangenehm beklemmendes Gefühl in ihm aufsteigen, doch er versuchte, seine Fassung zu bewahren.

„Die DNA ist bestätigt", sagte Markus und nickte auf den Tatort. „Es ist die gleiche wie bei Jessica. Und auch der Schuss ist direkt – auf den gleichen Weg wie bei ihr. Genau in den Herzbereich."

Lucas sah sich das Bild vor ihm genau an – die Frau, die auf dem Boden lag, regungslos, als wäre sie nur ein weiterer Hinweis, der ihm die Wahrheit immer weiter entglitt. Ein Gefühl der Schwere legte sich auf ihn. „Das ist kein Zufall", murmelte er. „Wer auch immer das tut, der kennt sich aus."

Markus nickte zustimmend. „Da stimmt etwas nicht. Der Täter zieht weiter durch die gleichen Orte, hinterlässt immer mehr Spuren. Entweder fühlt er sich sicher, oder er ist zu arrogant, um aufzugeben."

„Er wartet auf den richtigen Moment", sagte Lucas, mehr zu sich selbst als zu Markus, „aber es wird nicht lange dauern, bis wir ihn finden."

Markus zog eine Grimasse, als er das sagte. „Ich hoffe, du hast recht. Aber weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dieser Fall zieht dich weiter rein, Lucas. Immer weiter."

Lucas sah zu Markus, seine Augen voller Zweifel und Frustration. „Was meinst du damit?"

Markus sah ihn ernst an. „Es geht nicht nur um den Fall, oder? Du bist nicht einfach nur ein Ermittler. Es ist mehr, oder? Liana ist immer noch da, und du lässt dich von ihr beeinflussen. Du musst aufpassen, Lucas. Du bist dir nicht mehr sicher, was du tun sollst, und das ist gefährlich."

Lucas' Magen zog sich zusammen. „Ich... ich weiß nicht, was ich glauben soll, Markus", sagte er, die Worte schwerfällig, als wären sie ihm fremd. „Sie ist in den Fall verwickelt. Aber ich habe auch das Gefühl, dass sie mehr weiß, als sie mir sagt. Und jedes Mal, wenn ich mit ihr spreche, wird alles komplizierter."

„Du bist emotional involviert", sagte Markus nüchtern. „Das ist das Problem. Du bist nicht mehr objektiv. Du siehst in ihr vielleicht mehr, als da ist. Und das ist gefährlich, besonders in einem Fall wie diesem."

Lucas schluckte schwer. Die Worte seines Freundes trafen ihn wie ein Keulenschlag. Es war schwer, den eigenen Standpunkt zu erkennen, wenn der Nebel der Gefühle und der Unsicherheit immer dicker wurde. „Ich weiß, dass ich aufpassen muss. Aber es ist nicht so einfach, Markus. Es gibt Momente, in denen sie mich so überzeugt, dass ich fast selbst daran glaube, dass sie unschuldig ist."

Markus legte eine Hand auf seine Schulter, seine Miene ernst. „Ich verstehe, dass du es schwer hast, Lucas. Aber du musst eine Entscheidung treffen. Du kannst nicht gleichzeitig der Polizist sein, der nach der Wahrheit sucht, und der Mann, der sich in sie verliebt. Du musst dich entweder auf den Fall konzentrieren, oder du lässt sie los. Aber du kannst nicht beides haben."

Lucas atmete tief durch und nickte, aber es fühlte sich wie ein Versprechen an, das er nicht halten konnte. Denn die Wahrheit war, dass er Liana nicht loslassen konnte. Egal, wie sehr er es versuchte, sie war in seinen Gedanken. In seinem Herzen. Und jedes Mal, wenn er glaubte, er könnte sich von ihr entfernen, zog sie ihn tiefer hinein.

„Ich weiß nicht, wie es weitergeht, Markus", sagte Lucas schließlich, und die Verzweiflung in seiner Stimme war kaum zu verbergen. „Aber ich weiß, dass ich noch nicht am Ende bin. Und ich weiß auch, dass ich sie nicht einfach loslassen kann. Nicht jetzt."

„Das wird dich irgendwann umbringen, Lucas", sagte Markus, die Augen fest auf ihn gerichtet. „Du musst lernen, einen Abstand zu wahren, sonst verlierst du alles. Nicht nur den Fall, sondern auch dich selbst."

Der Regen hatte inzwischen wieder eingesetzt, und der Geräuschpegel am Tatort wuchs, als mehr Ermittler eintrafen. Aber in diesem Moment war die Situation für Lucas klarer als je zuvor. Der Fall, die Wahrheit, Liana – alles war miteinander verwoben, und er wusste nicht, wie er sich aus diesem Netz befreien sollte. Aber er musste weitermachen. Er musste die Wahrheit finden. Und vielleicht – nur vielleicht – würde er dabei auch Antworten auf die Fragen finden, die in ihm selbst brannten.
Die Gespräche und Geräusche um Lucas und Markus wurden zunehmend undeutlich, als er wieder auf die Leiche vor ihm starrte. Der Regen prasselte nun stärker, und die erleuchteten Bereiche des Parks wurden von der Dämmerung überflutet. Lucas fühlte sich irgendwie entrückt – als ob er sich im Moment verlor und alles um ihn herum nur eine dunkle, unaufhörliche Bewegung war.

Markus bemerkte die Veränderung in Lucas' Haltung. Er wusste, dass sein Freund sich in diesem Moment sowohl mit der Tat als auch mit dem inneren Konflikt, den er mit Liana hatte, auseinandersetzte. „Du musst jetzt stark bleiben, Lucas. Du bist der Ermittler, der hier alles zusammenhalten muss", sagte Markus, seine Stimme klang wie ein sanfter, aber bestimmender Befehl.

Lucas nickte, schüttelte dann jedoch den Kopf, als würde er sich selbst wieder aus einem trüben Gedankenrausch befreien. „Ich muss wissen, wer sie ist", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu Markus. „Diese Frau... sie muss etwas wissen, warum sie jetzt hier liegt. Und warum sie genau auf die gleiche Weise ermordet wurde wie Jessica."

„Ich verstehe", sagte Markus und schien einen Schritt zurückzutreten, um dem Fall eine gewisse Distanz zu geben. „Aber was, wenn das hier der Beginn von etwas viel Größerem ist, Lucas? Was, wenn der Täter mit jedem Mord etwas will? Du musst den Zusammenhang zwischen den Opfern finden. Und wenn du unschuldig in der Sache von Liana verstrickt bist, dann wird es immer schwieriger werden, klar zu sehen."

„Ich weiß", antwortete Lucas mit einem verzweifelten Blick. „Aber es gibt etwas, das mir in diesem Fall nicht aus dem Kopf geht. Immer, wenn ich mich von Liana entferne, fühle ich mich irgendwie... weiter weg von der Wahrheit. Als ob etwas von ihr mir Hinweise gibt, die ich noch nicht verstehe."

Markus seufzte, drehte sich zur Seite und schüttelte dann nachdenklich den Kopf. „Du bist in einer verdammt schwierigen Lage, das weiß ich. Aber Liana ist keine Lösung für diesen Fall, Lucas. Du musst dich fragen, ob du ihr Vertrauen wichtiger nimmst als das, was du hier zu tun hast."

Der Regen prasselte in diesem Moment stärker gegen die Bäume, der Wind wehte unruhig und ließ die Blätter rascheln. Doch inmitten des Sturms und des Mysteriums um die Leiche vor ihnen blieb Lucas' Blick fest. „Ich kann nicht aufhören, nach ihr zu suchen. Ich kann nicht... sie einfach als Verdächtige abstempeln, nicht wenn es so viele Lücken gibt."

„Du hast einen Job, Lucas", sagte Markus ruhig und sah ihn dabei genau an. „Und du weißt es, was du tun musst. Deine Aufgabe ist es, den Mörder zu finden, und du kannst das nur tun, wenn du dich auf den Fall konzentrierst. Liana ist ein Teil davon, ja. Aber sie kann nicht deine einzige Antriebskraft sein. Du musst den Täter finden, bevor er wieder zuschlägt."

Lucas blickte wieder auf den Tatort. Die Leiche, die er jetzt näher betrachtete, erinnerte ihn schmerzlich an Jessica. Die gleichen Umstände. Der gleiche, präzise Schuss. Es war fast, als ob der Mörder sich mit jedem Mord mehr und mehr einprägen wollte, als ob er Lucas zu einer Antwort zwingen wollte. Der Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken.

„Vielleicht gibt es noch mehr, als wir wissen", sagte er plötzlich und drehte sich zu Markus. „Vielleicht ist der Mörder nicht nur auf diese Frauen aus. Vielleicht gibt es einen größeren Plan, den wir übersehen. Und was, wenn Liana ein Teil davon ist, ohne es zu wissen? Was, wenn sie in etwas hineingeraten ist, das wir noch nicht verstehen?"

„Das ist möglich", sagte Markus nachdenklich. „Aber wir müssen zuerst wissen, warum er immer wieder in denselben Park kommt. Was verbindet die Opfer? Was gibt es, das diesen Täter immer wieder an diesen Ort zieht?"

Lucas schloss kurz die Augen und versuchte, die Gedanken zu ordnen. Der Drang, Antworten zu finden, war stärker als alles andere. „Ich muss weiter untersuchen. Vielleicht gibt es noch etwas in ihrem Umfeld, das wir übersehen haben. Vielleicht in der Vergangenheit."

„Du hast recht, wir müssen uns den Kontext ansehen", sagte Markus und nickte. „Aber Lucas... denk dran, was ich gesagt habe. Du bist dabei, in die Dunkelheit zu stürzen, und es wird immer schwieriger, sich herauszuziehen. Liana wird dich weiter verwirren, je tiefer du in ihren Fall eintauchst."

„Ich weiß, Markus", sagte Lucas und seine Stimme war schwer. „Aber ich kann nicht einfach aufhören zu suchen. Nicht jetzt."

Markus sagte nichts mehr, sondern drehte sich um und ging zu den Ermittlern, die weitere Details sammelten. Lucas blieb stehen, starrte auf die Leiche und dachte an alles, was er bisher über den Fall wusste. Doch der Gedanke an Liana blieb, wie ein Schatten, der ihn stets verfolgte.

Er wusste, dass er sich entscheiden musste. Die Wahrheit zu finden bedeutete, einen Weg durch das Dickicht der Geheimnisse zu bahnen. Und wenn Liana tatsächlich mehr wusste, dann würde er diese Wahrheit aufdecken. Aber je mehr er sich dieser Wahrheit näherte, desto mehr begann er zu verstehen, dass es nicht nur um den Mörder ging. Es ging um viel mehr.

Er drehte sich schließlich um und ging mit entschlossenem Schritt zu den anderen Ermittlern. Aber in seinem Inneren wusste er, dass diese Nacht noch lange nicht zu Ende war – und er noch lange nicht wusste, wohin der Weg ihn führen würde. Lucas saß still in seinem Auto, die Regenschauer prasselten gegen die Windschutzscheibe, als er langsam den Friedhof entlangfuhr. Die Graffiti des Lebens – die dunklen Wolken am Himmel, das Gedröhn des Regens, das gleichmäßige Tropfen – schienen ihn in eine andere Welt zu ziehen. Eine Welt, die so still war, dass er fast den Puls seines eigenen Herzens hörte. Der Friedhof war leer, die Wege schlammig, doch in der Stille fühlte er sich irgendwie zu Hause.

Er parkte den Wagen und stieg aus, den Regen ignorierend, während er sich den Hügel hinauf bewegte, wo das Grab seiner Mutter stand. Es war nicht das erste Mal, dass er hier war, aber heute war es anders. Heute fühlte er sich von der Dunkelheit des Falls und der Last des Verwirrten, das er mit sich trug, erdrückt. Etwas in ihm hatte das Gefühl, dass er hier, an diesem Ort der Ruhe, wenigstens eine Antwort finden würde.

Das Grab war schlicht, die Inschrift der Steintafel war abgeblättert, aber er wusste, was darauf stand: „Für immer in unseren Herzen. Maria Köhler – eine Mutter, eine Heldin."

Er senkte den Kopf und trat näher, die kalte Erde unter seinen Füßen fühlte sich wie eine Erinnerung an die Vergeblichkeit der Zeit an. Lucas kniete sich nieder, legte seine Hand auf den nassen Stein und schloss die Augen.

„Du hast mir nie erzählt, wie schwer es für dich war, nicht wahr?", flüsterte er. „Du hast immer so getan, als ob alles in Ordnung wäre, als ob du keine Last trägst. Du hast nie etwas von deinen Ängsten oder deinen Kämpfen erzählt, und ich... ich wusste nie, wie ich dir helfen konnte."

Er atmete tief ein und schaute nach oben, als würde er in die dunklen Wolken hinaufsehen, als hoffte er, dass sie ihm eine Antwort geben könnten. Doch der Himmel war grau, trüb, und es gab keine Antwort, nur das unaufhörliche Tropfen des Regens.

„Ich habe immer geglaubt, dass ich stärker bin, dass ich dir helfen kann. Aber... jetzt fühle ich mich so verloren. Dieser Fall, er holt mich ein. Ich verliere mich in all den Lügen, all den Verstrickungen." Lucas kämpfte mit den Worten, als ob sie ihm nicht ausreichten, um das zu erklären, was in ihm vorging. „Jessica, diese Frau... sie ist tot. Und ich glaube nicht, dass Liana damit zu tun hat, aber... ich weiß nicht, ob ich ihr vertrauen kann. Und dann frage ich mich: Warum fühlt es sich an, als ob alles auf mich abzielt? Warum... warum komme ich nicht klar?"

Seine Stimme zitterte, als er fortfuhr. „Du hättest nie gewollt, dass ich in dieses Dunkel hinabtauche, oder? Aber es ist wie ein Strudel, der mich immer tiefer zieht. Und ich kann nicht mehr klar sehen. Ich weiß nicht mehr, was wahr ist und was nicht."

Er stand langsam auf, seine Hand immer noch auf dem Grabstein, und sah sich die Umgebung an. Der Regen hatte nachgelassen, und der Wind ließ die Bäume leise rauschen. Lucas blickte zum Horizont, als ob er auf eine Antwort wartete, doch der Blick auf das Grab ließ die Gedanken in ihm wirbelnd kreisen.

„Ich wünschte, du wärst hier, um mir zu sagen, was zu tun ist. Wünschte, du könntest mir sagen, ob ich auf dem richtigen Weg bin oder ob ich dabei bin, alles zu verlieren", murmelte er, die Worte in den Wind sprechend. „Aber ich weiß, dass ich das alleine herausfinden muss."

Er zog eine tiefe, fast verzweifelte Atemzug und fühlte sich, als würde ein Teil von ihm mit jeder Silbe, die er aussprach, Stück für Stück zurückkehren. „Vielleicht gibt es keine einfache Antwort. Vielleicht sind die Dinge einfach so, wie sie sind – dunkel, verwirrend und voller Fragen."

Lucas kniete sich wieder nieder, legte ein kleines, frisches Blumenarrangement auf das Grab und flüsterte ein letztes „Ich liebe dich, Mama". Der Regen begann wieder, als würde der Himmel ihn auf diese Weise trösten.

„Ich werde das durchziehen. Ich werde die Antworten finden. Für dich. Für mich."

Mit einem letzten Blick auf das Grab stand er auf, drehte sich um und ging den Hügel hinunter zurück zu seinem Auto. Doch in diesem Moment hatte er das Gefühl, als ob die Last ein kleines bisschen leichter geworden wäre. Vielleicht hatte er keine klare Antwort bekommen, aber der Moment des Innehaltens, des Erinnerns an das, was wirklich wichtig war, hatte ihm zumindest etwas Klarheit gegeben.

Er wusste, dass er seinen eigenen Weg finden musste. Egal wie dunkel er war.

Kill me BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt