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Der Nebel legte sich dicht und schwer auf den verlassenen Park, als wäre er eigens herbeigerufen worden, um alles in einem tristen, undurchdringlichen Grau zu ertränken. Er kroch wie ein stiller Fluss über die gewundenen Wege, verschlang die verwitterten Bänke und die kahlen Bäume, deren Äste wie skelettierte Finger in die kalte, nachtdunkle Leere ragten. Das schwache Licht der wenigen Laternen kämpfte vergeblich gegen die Düsternis an, kaum mehr als matte, zitternde Flecken in einem endlosen, grauen Meer.

Ein eisiger Wind fuhr durch die entlaubten Äste, ließ sie leise knarren und erzeugte ein kühles Flüstern, das sich durch die Dunkelheit zog. Zwischen den Bäumen und dem dichten Nebel erschien eine einzelne Gestalt, gehüllt in einen langen Mantel, den Kragen hochgeschlagen, die Hände tief in den Taschen vergraben. Die Schritte hallten gedämpft auf dem weichen, feuchten Erdboden, jeder Tritt klang seltsam fern, beinahe geisterhaft. Unter dem dichten Mantel war eine Hand um den kalten, glatten Griff einer Waffe geschlossen – ihre Präsenz war spürbar, ein Gewicht, das nicht nur in der Tasche lastete, sondern auch auf der Seele der Gestalt.

Dann, in der Ferne, auf einem schmalen Pfad, tauchte eine zweite Gestalt auf. Eine Frau, allein im Nebel, die in Gedanken versunken wirkte, fast verloren, wie eine schwebende Illusion. Ihre Silhouette war sanft, weich umrissen vom diffusen Laternenlicht, die Hand schützend auf ihrem Bauch ruhend, als wollte sie das Leben in sich behüten. Zunächst bemerkte sie die näherrückende Gestalt nicht; die Stille der Nacht schien sie fest im Griff zu halten, ihre Augen waren auf den Boden gerichtet, tief in das, was sie beschäftigte, versunken.

Doch schließlich hob sie den Kopf, als die Schritte näher kamen. Ein Hauch eines Lächelns lag auf ihren Lippen, als würde das Erscheinen des Fremden, selbst hier, im dichten Nebel und inmitten der Kälte, ihr ein Stückchen vertraute Wärme bringen. Sie trat einen Schritt nach vorn, fast so, als erwartete sie ihn, als wäre das eine lange geplante Begegnung, die sie beruhigte.

„Was machst du hier?" Ihre Stimme war leise, ein sanfter, warmer Laut inmitten der kalten Luft, die sofort alles zu verschlucken schien. Ein Funken Freude schwang in ihrer Frage mit, doch auch eine Ahnung von Unsicherheit. Sie war sich der Antwort noch nicht sicher, und ihr zarter Lächeln verriet, dass sie irgendetwas anderes erhofft hatte.

Doch die Gestalt im Mantel blieb stumm. Ihre Hände blieben tief in den Taschen vergraben, das Gesicht blieb im Schatten verborgen. Eine eigenartige Kälte strömte von ihm aus, und die Frau begann zu begreifen, dass etwas nicht stimmte. Das Lächeln verschwand von ihren Lippen, und ihre Augen suchten vergeblich nach einem Zeichen von Vertrautheit oder Trost im Ausdruck des Fremden, doch fanden nur Leere.

Langsam zog er eine Hand aus der Manteltasche – und mit ihr eine Waffe. Der kalte Stahl glänzte im schwachen Licht, und der Nebel schien sich darum zu verdichten, als wollte er dieses Bild verschleiern, es verbergen. Ein kalter Schauer durchlief ihren Körper. Ein Zittern lag in ihren Händen, als sie instinktiv einen Schritt zurückwich, die Hand noch immer schützend auf ihren Bauch gepresst, als könnte sie mit dieser einfachen Geste alles Unheil abwenden.

„Bitte..." Ihre Stimme, die zuvor noch sanft und ruhig geklungen hatte, war jetzt kaum mehr als ein Flüstern, von Angst und Verzweiflung erstickt. Ihre Augen suchten das Gesicht des Fremden, suchten nach einem Grund, nach einem Zeichen, dass dies alles nur ein schrecklicher Irrtum war. Aber er sagte kein Wort, zeigte kein Zögern. Seine Hand war ruhig, fest und kalt – wie die Waffe, die er hielt.

Der Moment schien sich in die Länge zu ziehen, eine Ewigkeit des Schweigens, in der nur die unheimliche, eisige Stille um sie herum existierte. Dann drückte er ab. Ein Schuss hallte durch die Nacht, ein donnerndes Krachen, das die Kälte und die Stille zerriss, ein unerwarteter, ohrenbetäubender Klang, der sich in die Dunkelheit fraß und langsam im Nebel verhallte.

Die Kugel traf die Frau mitten in die Brust. Sie keuchte auf, ihre Augen weiteten sich, und sie taumelte zurück, wie von einer unsichtbaren Kraft gestoßen. Ihre Hand glitt von ihrem Bauch zu der klaffenden Wunde, wo das Blut begann, in einem stetigen Strom hervorzusickern. Dunkelrot färbte es den Stoff ihres Mantels, rann in einem unaufhaltsamen Fluss über ihre Finger und tropfte schwer auf den feuchten Boden, wo es sich in kleinen Pfützen sammelte, die das Laub rot und klebrig färbten.

Ihre Knie gaben nach, und sie sank langsam zu Boden, wie in Zeitlupe, jeder ihrer Bewegungen schien von der schweren, erdrückenden Realität der Wunde erstickt. Ihr Atem ging flach und stoßweise, und ihre Lippen bebten, als wollte sie noch etwas sagen, einen letzten Gedanken in Worte fassen. Doch die Dunkelheit und der Schmerz raubten ihr die Stimme, und es blieb nur ein leises, gebrochenes Keuchen, ein letzter verzweifelter Versuch, das Unvermeidliche abzuwehren.

Der Fremde trat näher, sein Blick blieb auf sie gerichtet, während sie in seinen Augen nach einem Funken Menschlichkeit suchte, etwas, das ihre Angst lindern könnte. Aber da war nichts – nur Kälte und eine entsetzliche, unerbittliche Leere. Der Nebel legte sich um sie, als würde er sie trösten, als würde er ihren letzten Moment für sich allein beanspruchen.

Langsam richtete sich die Gestalt auf, ein stiller Schatten im nächtlichen Park, und steckte die Waffe zurück in die Manteltasche. Die Kälte des Stahls strahlte noch Wärme aus, das Echo des Schusses, das in seinen Fingerspitzen vibrierte. Einen Moment lang sah er noch auf den leblosen Körper der Frau hinab, ihre Augen waren weit geöffnet, leer und ins Nichts starrend, als könnte ihr Geist noch immer nicht fassen, was geschehen war.

Der Nebel umhüllte die Szene und zog sich immer dichter zusammen, schluckte die letzten Spuren des Geschehenen und verbarg das dunkle Blut, das sich wie ein sickernder Fleck auf dem Boden ausbreitete, bis es beinahe unsichtbar im nassen Laub verschwand. Ohne eine Regung wandte der Fremde sich schließlich ab und ließ die Frau und die Spuren seiner Tat im Nebel zurück, wo alles im endlosen Grau der Nacht verloren ging.

Kill me BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt