Liana fuhr wieder los, das Motorrad brüllte auf und der Regen prasselte wie ein unaufhörlicher Vorhang auf sie nieder. Sie hatte die Informationen, die sie brauchte, aber sie konnte die Uneindeutigkeit und das Gefühl der Bedrohung, das Marco ihr hinterlassen hatte, nicht abschütteln. Ihr Kopf war ein einziges Rauschen aus Bildern, Gedanken und Fragen. Was hatte Marco genau gemeint? Und was wusste Lucas über die Dunkelheit, die sich um sie zusammenzog?
Als sie in die Straßen der Stadt zurückkehrte, schien die Nacht selbst sie zu umhüllen. Die Lichter der Stadt verschwammen in der Ferne, und die vertrauten, abgelegenen Gassen wirkten plötzlich fremd und bedrohlich. Liana beschleunigte den Gasgriff. Wenn sie noch eine Chance haben wollte, musste sie Lucas erreichen, bevor es zu spät war.
Das Motorrad schnitt durch die nassen Straßen, und schließlich erreichte sie Lucas' Wohnung. Sie parkte das Motorrad vor dem Gebäude und zog sich den Helm ab. Ihr Blick war kühl, entschlossen, aber ihre Gedanken wirbelten. Warum war Lucas' Name in dem Ordner? Warum hatte Marco ihn erwähnt? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: Sie musste mit ihm sprechen.
Der Regen peitschte weiter, als sie die Stufen hinaufstieg und an der Tür zu seiner Wohnung klopfte. Sie hörte leise Schritte, dann öffnete sich die Tür. Lucas stand in einem einfachen T-Shirt und Jeans vor ihr, seine Augen weiteten sich, als er sie sah. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war eine Mischung aus Überraschung und Besorgnis.
„Liana?" sagte er, und seine Stimme hatte einen Hauch von Besorgnis, den sie noch nie zuvor gehört hatte. „Was machst du hier?"
„Wir müssen reden", antwortete sie, ohne ihn noch weiter zu schonen. „Es geht um die Nachricht, die mir zugeschickt wurde. Und um das, was du und ich wirklich miteinander zu tun haben."
Lucas' Blick wurde schärfer, als er die Entschlossenheit in ihrer Stimme bemerkte. Er trat zur Seite, um sie hereinzulassen. „Komm rein. Wir müssen uns setzen und das durchgehen. Es gibt Dinge, die du wissen musst."
Liana trat in die Wohnung, der Geruch von Zigarettenrauch und Kaffeebohnen füllte die Luft. Lucas wies auf das Sofa, während er sich selbst auf den Sessel setzte. Sie ließ sich auf das Sofa nieder, ihre Augen fixierten ihn, als sie darauf wartete, dass er sprach. Sie spürte, dass der Moment gekommen war, an dem alles, was sie geglaubt hatte, in Frage gestellt werden konnte.
„Ich weiß, dass du viel über mich denkst", begann Lucas, seine Stimme ruhig, aber mit einer gewissen Schwere. „Aber ich bin nicht der Mann, den du dir vorstellst, Liana. Und ich weiß, dass du hier bist, weil du etwas herausfinden willst, das du nicht weißt."
Liana blieb still, ihre Augen auf ihn gerichtet. „Du hast recht", sagte sie schließlich. „Es geht um die Nachricht. Ich weiß nicht, warum du involviert bist, aber jemand hat meinen Namen genannt. Deine, auch."
Lucas zog die Augenbrauen hoch, und seine Miene veränderte sich von einem neutralen Gesichtsausdruck zu einer ernsten Maske. „Wer hat das getan?"
„Marco", sagte sie schlicht. „Er hat mir gesagt, dass ich niemandem vertrauen darf. Nicht einmal dir."
Für einen Moment herrschte Stille. Lucas lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, als ob er nach den richtigen Worten suchte, die er ihr sagen konnte. „Liana", begann er dann, „du hast keine Ahnung, wie tief dieser Dreck geht. Alles, was du über mich zu wissen glaubst, ist Teil einer größeren Geschichte. Und du bist jetzt ein Teil davon."
Liana schnaubte leise. „Ich habe mit vielen Leuten in meiner Karriere zu tun gehabt, Lucas, aber was du mir hier sagst, macht keinen Sinn. Was ist wirklich los?"
Lucas' Augen verengten sich. „Du bist in Gefahr. Und du bist nicht nur ein Opfer in diesem Spiel. Du bist ein Stück auf dem Schachbrett von Leuten, die weit über uns hinaus spielen. Und ich... ich habe mich in etwas verwickeln lassen, das ich nicht mehr kontrollieren kann."
Er stand auf und trat zum Fenster, starrte hinaus, als ob er überlegte, wie er die Worte formen sollte, die zu schwer für ihn schienen. „Ich bin ein Polizist, Liana. Aber nicht nur das. Ich habe Informationen, von denen du nie etwas erfahren solltest. Und jetzt sind wir beide in etwas verstrickt, das größer ist, als du und ich. Du wirst nicht mehr einfach entkommen können."
Liana sah ihn an, ihre Hand fest um das Messer in ihrer Tasche. Sie hatte das Gefühl, dass sie am Rand eines Abgrunds stand. Der Mann, dem sie vertraut hatte, war in einem Netz von Lügen und Geheimnissen gefangen. Vielleicht war sie es auch. Ihre Gedanken rasten, und dann sprach sie leise, aber bestimmt: „Wie kann ich dir noch vertrauen, Lucas? Wie soll ich wissen, dass du nicht einfach nur ein weiteres Spiel spielst?"
Er drehte sich zu ihr, und in seinen Augen war eine Entschlossenheit zu sehen, die sie noch nie zuvor bemerkt hatte. „Weil du keine andere Wahl hast. Wir müssen zusammenarbeiten, wenn wir überleben wollen."
Liana atmete tief ein, dann stand sie auf. Sie wusste, dass sie keine Zeit mehr verlieren konnte. Der Regen draußen wurde noch stärker, als sie ihm zusah. Ihre Verbindung, so komplex und gefährlich sie auch war, musste fortbestehen. Und irgendwo, in all den Rätseln und Geheimnissen, musste die Wahrheit liegen.
„Gut", sagte sie schließlich. „Also was ist der nächste Schritt?"
Lucas' Blick verhärtete sich, als er einen Moment nachdachte, dann trat er zu dem Tisch und holte eine Akte heraus, die er schnell auf den Tisch legte. „Wir müssen uns mit den Leuten befassen, die all das kontrollieren. Es sind nicht nur die üblichen Verdächtigen. Sie sind viel tiefer verwoben, als du denkst. Ich habe Zugriff auf einige Informationen, die mir nicht gefallen, und jetzt weiß ich, dass du auch ein Teil des Spiels bist. Aber du hast keine Ahnung, wer wirklich hinter dem Ganzen steckt. Es geht viel weiter."
Liana trat näher und blickte auf die Akte. Ihre Hand strich über das Papier, und der Name, der oben stand, ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen. „Der Schatten". Es war der Name einer der gefährlichsten Organisationen, mit denen sie je zu tun gehabt hatte – eine Gruppe von Menschen, die die Fäden im Hintergrund zogen, unbemerkt, unerkannt. Sie hatte immer davon gehört, aber nie geglaubt, dass sie jemals wirklich damit in Berührung kommen würde.
„Der Schatten..." flüsterte Liana, ihre Augen verengten sich. „Ich dachte, die wären nur ein Mythos. Eine Legende, die von den Leuten erzählt wird, die Angst haben."
Lucas nickte düster. „Sie sind real. Und sie sind gefährlich. Ich habe Informationen, dass sie hinter der Nachricht stecken, die du erhalten hast. Sie wissen alles über dich, Liana. Und über mich. Sie haben mich in dieses Spiel gezogen, und du... du bist die nächste Zielscheibe."
Die Worte hallten durch den Raum, und für einen Moment war es, als ob die Luft dicker wurde. Liana spürte die Kälte, die in ihr aufstieg. Warum hatte sie nicht schon früher bemerkt, dass sie beobachtet wurde?
„Was wollen sie von mir?" fragte sie, ihre Stimme jetzt eisig und bestimmt.
„Das ist noch unklar", antwortete Lucas, seine Miene ernst. „Aber ich weiß, dass es etwas zu tun hat mit den Morden, mit der ganzen Aufdeckung von Geheimnissen, die tief unter der Oberfläche dieser Stadt liegen. Sie haben dich ins Visier genommen, weil du Informationen besitzt, die sie brauchen. Du weißt Dinge, Liana. Und sie wollen, dass du mitspielst."
„Ich habe nie mit denen gespielt, Lucas", sagte sie scharf und sah ihn an. „Ich tue, was ich tun muss, um zu überleben. Und ich werde nicht zulassen, dass sie mir das nehmen."
„Genau das ist das Problem", sagte Lucas, seine Stimme leise, aber voller Entschlossenheit. „Wir können es nicht alleine tun. Du kannst es nicht alleine tun. Wenn wir jetzt nicht zusammenarbeiten, wird es niemanden mehr geben, dem du vertrauen kannst. Du hast dir Feinde gemacht, die keine Gnade kennen."
Liana schüttelte den Kopf, als ob sie die Worte nicht ganz fassen konnte. Es war zu viel, zu schnell. „Was schlägst du vor?"
Lucas trat einen Schritt näher, seine Augen suchten die ihren. „Wir müssen einen Plan machen. Wir müssen wissen, wer genau hinter all dem steckt und was sie wirklich wollen. Wenn wir das herausfinden, können wir sie stoppen, bevor sie uns beide vernichten."
Liana atmete tief ein, dann nickte sie, als die Realität der Situation auf sie einwirkte. „Du hast recht. Aber ich vertraue dir nur so weit, wie ich muss, Lucas. Versteh das."
„Ich weiß", antwortete er, seine Stimme leise. „Ich hoffe, das reicht."
Ein unbehagliches Schweigen legte sich über sie, bis Liana schließlich die Akte vom Tisch nahm und sie durchblätterte. Sie war entschlossen, alles herauszufinden. Nichts, was sie bisher getan hatte, hatte sie so aufgewühlt wie dieser Moment. In all den Jahren hatte sie nie wirklich daran geglaubt, dass sie einmal zwischen den Fäden eines so gefährlichen Spiels stecken würde.
„Du solltest dich vorbereiten", sagte Lucas nach einer Weile. „Wenn der Schatten in deinem Leben auftaucht, dann weißt du, dass du nicht sicher bist. Sie sind überall."
„Ich habe nie geglaubt, dass ich sicher bin", sagte Liana, ihre Stimme ruhig, als sie die Akte wieder auf den Tisch legte. „Aber das ändert nichts daran, dass ich am Leben bleiben werde."
Lucas trat an das Fenster und starrte hinaus. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die kommen. Und wenn sie uns erwischen, ist es vorbei."
„Und wenn wir sie zuerst erwischen?" fragte Liana mit einem kalten Lächeln. „Dann wird das Spiel zu unseren Bedingungen gespielt."
„Das ist der Plan", murmelte Lucas und blickte wieder zu ihr. „Es ist alles ein Spiel, Liana. Nur diesmal sind wir die, die die Regeln bestimmen."
Liana trat zur Tür. „Dann lass uns spielen."
Sie verließ das Zimmer, das knarrende Geräusch der Tür hinter sich hallte in der Dunkelheit wider. Der Regen war jetzt weniger geworden, doch der Wind peitschte ihr ins Gesicht, als sie wieder auf das Motorrad stieg. Die Informationen, die sie nun hatte, könnten der Schlüssel zum Überleben sein – aber der Preis dafür war hoch. Und in einer Welt, in der es keine Loyalität gab, war ihr einziges Ziel klar: Rache und Kontrolle. Wer auch immer der Schatten war, sie würde es herausfinden. Und sie würde dafür sorgen, dass er für seine Fehler bezahlte.
Ihre Reise war noch lange nicht zu Ende. Sie hatte keine Zeit zu verlieren, und sie würde keine Gnade kennen.
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Kill me Baby
RomanceLucas, ein engagierter Polizist, ist auf der Suche nach Antworten in einem mysteriösen Mordfall, der ihm Rätsel aufgibt. Eine schwangere Frau wurde getötet, und die Umstände deuten zunächst auf die gefährliche Auftragsmörderin Liana hin, die bereits...