Mit klopfendem Herzen kehrte ich zurück ins Haus. Das Gewicht der Begegnung draußen lastete noch auf mir, aber ich zwang mich, ruhig zu wirken, als ich mich wieder an den Tisch neben Fabio setzte.
„Wirklich alles in Ordnung?“ raunte er mir zu, während er sich zu mir herüber beugte. Seine Augen waren prüfend, fast schon besorgt.
„Später,“ antwortete ich leise, bemüht, meine Stimme gleichmäßig zu halten. Jetzt war nicht der richtige Moment, um von dem mysteriösen Mann und dem Flüstern zu erzählen.
Fabio schien nicht überzeugt, ließ das Thema jedoch fallen. Stattdessen wandte er sich wieder dem Spiel zu. „Na schön, Cassy. Dein Zug. Zeig uns, was du kannst!“
Ich versuchte, mich auf das Spiel vor mir zu konzentrieren, doch meine Gedanken schweiften immer wieder zu der Begegnung draußen. Wer war dieser Mann gewesen? Was meinte er damit, dass ich nicht hier sein dürfte? Und warum schien es, als hätte nur ich ihn wahrgenommen?
Die anderen lachten und unterhielten sich, während sie ihre nächsten Züge planten. Die lockere Atmosphäre half mir schließlich, den Fokus zurück auf das Spiel zu lenken.
Nach einer Weile bemerkte ich, dass ich tatsächlich besser wurde. Ich begann, die Regeln zu durchschauen und Strategien zu entwickeln. Fabio gab mir immer wieder Tipps, während Lira mich herausfordernd ansah und mich so in ihren Zügen unter Druck setzte.
Dann geschah es: Ich gewann eine Runde.
„Ha!“ rief ich überrascht und triumphierend, als meine letzte Karte die anderen ausstach.
Lira hob überrascht eine Augenbraue. „Na, na, unsere Anfängerin legt ja ganz schön vor.“
Fabio klatschte begeistert in die Hände. „Cassy, das war großartig! Aber ich wette, wir haben dir das ein bisschen zu leicht gemacht.“
„Ach was,“ schnaubte ich. „Das war reine Strategie und Können.“
Die anderen lachten, und für einen Moment vergaß ich die dunkle Begegnung von vorhin. Es war fast wie ein Hauch von Normalität in dieser fremdartigen Welt.
„Peer, erzähl doch von deiner Arbeit als Sandmeister bei Zeke. Cassy interessiert das sicherlich sehr,“ forderte Fabio ihn auf, mit einem schelmischen Grinsen, das andeutete, dass er mehr über Zeke aus mir herauslocken wollte.
Peer, ein freundlicher Mann mit sanften Augen und einem ruhigen Auftreten, lehnte sich zurück und musterte mich. „Du bist also wirklich nicht von hier,“ sagte er, eher eine Feststellung als eine Frage. „Hast du ihn schon einmal gesehen?“
„Zeke? Nein,“ antwortete ich und schüttelte den Kopf. „Nur ziemlich viel gehört.“
Peer lachte leise. „Das glaube ich sofort. Es gibt so viele Geschichten über ihn. Die meisten stimmen nicht, aber das macht sie nicht weniger spannend.“
„Und was machst du genau?“ fragte ich neugierig.
„Ich stelle den Traumsand her,“ erklärte Peer. „Der Sand, den Zeke braucht, um Träume zu erschaffen oder zu kontrollieren. Es ist eine komplizierte Arbeit, weil jede Art von Sand anders ist – für Tagträume, Albträume, vergessene Träume... Aber wenn man den Rhythmus einmal raus hat, ist es fast schon meditativ.“
„Wow,“ staunte ich. „Das klingt unglaublich.“
Peer lächelte bescheiden. „Es ist eine Ehre, für den Sandmann zu arbeiten. Er hat unsere Welt erschaffen, weißt du? Ohne ihn gäbe es keinen von uns. Kein Fabio, keine Lira, keine Träume. Es ist schwer zu erklären, aber alles, was wir sind, hat irgendwo mit Zeke zu tun.“
„Empfängt Zeke eigentlich Besuch?“ warf Fabio plötzlich ein, mit einem Ton, der so beiläufig klang, dass es fast auffällig war.
„Fabio!“ zischte Lira und warf ihm einen scharfen Blick zu.
Peer schien belustigt. „Zeke und Besuch? Wie kommst du darauf?“
„Wegen der Geschichten, wie du sagtest,“ antwortete Fabio schulterzuckend. „Ist er wirklich so ein Einzelgänger?“
Peer legte den Kopf schief und dachte kurz nach. „So oft sehe ich ihn nun auch nicht. Aber ich schätze, das ist eine der Geschichten, die tatsächlich wahr sind. Zeke lebt allein, das weiß ich. Und ich habe noch nie jemanden bei ihm gesehen – jedenfalls niemanden, der länger blieb.“
„Warum?“ fragte ich leise, meine Neugier geweckt.
„Ich glaube, das liegt einfach in seiner Natur,“ überlegte Peer. „Er ist der Sandmann. Er existiert nicht, um Verbindungen zu knüpfen, sondern um unsere Welt zusammenzuhalten. Das ist eine schwere Last, und vielleicht trägt man sie am besten allein.“
Seine Worte hinterließen eine gewisse Schwere, und ich spürte, wie eine unheimliche Mischung aus Neugier und Ehrfurcht in mir wuchs. Wer war Zeke wirklich? Und würde ich ihm jemals gegenüberstehen?
Der Abend verging wie im Flug. Wir lachten, spielten weiter, und ich vergaß für eine Weile die Sorgen, die mich in diese seltsame Welt gebracht hatten. Doch irgendwann merkte ich, wie meine Augenlider schwer wurden. Fabio, der meinen Zustand sofort bemerkte, beugte sich zu mir herüber.
„Du wirst müde, oder?“ fragte er.
Ich nickte. „Ja, ein bisschen.“
„Dann komm, du kannst bei mir schlafen,“ bot er an.
„Oh nein, das will ich wirklich nicht,“ begann ich, doch Fabio winkte ab.
„Unsinn! Außerdem ist das eine großartige Gelegenheit, dir mein Bett zu zeigen.“
„Dein Bett?“ fragte ich lachend.
„Ja,“ erklärte Fabio mit einem stolzen Grinsen. „Wir Träume schlafen nicht, aber ich habe mir extra ein Bett anfertigen lassen – weißt du, einfach, um zu wissen, wie es ist, darin zu liegen. Man muss doch alles mal ausprobieren, oder?“
Ich konnte nicht anders, als laut zu lachen. „Das ist so verrückt!“
„Hey, ich bin ein Traum. Verrückt ist mein Job,“ konterte Fabio spielerisch, bevor er aufstand und mir half, meine Sachen zu nehmen.
Fabios Zuhause war genauso ungewöhnlich wie er selbst. Es war eine kleine Wohnung über einem der Geschäfte in der Stadt, mit verspielten Zahnrädern, die sich an den Wänden drehten, und schwebenden Lampen, die das Zimmer in warmes Licht tauchten. Das Bett, auf das er so stolz war, stand in einer Ecke – ein großes, gemütliches Ding mit Kissen in allen Formen und Größen.
„Bitte, dein Schloss für die Nacht,“ verkündete Fabio mit einer übertriebenen Verbeugung.
Ich setzte mich auf die Matratze und musste zugeben, dass sie unglaublich bequem war. „Ich glaube, du hast gut investiert,“ sagte ich schmunzelnd.
„Ich wusste es,“ grinste er. „Also, schlaf gut, Cassy. Morgen beginnt ein neuer Tag, und wir müssen uns auf den Weg machen.“
„Danke, Fabio,“ sagte ich leise.
„Keine Ursache. Vergiss nicht, ich bin ein Tagtraum – ich bin für die guten Dinge da,“ antwortete er, bevor er sich in einen anderen Raum zurückzog.
Ich legte mich hin und schloss die Augen. Trotz der fremden Umgebung fühlte ich mich sicher. Das rhythmische Ticken der Stadt war wie ein beruhigender Herzschlag, und schon bald war ich eingeschlafen.
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Achtsman jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FF
FanfictionKeine Panik, Leute - das hier wird kein Buch über Achtsamkeit. Ich weiß, der Titel klingt, als ob gleich Meditations-Tipps und Rezepte für Smoothies folgen würden. Keine Sorge, hab selbst keine Ahnung von dem Zeug. Aber irgendeinen Titel musste das...