Träumerei

35 3 1
                                    

Pov Fips

Ich ließ mich mit einem tiefen Seufzen auf einen der zerschlissenen Sessel im Hotel fallen und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Armlehne. „Das gibt’s doch nicht,“ murrte ich. „Wie lange soll das noch dauern? Cassy müsste doch langsam mal Zeke gefunden haben!“ 

Minty stand am Fenster, die Arme verschränkt, und starrte hinaus in die Dunkelheit. „Vielleicht ist es ja nicht so einfach, wie du denkst. Du weißt doch, wie Zeke ist – falls er überhaupt gefunden werden will.“ 

„Pah!“ Ich schnaufte und verschränkte die Arme. „Wenn er sich noch mehr verstecken würde, könnte man meinen, er wär ein vergrämtes Fossil. Der Typ hat echt ’nen Knall. Hat er uns jemals geholfen, ohne dass man ihm hundertmal hinterherlaufen musste?“ 

Minty drehte sich um, ihre Stirn gerunzelt. „Fips, du bist auch nicht gerade der Inbegriff von Kooperationsbereitschaft.“ 

„Ich bin charmant und nützlich,“ konterte ich mit einem Grinsen, das ich nicht ganz ernst meinte. 

„Du bist ungeduldig und gerade jetzt ziemlich nutzlos,“ schoss sie zurück, bevor sie wieder aus dem Fenster sah. 

Das tat weh – auch wenn sie recht hatte. Ich sprang auf und begann durch den Raum zu tigern, wobei ich ein paar Stühle beinahe umwarf. „Wir können doch nicht einfach rumsitzen! Es muss irgendetwas geben, was wir tun können.“ 

„Wie wär’s damit, dein Chaos hier aufzuräumen?“ fragte Minty spitz, während sie auf die verstreuten Plätzchenkrümel und die zerwühlten Bücher hinwies, die wir zuvor durchwühlt hatten. 

„Putzfee bin ich auch nicht,“ murmelte ich, schnappte mir aber dennoch ein paar der Bücher und begann halbherzig, sie in einen Haufen zu stapeln. 

Minty setzte sich auf die Armlehne eines anderen Sessels und sah mich nachdenklich an. „Hast du dich jemals gefragt, warum Rhun einfach verschwunden ist? Ich meine, so richtig verschwunden, ohne uns etwas zu sagen?“ 

„Natürlich hab ich das!“ sagte ich und ließ die Bücher wieder fallen. „Aber ich komm auf keinen grünen Zweig. Der Typ hat immer sein eigenes Ding gemacht. Vielleicht hat er wirklich Probleme mit... na ja, mit dem, was in ihm steckt.“ 

„Du meinst, die dunkle Seite?“ Minty klang besorgt. 

Ich nickte widerwillig. „Ja. Und wenn das stimmt, dann kann es ziemlich übel werden. Vielleicht hat er versucht, uns zu schützen, indem er abgehauen ist.“ 

„Oder er hat Hilfe gesucht,“ überlegte Minty. 

„Vielleicht. Aber warum uns nichts sagen?“ Ich setzte mich wieder hin, die Ohren hängend. „Es ist einfach zum Verrücktwerden. Ich hasse es, nicht zu wissen, was los ist.“ 

Minty grinste schief. „Du hasst es, nichts tun zu können. Das ist ein Unterschied.“ 

„Tja, schuldig im Sinne der Anklage,“ gab ich zu. 

Ein Moment der Stille verging, bevor Minty wieder sprach. „Vielleicht sollten wir wirklich auf Cassy warten. Zeke könnte mehr wissen. Wenn sie ihn überhaupt findet.“ 

„Ja, wenn,“ murmelte ich. 

Ich lehnte mich zurück und starrte an die Decke. Mir war langweilig – schrecklich langweilig – und das machte mich unruhig. Aber Minty hatte recht: Wir konnten nichts tun, außer zu warten. Zumindest, bis Cassy zurückkam – hoffentlich mit Zeke im Schlepptau. 

„Weißt du was?“ sagte ich plötzlich. „Ich werd ein Nickerchen machen.“ 

„Du kannst ja versuchen, mal ein bisschen nett zu träumen,“ meinte Minty trocken. 

„Ha ha,“ gab ich zurück, schloss aber tatsächlich die Augen. Vielleicht würde die Zeit so schneller vergehen. Oder vielleicht träumte ich sogar von einer Lösung. Wer weiß?

Ich stand mitten auf einer Bühne, umringt von Scheinwerfern und Tänzern, als ich meinen Text ablieferte. Meine Moves waren so cool, dass selbst ein Kühlschrank neidisch geworden wäre. 

„Keiner legt sich an mit dem Osterhasen, selbst die Bravo will mich auf dem Poster haben!“ rappte ich und gestikulierte in die Kamera, als wäre ich der Star eines Musikvideos. Das Publikum tobte – okay, die Tänzer tobten, aber das war auch schon was. 

„Fips?“ 

Die vertraute Stimme ließ mich mitten im Song erstarren. Ich wirbelte herum, und da stand sie, mitten zwischen meinen Tänzern: Cassy. Sie sah mich genauso überrascht an, wie ich sie. 

„Cassy?“ fragte ich verblüfft und ließ das Mikro sinken. 

„Habt ihr Rhun gefunden? Zeke ist scheinbar ziemlich schwer zu finden. Aber Fabio hilft mir,“ sprudelte sie los, als ob wir uns gerade auf dem Marktplatz getroffen hätten und nicht in einem meiner seltsamsten Träume. 

Ich legte den Kopf schief und trat näher an sie heran. Dann tippte ich ihr mit dem Finger gegen die Nase. 

„Was soll das?“ fragte sie und sah mich irritiert an. 

„Ich wollte sichergehen, dass du wirklich vor mir stehst. Immerhin ist das ein Traum,“ erklärte ich und wies auf die Tänzer, die jetzt wie eingefroren dastanden – außer einer, der sich immer noch in einer Dauerschleife drehte. „Hier ist nichts real.“ 

„Ein Traum?“ Sie sah sich um und schien das Ganze jetzt erst zu registrieren. „Aber... wie kann ich dann hier sein?“ 

„Gute Frage,“ murmelte ich und fühlte mich für einen Moment tatsächlich ein bisschen nervös. Das war nicht normal, nicht mal für meine Verhältnisse. Ich schüttelte den Gedanken ab und grinste. „Egal. Jetzt, wo du schon mal da bist: Hast du Zeke endlich gefunden?“ 

„Noch nicht,“ gestand sie. „Aber ich arbeite dran. Es ist komplizierter, als ich dachte. Dieser Typ ist wie ein Geist. Fabio hilft mir, aber es dauert länger, als ich gehofft hatte.“ 

Ich seufzte und begann, ihr von Rhuns seltsamem Buch zu erzählen und von der Botschaft, die Minty und ich darin gefunden hatten. Dass wir inzwischen dringend auf sie und Zeke warteten, weil wir keine Ahnung hatten, wie wir sonst Rhun finden sollten. 

Doch bevor sie antworten konnte, begann der Boden unter unseren Füßen plötzlich zu wackeln. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter, und ich wusste sofort, was das bedeutete. 

„Albträume,“ flüsterte ich und sah mich hastig um. Die Schatten an den Wänden schienen sich zu bewegen, als ob sie lebendig wären. Ihre Formen wurden größer, dunkler und bedrohlicher. 

Cassy wich einen Schritt zurück, ihre Augen weit vor Angst. „Was... was passiert hier?“ 

„Die Schatten – sie gehören zu den Albträumen,“ erklärte ich. „Sie greifen Träume an, wie Raubtiere auf der Jagd. Wir müssen hier weg.“ 

Doch der Schatten an der Wand vor uns löste sich plötzlich und formte eine riesige Klaue, die nach Cassy schnappte. Ich packte sie an der Hand und zog sie hinter mich. 

„Bleib dicht bei mir!“ rief ich, während ich hektisch nach einem Ausweg suchte. Die Schatten zogen sich zusammen, als wollten sie uns verschlingen, und das Zittern des Bodens wurde stärker. 

Cassy hielt meine Hand fest und rief: „Fips, wach auf! Wenn das dein Traum ist, kannst du doch einfach aufwachen, oder?“ 

„Theoretisch, ja. Praktisch... dauert das manchmal länger, als einem lieb ist!“ rief ich zurück und versuchte verzweifelt, mich zu konzentrieren. 

Ein lautes Knurren dröhnte durch den Raum, und ich sah, wie sich einer der Schatten in etwas wie einen Wolf verwandelte – mit glühend roten Augen und Zähnen, die wie Klingen funkelten. 

„Okay, jetzt wird’s ernst!“ rief ich. „Cassy, lauf!“ 

Achtsman jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt