Tardy? Nein, danke *stopped*

003

Taddls Sicht

Dieser Typ, der in Mathe und eigentlich auch sonst ab sofort immer neben mir sitzt, ist mir irgendwie suspekt. Er sah heute morgen richtig depri aus und fing, nachdem er einen Zettel zugeworfen bekommen hatte, plötzlich an in seinem Rucksack nach Geld zu suchen und, nachdem er es gezählt hatte, richtig ängstlich zu gucken.
Nur ich darf diese Wirkung auf andere haben. Nur wegen mir darf jemand anderes so verängstigt gucken.

Endlich ist dieser beschissene Unterricht um. Diese Lehrer wissen echt nicht, WIE langweilig ihr Geschwafel ist. Irgendjemand sollte es ihnen mal sagen, kaum auszuhalten.

Jetzt brauche ich erstmal ne Kippe. Also zünde ich mir, nachdem ich aus 'm Schulhaus raus bin, eine an und mache mich auf den Heimweg.

Doch dann sehe ich, wie ein paar Jungs, ich glaube, aus meiner Klasse, nen Kreis um einen braunhaarigen etwas kleineren Jungen gebildet haben. Naja, nicht nur einen Kreis, sonder sie verprügeln ihn.

Das ist die beste Chance, um ihnen klar zu machen, wer hier der Boss ist. Es sollte ja jetzt jedem klar sein, wen ich meine...

Also laufe ich weiter auf sie zu, die Kippe zwischen den Lippen und den Rucksack weiterhin über der Schulter.
Fast bei ihnen, erkenne ich dann auch, durch eine Lücke zwischen zwei der Jungs, wer die Person in der Mitte ist. Natürlich niemand anderes als der Typ, der neben mir sitzt. War ja eigentlich klar, dass er das Geld nicht aus Spaß zählt. Aber dass er diesen Jungs Geld schuldet... schon seltsam.
Als ich genau hinter einem der Jungs stehe, bemerkt mich dann auch der Typ und die anderen.
"Ey, Neuer! Verpiss dich hier!" schreit mich der eine an.
Ich habe natürlich keine Ahnung, wie wer heißt, interessiert mich wenn ich ehrlich bin auch nicht.
"Was wollt ihr von ihm da?" frage ich kalt und nehme noch einen Zug von meiner Zigarette.
"Das geht dich nen feuchten Scheißdreck an! Ich sag's nicht nochmal, verpiss dich." faucht mich jetzt ein anderer an.
Als hätte ICH angst vor DENEN.

Schnell packe ich den Jungen links von mir und halte ihm meine, leider fast fertig gerauchte Zigarette einen Zentimeter vor die Wange.
"Lasst. Ihn. In. Ruhe. Ich. Bin. Hier. Der. Den. Ihr. Um. Erlaubnis. Fragen. Müsst!" ich betone jedes Wort einzeln, damit sie es auch ja verstehen.
"Wer, bitte, gibt dir das Recht, uns Regeln zu machen?!" Sagt der Junge, der zuerst geredet hatte wieder. Ich glaube, das ist der Anführer dieser Gruppe.

"Ich habe das Recht, egal ob ihr es akzeptiert oder nicht. Und jetzt verpisst euch, oder ihr werdet die Konsequenzen tragen müssen." antworte ich wieder mit kalter und monotoner Stimme und hebe den Zigarettenstummel näher an das Gesicht des Jungens vor mir.
Er sieht mich angstvoll an und nun sehe ich auch endlich die Angst in den Augen des 'Anführers'.

Er gibt den anderen ein Kopfnicken und läuft dann mit den Worten "Das ist nicht das Ende" langsam in Richtung Schultor.
Die anderen folgen ihm murrend und werfen mir noch hasserfüllte Blicke zu.
Auch den Junge, der vor mir stand, lasse ich jetzt gehen, welcher mich nur nochmal böse anknurrt, wofür ich nur ein kaltes Lachen übrig habe.

Nachdem sie alle weg sind, wende ich mich, das erste mal seit ich auf den Schulhof gekommen bin, dem kleinen Braunhaarigen zu.
Er hat sich aufgesetzt und probiert krampfhaft nicht loszuheulen. Also eine richtige Pussy, die bei jeder noch so kleinen Verletzung anfängt zu heulen. Jetzt weiß ich wenigstens, woher das blaue Augen von heute morgen kam. Scheinbar ist er das größte Mobbingopfer, das ich je gesehen habe.

Ich mache einen weiteren Schritt auf ihn zu, aber er weicht immer weiter zurück.
Als er dann an der Wand mit dem Rücken ankommt, weiten sich seine Augen vor Schreck und Angst.

Genau das muss in den Augen der anderen zu sehen sein. Sie sollen angst vor mir haben und mich respektieren, nicht so wie die Jungs vorhin, aber die werden mein wahres Ich noch kennen lernen.

"B-bitte lass m-m-mich geh-gehen" stottert der Kleine vor sich hin und schaut mich weiterhin mit Tränen in den Augen an.
"Los hau schon ab, aber merk die eins, heute war das erste und letzte mal, dass ich dir geholfen habe. Nächstes mal musst du alleine mit denen ferig werden, aber erstmal werden sie mich kennen lernen. Niemand behandelt mich so respektlos, auch nicht du. Also sei froh, dass ich ihnen nicht befohlen habe, dich weiter zu verprügeln. Und antworte mir ab sofort in ganzen deutlichen Sätzen und nicht so, wie heute morgen, genuschelt und viel zu leise" fahre ich ihn scharf an.
Er rappelt sich nach meinen Worten schnell auf, aber ich mache einen letzten Schritt auf ihn zu und schubse ihn wieder an die Wand, woraufhin er schmerzerfüllt aufschreit.
"Was habe ich gesagt, sollst du machen?" meine Stimme ist nunmehr nurnoch ein zischen.
"L-l-laut und d-deutlich reden und ge-gehen...?" fragt er verunsichert.
"Und wie wäre es mit bedanken, weil ich dich vor den Jungs bewahrt habe? Los!"
"D-danke, dass du die Jungs verj-jagt hast..." sagte er mit nurnoch leichtem stottern in der Stimme.
"Du kannst jetzt gehen" gehe ich einen Schritt zurück, drehe mich um und laufe zur Bushaltestelle um nachhause zu fahren.

Von CocoTheNinja
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