Diamantenhell

Kapitel 4

Was war denn das?

"Charlotte? Was...?"setzte ich an.

"Komm rein."

Ich sah sie ungläubig an. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in Charlottes Zimmer gewesen.

Und ich hatte schon gar nicht damit gerechnet,dass sie mich jemals hineinbitten würde.

"Na jetzt komm schon! Ich habe keine Lust,mit meiner Mutter zu reden!"

Ich verstand die Welt nicht mehr,betrat dann aber doch zögernd Charlottes Zimmer.

Es geschahen also doch manchmal Wunder.

Charlotte schloss die Tür von innen ab.

Sollte sie also vorhaben,mir was anzutun,war ich ihr und ihrem Krav Maga vollkommen ausgeliefert.

"Willst du dich hinsetzen oder hier die ganze Zeit rumstehen?"fragte sie.

Hastig setzte ich mich in den kleinen,edlen Sessel in der Ecke.

Charlottes Zimmer war viel größer als meins. Aber das war ja klar.
Immerhin war ich ja immer das schwarze Schaf dieser Familie gewesen,bis ich das Zeitreise-Gen geerbt habe.

"Was ist hier jetzt los?"fragte ich.
"Warum weinst du?"

Wieder schossen ihr neue Tränen in die Augen.

"Das müsstest du ja am besten wissen. Wegen wem."

Oh nein. Bitte nicht.
Auch wenn ich es nichz wahrhaben wollte,ich wusste,wer der Grund war.

"Gideon."

Sie nickte. Wieder flossen Tränen.

"Charlotte,ich habe dir schon so oft gesagt,dass es mir leidtut,aber du-"

"Gwen! Ich brauche kein Mitleid. Ich muss einfach nur mal reden....mit jemandem,der auch mal mit ihm zu tun hatte. Und da bist du doch perfekt."

Ich schluckte. Natürlich war es mir klar,dass Charlotte nicht die Absicht hatte,mal mit mir Frieden zu schließen. Das würde wohl nie passieren.

Aber es war mir wirklich unangenehm,mit ihr über Gideon zu reden.

"Okay. Schieß los."

"Also..."
Ihre Stimme zitterte.

"Du hast auch mal gelitten. Wegen...ihm.
Was hat er dir angetan?"

Ach herrje.
Darüber zu reden,das war schwer für mich.

"Ähhm...A...Also..."stotterte ich,wusste nicht,wo ich anfangen sollte.

"Gwendolyn,ich werde das schon nicht an ihn weiter tratschen. Oder an Cynthia. Oder sonstwen. Also-erzähl."

Also gut.

"E...Er hatte so ein Bündnis mit...dem Grafen. Der Graf wollte,dass ich in ihn...also Gideon,verliebt bin. Weil er meinte,dass verliebte Frauen leichter zu kontrollieren sind."

Charlotte zog die Augenbrauen zusammen.

"Wieso? Verliebte Frauen sind nicht immer zurechnungsfähig. Man weiß nie,was sie als nächstes tun. Wie tickende Zeitbomben."

Ich musste lächeln.

"Genau das hat Leslie auch gesagt,als ich ihr davon erzählt habe."sagte ich.

Charlotte verzog leicht angewidert das Gesicht.

Sie machte keinen Hehl daraus,dass sie Leslie nicht leiden konnte.

"Okay. Ist ja dähmlich. Erzähl weiter."sagte sie und schniefte einmal kurz.

"Naja...Dann hat Gideon halt alles getan,damit ich mich in ihn verliebe. Und als es dann soweit war,hat er mir in der Vergangenheit eine Liebeserklärung gemacht. Kurz danach hat der Graf alles auffliegen lassen. Damit es noch ein bisschen mehr wehtut."

"Aber ich verstehe das nicht."sagte Charlotte,nachdem sie sich die Nase geputzt hatte.
"Was hatte der Graf davon,dass du in Gideon verliebt bist?"

"Erstens-ich war dann seiner Meinung nach leichter zu beeinflussen,was Entscheidungen in der Loge und unsere Zeitreisen betrifft.
Und zweitens-er hat gehofft,dass ich mich vor Liebeskummer umbringe-damit er seine Unsterblichkeit zurückgewinnt. Das war übrigens auch die ganze Zeit sein Ziel. Nicht irgendein Heilmittel für alle Krankheiten. Ihr wusstet nie,wie selbstsüchtig der Graf ist."

Charlottes Augen weiteten sich leicht.
Nie hätte ich gedacht,dass wir jemals dieses Gespräch führen würden.
"Wenn du stirbst,wird der Graf wieder unsterblich?"

Ich nickte. Jetzt kam der absurdeste Teil.
"Weil ich anders nicht sterben kann. Ich bin unsterblich."sagte ich leise und starrte auf meine Füße.

Eine Weile sagte sie gar nichts.
Dann sah sie mich ungläubig an.
"Das ist nicht dein Ernst. Willst du..."

"Es ist mein Ernst."

"Okaaay..."

"Es steht ja auch in der Prophezeiung zum Rubin:
Nur wenn der zwölfte Stern erbleicht,der Adler auf ewig sein Ziel erreicht.
Und:
Drum wisse,wenn ein Stern verglüht,vor Liebe gequält,wenn sein Niedergang ist frei gewählt."

"Oh. Das ist...heftig."

"Ja,allerdings."

Charlotte schüttelte den Kopf.

"Aber wenn Gideon dich wirklich liebt,warum hat er das dann mitgemacht? Er hat den Grafen ja irgentwie...unterstützt."

"Gideon wusste von dem ganzen Mist gar nichts. Erst als ich mit gebrochenem Herzen zuhause saß,hat er es nach und nach herausgefunden. Mit Pauls Hilfe."

"Paul de Villiers?"

"Ja."

Sie schluckte.

"Dann...hätte ich das Gen geerbt...wäre ich der Rubin...dann wäre das Ganze mir passiert."sagte sie.

"Du hast es erfasst."