17. Entschuldigungen

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Als wir beide gefrühstückt hatten, half er mir zu meiner Überraschung mit dem Abdecken des Tisches und bat sogar an, mit mir das Abwaschen zu übernehmen, aber ich lehnte ab. Um zu arbeiten war er nicht hergekommen und außerdem hatte ich nachher noch genug Zeit, diese Schicht zu übernehmen.

Ich führte ihn in mein Arbeitszimmer, stemmte die Hände in die hinteren Taschen meiner Hose und beobachtete ihn dabei, wie er die Bilder betrachtete, die hier so rumstanden. Zuerst achtete ich nur auf die Bewegungen seiner Augen, um zu wissen, welches meiner Gemälde er sich gerade anschaute, doch mit der Zeit glitt meine Aufmerksamkeit herab und ich nahm seine gesamte Statur unter die Lupe.

Ich versuchte, seine Haltung zu interpretieren und stellte mir vor, wie er wohl unter den ganzen Klamottenschichten aussehen würde. Wie es wäre, durch seine langen Haare zu fahren. Wie es sich anfühlen würde, wenn die Nerven meiner Lippen das Gefühl seiner Lippen wahrnehmen würden. 

Viel zu schnell wurde mein Gedankenfluss unterbrochen, als Taddl sich von den Bildern abwandte und mir entgegenblickte. Aus meiner Trance erwachend, realisierte ich, dass ich auf seine Lippen starrte und zwang meine Augen dazu, in seine zu schauen, dessen Ausdruck ich nicht interpretieren konnte. Wahrscheinlich hatte er längst gemerkt in welche Richtung meine Gedanken gerade abgeschweift waren und würde sich sonst was denken, aber er sagte immer noch nichts und starrte mich nur an, was langsam sehr unangenehm wurde. Blitzschnell wandte ich meine Augen von den seinen ab und nahm die Hände aus meinen Hosentaschen: "Ja, ähm. Wenn, wenn du genug gesehen hast, dann..."

Sofort wurde ich rot und wandte den Kopf ab, während Taddls Züge wieder hart wurden und er noch einmal die Bilder betrachtend, aus dem Raum ging. Dabei streifte mich seine Schulter für einen kurzen Moment und ich blickte an seinem Arm herunter, betrachtete die Tattoos und folgte ihm dann zur Haustür. Er hatte sich bereits seine Jacke genommen und zog sie sich über die Schultern. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich hätte etwas falsches getan, aber gleichzeitig kam mir nicht in den Sinn was. Taddl drehte sich um und lächelte mich schwach an: "Ich geh' dann mal. Ich muss noch zwei Videos für heute machen." Kurz nickte ich und steckte wieder die Hände in die Hosentaschen.

"Ich wollte mich nur noch für die blöde Nachricht entschuldigen, die ich dir geschrieben habe. Es war total dumm und rücksichtslos von mir, so mit dir umzuspringen und außerdem steht es mir nicht zu, so mit dir zu reden. Also entschuldige ich mich hiermit für mein schlechtes Arbeiten und hoffe du verzeihst mir", sagte ich und schaute ihm dabei aufrichtig in die Augen. Er lächelte.

"Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Auch wenn die Nachricht ganz schön frech war, kann ich dir deswegen nicht böse sein, weil ich deine Reaktion teils auch verstehe", antwortete er und kam mir derweil immer näher, bis er seine Arme um mich schloss und mich umarmte.

Dieses Mal fühlte es sich das erste Mal richtig an. Das erste Mal fühlte es sich wie eine aufrichtige, ernstgemeinte Umarmung an, die ich sogleich erwiderte, indem in meine Arme unter der Jacke um seine Taille schloss und meinen Kopf gegen seine Schulter lehnte. Die Wärme, die von seinem Körper ausging, übertrug sich mit sofortiger Wirkung auf meinen und ich fühlte mich das erste Mal seit langer Zeit wieder sicher. In dem Fang seiner Arme, so nah wie ich ihm nie zuvor war. Ich spürte seine warmen Hände an meiner Schulter, an meinem Rücken und die Bartstoppeln seines Kinns an meiner Schläfe, da er seinen Kopf seitlich an meinen drückte.

Als er ausatmete und die Umarmung langsam löste, kitzelte mir sein warmer Atem den Hals und ich ließ von ihm ab. Noch einmal schaute er mich an, bevor er die Türklinke herunterdrückte und ein leises "Ciao" flüsterte.

Wenige Sekunden später spürte ich Leere in meiner Seele und an meinem Körper zehren. Leere und Sehnsucht. Das Gefühl kannte ich nur zu gut, traute es aber nicht beim Namen zu nennen, denn es hatte mir zuvor schon viele Tränen gekostet. Schnell schüttelte ich den Kopf und ging zurück in die Küche. Dort stellte ich mich in die Mitte des kleinen Raumes und schaute mich um.

Ich konnte trotzdem nicht klar denken. Meine Gedanken lagen nur bei Taddl, auch wenn ich davon keinen Klaren fassen konnte. Also tat ich das einzige, was mir zu diesem Zeitpunkt am Vernünftigsten erschien. Ich ging in mein Arbeitszimmer, stellte eine neue Leinwand auf die Staffelei und malte, was auch immer mir in den Sinn kam. Danach erledigte ich den Abwasch und wandte mich mit etwas klareren Gedanken an Taddls Merch. Mittlerweile war es Mittagszeit und mein Handy klingelte, als ich gerade an einem schwarzen Pullover saß. Schnell nahm ich den Anruf von Ethan an, der mich in die Stadt zum Mittagessen einlud.

Zwanzig Minuten später, saßen wir in unserem Lieblingsrestaurant und ich hatte einen großen Teller Pizza vor mir stehen. Mein Handy hatte ich auf der hölzernen Tischfläche kurz über meinem Teller platziert, da ich auf eine E-Mail meiner Mutter wartete. Ethan saß mit einem etwas unzufriedenen Gesichtsausdruck vor mir und ich fragte gleich, was los wäre. Darauf brach er in einen riesigen Redeschwall aus, in dem er mir eigentlich nur mitteilte, dass er sich gestern mit Ares getroffen hätte und dieser immer noch ein Arschloch wäre, weil dieser ihn sitzen gelassen hätte. Aber eigentlich redete er nur um irgendetwas drumherum.

"Was war los?", fragte ich ihn inmitten eines Satzes.

"Nicht: Was war los?! Sondern: Wer war los?!", sagte er empört und stocherte in seinen Nudeln herum. Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und wartete auf eine klare Antwort.

"Er hat mich geküsst!"

Augenblicklich verschluckte ich mich an einem Stück Teig und fing an heftig zu husten.

"Ihr kennt euch doch höchstens erst seit einer Woche!", krächzte ich.

"Genau!", antwortete er auf meine Aussage und ich wurde misstrauisch: "Du hast doch nicht zurückgeküsst, oder?"

"Doch", sagte er kleinlaut.

"Na dann ist es doch deine Schuld, dass du jetzt wütend bist."

Ich ließ mich nach hinten an die Lehne sinken und verschränkte meine Arme. Auch er sagte daraufhin nichts mehr, aber ich wurde gerade erst neugierig.

"Also magst du ihn doch?"

"Ja, irgendwie schon."

"Und du bist nochmal weswegen wütend?", hakte ich verwirrt nach.

"Ich bin wütend, weil ich mich in so ein Arschloch verliebt habe!", erklärte er monoton.

"Ich denke nicht, dass man sich so schnell in einen Menschen verlieben kann, Ethan. Du kennst ihn nicht mal richtig", warf ich ihm vor.

"Als ob du etwas vom Verliebtsein wüsstest."

Auf diesen Konter wurde ich still und schaute auf meine Hände, die mittlerweile in meinem Schoß lagen.

"Abby, ich meinte das nicht so", setzte er eine Entschuldigung an, aber ich unterbrach ihn.

"Schon gut, Ethan. Es ist kein Geheimnis, dass ich Pech in der Liebe habe, okay? Aber..."

"Aber...?", wiederholte er mich.

"Ich, ich glaube, dass ich mich auch verliebt habe."


Drawn Love (Taddl FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt