22. Aber die Dämme waren doch nicht aus Stein

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Als ich ruckartig aufstand, somit seine Lippen von meinem Hals löste, und ihm mitteilte, dass ich nach Hause müsste, brannte sich sein bereuender Blick in meine Seele und begleitete mich die Treppen herunter, bis ich aus der Haustür ausbrach und die frische Luft einatmete.

"Keine Ahnung wie das bei ihr ist, aber er..."

Ardy brach in seiner Aussage ab, schaute kurz zu Miriam, die mit ihrem Glas neben ihm auf dem Bordstein hockte und blickte dann perplex in meine Richtung.

Aber ich wollte keine Sekunde länger hier bleiben. Nicht länger in der Wolke aus seinem Duft stehen und nicht an einem Ort sein, an dem mich alles an ihn erinnerte. Also lief ich, ich lief davon, ich lief vor meinen Gefühlen davon, vor der Angst verletzt zu werden. Bis ich irgendwann in meiner kleinen Wohnung stand und mir die duftenden Klamotten vom Leibe riss. Ich stürmte ins Bad, wusch mein Gesicht und meinen Hals, da mein Kopf mir einen Streich spielte, indem er mir vorhielt, immer noch den Abdruck seiner warmen Lippen darauf zu sehen.
Das letzte, an das ich mich erinnern konnte war, ins Schlafzimmer zu stolpern und kraftlos in mein Bett zu fallen.

Die nächsten zwei Wochen verbrachte ich damit, ganz in meinen Aufzeichnungen zu stecken, zu lernen und meine komischen Gefühle in Kunstwerke zu stecken, die ich in der Nachbetrachtung nicht mehr zu verstehen wusste.

Es war Freitagnachmittag in der ersten Dezemberwoche und Ethan und ich hatten uns in der Bibliothek in unserer Lieblingsecke verschanzt. Vor wenigen Minuten hatten wir uns noch über die letzte Prüfung vor den Weihnachtsferien unterhalten, die wir heute hinter uns gebracht hatten, doch hatte ich mich nun an eines der Bücherregale gelehnt, meine Beine über die von Ethans. Beide kritzelten wir in unsere Ideenbücher und gaben keinen Laut von uns. Wir hatten eine Freistunde, danach würden wir uns noch in einen Kurs über historische Kunst setzen und in dem Moment, in dem ich begann die Augen meines Kunstwerks auszumalen läutete die Pausenglocke.

Plötzlich kam Florentina um die Ecke und ließ sich neben mich plumpsen.

"Na, hat sich Taddl mal wieder gemeldet?", flüsterte sie mir zu und warf einen Blick auf meine Zeichnung, bei dem sie laut aufseufzte.

"Nein. Und ich hab' dir schon einmal gesagt, dass du mich nicht immer an ihn erinnern sollst", schnalzte ich und legte den blauen Stift zurück in meine Federmappe.

"So ein Feigling", murmelte sie eher zu sich selbst und schlug das Buch auf, das sie mitgebracht hatte. Wieder herrschte Stille, die zu meinem Bedauern gleich darauf wieder von harten Schritten zunichte gemacht wurde. Tobi brauste um eines der Bücherregale herum und hatte eine tiefe Zornesfalte auf der Stirn.

"Was glaubst du eigentlich, wer du bist?", zischte er Ethan an, der aufstöhnte, die Augen verdrehte und zu Tobi aufsah, während er sein Sketchbook schloss.

"Was habe ich jetzt schon wieder gemacht?", fragte er und legte den Kopf schief.

"Zuerst erlaube ich dir mit meinem kleinen Bruder zusammen zu sein, nachdem du mich und meine beste Freundin mit deinen Scheißproblemen zugemüllt hast", dabei zeigte er mit seinem zitternden Zeigefinger auf mich. "Und dann bringst du ihn gestern sturzbesoffen und mit einem Knutschfleck am Hals in mein Elternhaus zurück!"

Seine Stimme war in seiner Tirade immer lauter geworden, doch schien das Ethan ziemlich wenig zu interessieren, der die Lippen spitzte und zum Sprechen ansetzte: "Also erstens, brauche ich deine Erlaubnis nicht, um mit deinem Bruder zusammen zu sein und zweitens geht dich unser Liebesleben gar nichts an."

Genau dieser Moment war es, in dem mir schlecht wurde und ich begann, meine Sachen wieder in den Rucksack zu räumen. Ich fühlte mich krank, hatte einen heißen Kopf und wollte eigentlich nur noch nach Hause. Als ich aufstand, hatte Tobi bereits den letzten Schritt auf Ethan zugemacht und hatte ihn am Kragen gepackt.

Drawn Love (Taddl FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt