Funken sammeln

56 2 1
                                    

×Funken sammeln

Komm, lass uns Funken sammeln gehen. Das war alles was du sagtest, als ich das letzte Mal bei dir war. Ich verstand dich nicht, doch plötzlich, als du mich zu dich hingezogen hast, du mich geküsst hast, als wäre ich deine einzige Luftquelle, wusste ich was du meintest. Und doch hast du mir in diesem Moment meinen Atem geraubt. Als wir uns schnappend lösten, war da dieser eine Blick, der mir bis heute nicht aus dem Kopf geht. Wie du dir deine Haare aus dem Gesicht gestrichen hast und mich fragend angesehen hast. Als würdest du wollen, dass ich irgendetwas dazu sage. Ich schluckte, ich wusste ehrlich nicht was ich sagen sollte. Und da ich ich nicht wusste, was du wolltest, beugte ich mich wieder vor und küsse deine weichen Lippen. Waren sie weich? Nein, sie waren doch rau oder nicht? Du hieltst nicht besonders viel von Lippenbalsam, nicht wahr?
Du wolltest stark sein, doch in diesem Moment, als unsere Lippen sich vereinten, spürte ich deine gesamte Verletzlichkeit. Wieso hast du mich verlassen? Wir hätten es gemeinsam geschafft, mein Schatz. Ich habe dich so sehr geliebt, viel mehr als du dir es dir vorstellen kannst. Bitte komm, komm zu mir zurück. Ich wünsche mir so sehr dein Gesicht zu mir. Diese weichen Augen, die doch so eisig werden können, die kleine geschwungene Nase, die hohen Wangenknochen und deine vollen Lippen. Die kleine Narbe über deiner Augenbraue. Manchmal frage ich mich, ob du mich ebenso vermisst wie ich es tue, dort wo du jetzt bist. Und doch verschwimmen deine Gesichtszüge immer mehr. Ich sitze wieder mal hier, an unserem Ort, das kleine Baumhaus im Wald, gleich neben dem Bach? Ich weiß nicht, wieso ich hier bin. Eigentlich hatte ich mir geschworen, nie wieder hierherzukommen. Hier tat alles so weh, deine übergedrehten Augen kommen mir in den Sinn und ich frage mich ein weiteres Mal ob es wirklich Absicht war, oder nicht. Hat dich dein Dämon wirklich so schnell eingeholt? Nur weil du sie gesehen hast? Ich glaube, ich verstehe jetzt endlich wirklich was du mit Funken meintest. Damals dachte ich du meinst einfach bloß diesen Funken zwischen uns, der sich jedes Mal in mir formte, wenn deine Lippen meine berührten, wenn dein Arm mich unabsichtlich streifte, unsere Knie sich berührten, du mich an deine Brust zogst.
Aber jetzt weiß ich, dass du ebenso die Momente meintest, die dich elektrisierten. Die den Funken Aufregung in dir formten. Und ob das positiv oder negativ ist liegt an der Situation. Du hast sie gesammelt, in einem Glas, jeder Funke war eine kleine Murmel.
Damals, nachdem unsere Lippen sich lösten, bist du aufgesprungen und hast unter deinem Bett das Glas und die Murmeln herausgeholt, mich angegrinst und gesagt:
"Darlin, du bist eindeutig 2 große Funken wert", und hast die 3 größten Murmeln in das Glas gleiten lassen. Ich kam nicht mehr dazu zu fragen, für was die 3. war, denn deine Lippen verschlossen meinen Mund. Und deine Lippen verboten mir mein Wort.
Der Grund wieso ich mir das alles durch den Kopf gehen lasse ist, dass ich wieder jemand kennen gelernt habe. Er heißt Niklas, er ist warm. Nicht so wie du, mit diesem Funken in dir. Den meist braucht man nur einen kleinen Funken, um ein Feuer zu entfachen. Und du hast gebrannt. Deine Hitze war manchmal unerträglich, war man zu nah bei dir, hat man sich verbrannt, oder dein Funke ist zu einem selbst übergesprungen.
Niklas ist warm, wie lauwarmes Wasser. Schön, aber langweilig.

Wo fängt dein Himmel an?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt