Mörder

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Ich lag zusammengekauert auf meinem Bett, die leeren Zigarettenschachteln stapelten sich vor mir, mir war es egal wenn meine Mutter sie finden würde.
Mir war alles egal. Alles. Nur nicht dieser Schmerz in meinem Inneren, der von deinen Lippen ausgelöst worden war. Deine Lippen auf meinen, deine Lippen auf ihren.
Mein ausgeschaltetes Handy lag auch neben mir. Zusammengekauert, schmerzend. Ich griff nach meinem Handy, hielt es in der Hand, lies es wieder fallen. Ich spielte ebenfalls mit dem Gedanken es wieder einzuschalten. Doch was wäre wenn du angerufen hattest?
Und was wenn nicht? Würde ich es schaffen, mit diesem Schmerz umzugehen, würde ich daran zerbrechen? Was wenn du nicht anrufen würdest? Nicht einmal eine SMS schicken würdest?
Ich wollte sowieso nicht mit dir reden, ich wollte schreien. Alle anschreien. Dich, weil du sie so geküsst hast, wie du mich geküsst hast. Diese Schlampe, weil sie vermutlich wirklich nett war. Meinen Vater, der endlich diese verdammte Vodkaflasche loslassen sollte. Meine Mutter, weil sie immer nur zusah. Ich verreckte hier vor ihren Augen, ich starb und sie? Sie sah mir in die toten Augen und fragte mich, ob ich nicht etwas essen wollte? Ich hatte gar nicht bemerkt, dass jemand das Zimmer betreten hatte. Das Zimmer, nicht mein Zimmer. Mein Zimmer, mein Haus, meine Wohnung, mein Leben, mein Unterschlupf, meine Höhle. All das war für mich nicht der schäbige Raum, mit dem einem kleinem Fenster. Nein, all das warst du für mich. Du und das Baumhaus. Du hast beides versaut, dich und meinen Zufluchtsort. Deswegen lag ich jetzt hier, in den Zimmer und starb. Oder wollte sterben. So der große Unterschied war da gar nicht. Jemand räusperte sich. Ich schreckte mich unheimlich, doch äußerlich zuckte ich nicht einmal zusammen. Es war mir egal. Falls es ein Massenmörder sein sollte, war es mir egal. Es war mir egal, dass der Mörder vor mir vermutlich meine gesamte Familie abgeschlachtet hatte. Es klingt hart, aber du hast mich getötet... und es war mir egal. Alles war mir gleich. Ich sah nicht einmal auf um zu sehen wer in meinem Zimmer stumm an der Wand stand.
“Honey?“ diesmal zuckte ich zusammen. Ich hatte nicht mit ihm gerechnet.
“Mum hat mich angerufen... sie meinte die gehts nicht gut... ist alles okay?“
Er klang ernsthaft besorgt. Ich setzte mich auf und drehte meinen Kopf zu ihm. Ich musste schrecklich aussehen, denn die immerzu rosigen Wangen meines Bruders wurden weiß und kahl, als ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Und in weniger als einer Sekunde wich seine Fassungslosigkeit und wurde zu unbändiger Wut. Ich konnte ihn lesen wie ein Buch, immerhin hatten wir 17 Jahre zusammen in einem Zimmer gelebt.
Er presste die Worte heraus: “Wo ist er?“
“Es geht nicht um ihn... Es geht um... mich. Ich hab gewusst das er nicht treu sein kann.. ich hab geglaubt er ändert sich... hab geglaubt er... ich bin war naiv und dumm. Er hat nichts damit zu tun“, ich sprach leise und schnell um ihn zu beruhigen. Doch er wurde durch meine Worte nur noch wütender.
Er setzte sich neben mich und versuchte seine Wut hinter einer sachlichen Miene zu verbergen.
“Ich dachte... Ich dachte, ihr wärt bloß Freunde?“
“Waren wir auch... aber dann.. wir haben uns geküsst und...“
Harsch unterbrach er mich: “Hat er dich angefasst?!“
“Nein. Oh gott, beruhige dich! Es ist alles gut. Mir gehts gut. Wirklich“
“Lüge“
Unwillkürlich musste ich lächeln. Es war ein Spiel, ich und Lukas, mein Bruder, haben es immer gespielt, als wir noch Kinder waren. Man erzählt eine Geschichte, irgendeine, und der andere musste erraten ob sie wahr war oder nicht. Es ging mit jeder Sorte Geschichte, Märchen oder Ähnlichen. Als Lukas in die High School kam hörten solche Dinge auf. Und dann traf ich dich und Lukas ging zur Armee und zog aus. Sein Stützpunkt, wenn er nicht im Ausland war, war eine 4-Stunden Fahrt entfernt, deswegen war ich so überrascht ihn zu sehen. Er war fast nie hier. Mama stürzte nach seinem Auszug in ein tiefes Loch aus Angst um ihren Sohn im Krieg. Unseren Vater zog sie mit sich in das dunkle Loch aus Alkohol und Vergessens.
Aber zurück zum Spiel.
“Du hast Recht“, gab ich meine Lüge zu, “Er hat mit einer anderen geschlafen und ich habe ihn erwischt. Er hat mich damit umgebracht wie so ein scheiss Mörder.“
“Weißt du wie man früher mit Mördern umgegangen ist? Man hat sie gehängt. Bitte. Lass deinen Mörder hängen und versuch ihn nicht aus einer Lage zu befreien, in die er sich selbst gebracht hat.“

Hatte ich doch bloß auf Lukas gehört.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 23, 2016 ⏰

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