×Sand zwischen den Fingern
Ich sitze, mal wieder, im Baumhaus. Eigentlich möchte ich gar nicht hier sein. Ich weiß nicht, was ich hier eigentlich tue. Ich sitze vor der schweren Truhe, die in der Ecke steht, und denke daran, wie du sie hierher gebracht hast. Wie du sie mit Sand und Muscheln gefüllt hast und sie die Leiter hochgehievt hast. Es war kurz nach meinem Geburtstag, im Herbst einmal, du hast gesagt:
"Die ist für dich, Darlin. Weil du das Meer so liebst und jetzt haben wir immer ein Stück Meer hier", deine Stimme klang feierlich und so froh, dass ich ehrlich glaubte, dir ginge es besser. Aber dem war nicht so.
Nun sitze ich hier, im Sommer, und lasse mir den Sand zwischen die Fingern durchgleiten. Ein paar Muscheln sind unter ihnen und ich hänge meinen Gedanken nach. Ich glaube du bist wie eine von den kleinen Muscheln, der Sand gleiten bei ihr vorbei, zwischen meinen Fingern hindurch, doch die Muschel selbst, bleibt zwischen meinen Fingern hängen. Du bist bei mir hängengeblieben. Hast dich quergestellt, damit ich dich nicht einfach fallen lasse. Und ich hab dich in mein Herz geschlossen, jede kleine Kerbe, die du hattest, jede abgeschliffene Perlmuttschicht, die dich etwas einzigartiger gemacht hat, habe ich geliebt. Und gerade, als der ganze Sand abgeflossen war und ich endgültig meine Finger um dich schließen wollte, bist auch du mir zwischen den Fingern hindurchgerutscht. Ich konnte nichts dagegen tun, du bist weg. Gott, ich brauche Alkohol. Ich möchte nicht an dich denken, nicht daran dass ich dich genau so verloren habe, so wie du mir geschworen hattest, dass du nicht gehen würdest. Nik ist so gut zu mir. Du hast mich mal geschlagen und trotzdem bin ich, als stolze Frau, zu dir zurückgegangen. Weil ich es ohne dich nicht aushalte. Tue ich jetzt nicht, werde ich nie können. Ich liebe dich immer noch, obwohl ich es niemals laut sagen könnte. Weil ich eben immer noch diese stolze Frau bin, die ich irgendwo schon immer war. Stolz, du hast immer gesagt, dass sei mein einziges Laster. Ich glaube du kannst zu meinen Lastern das Rauchen auch zählen. Jetzt gerade, als ich mir den mehr oder weniger tödlichen Rauch tief in meine Lunge ziehe, denke ich an dich und wieder die kleine Muschel. Und an den Moment, an dem du mir einfach zwischen die Finger durchgerutscht bist.
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Wo fängt dein Himmel an?
Genel KurguEs sind Dinge, die ich dir nie erzählen konnte. Ich hätte sie dir erzählen sollen, aber jetzt ist es zu spät. Und ich glaube, es tut mir sogar leid, dass ich sie dir nicht erzählt habe. Ich weiß nicht, ob es mir leid tut. Weißt du, was das Schönste...