1. Weihnachtsfeiertag

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"Ruby! Komm runter, wir wollen essen!" Ich schrecke auf. Meine Mum. Ich seufze und klappe meinen Block zu. Hinter mir sperre ich meine Tür ab und lasse meinen Schlüssel in meine Tasche gleiten.

Ich kann es einfach nicht leiden, wenn irgendwer ungefragt in meinZimmer spaziert und sich einfach umschauen kann. Nicht, dass ich irgendwas zu verbergen habe oder mir irgendetwas peinlich ist, aber ich finde die Vorstellung nicht schön, dass irgendjemand was in meinem Zimmer anfasst.

Ich laufe die Treppe runter und setzte mich unten an unseren Esstisch. Meine Großeltern sind auch schon da. "Naaaa?", will meine Oma wissen, "Hast du gut geschlafen, mein Schatz?" Sie sieht mich lächelnd an. "Geht so", meine ich schulterzuckend.

Ihr Lächeln wird gezwungener. Ich schaue sie weiter ungerührt an. Leicht panisch und peinlich berührt schaut meine Oma weg und unterhält sich mit meinem Opa. Zum Glück. Ich mag meine Großeltern. Aber ich habe keine Lust, mich mit ihnen zu unterhalten.

Meine Eltern kommen aus der Küche in unser Esszimmer. Mein Vater balanciert fünf Eier auf einmal auf einem großen Kochlöffel, die er an uns verteilt. Meine Mutter hat einen Brotkorb in der Hand und lächelt freundlich. Ich schaue sie an und versuche zurückzulächeln.

Meine Familie kann ja nichts dafür, dass ich Weihnachten nicht leiden kann. Meine Eltern setzten sich auch an den Tisch und fangen ein Gespräch mit meinen Großeltern an, während ich unbegeistert mein Brot mit einem Messer bearbeite. Ich habe keinen Hunger. Kein Wunder, ich frühstücke eigentlich nie. Aber meine Eltern sehen es nicht sehr, wenn ich mich einfach verdrücke, wenn meine Großeltern da sind.

Ich bin trotzdem froh, als das Frühstück endlich vorbei ist und ich wieder in mein Zimmer kann. Kaum habe ich die Tür hinter mir geschlossen umfängt mich wieder der Duft meines Zimmers. Der Duft von Stiften, Papier, Kohle. Der Duft meiner ganz eigenen Welt. Und das hört sich vielleicht dämlich an, aber wenn ich diesen Geruch in der Nase habe, dann fühle ich mich sicher und frei.

Mein Handy klingelt und reist mich so ziemlich abrupt in die Realität zurück. Ich fluche, während ich es unter einem Haufen Blätter hervorkrame.

Ich schaue auf das Display. Es ist Mary. "Hallo?", melde ich mich. "Hey Ruby, hier ist Mary!", höre ich Marys mir unfassbar bekannte Stimme. "Ich weiß!", antworte ich nur, muss aber insgeheim grinsen. "Hör zu, Ruby", beginnt Mary mehr oder weniger enthusiastisch, "Ich und mein Brüderlein haben sturmfrei. Und mir ist langweilig. Hast du Lust rüberzukommen?" Ich schaue auf meine Beine, die in einer fleckigen, abgetragenen Jogginghose stecken. "Okay, Mary. Gib mir fünf Minuten zum Umziehen, dann komm ich rüber!", meine ich und bin mir sicher, dass Mary ein Grinsen aus meiner Stimme raushören kann.

Bereits kurz nachdem ich aufgelegt habe, steh ich fertig angezogen mit Jeans, dreckigen Chucks und einer Jacke vor unserer Haustür.

Zu Mary ist es nicht weit. Um ehrlich zu sein wohnt Mary sehr nah bei uns. Ich brauche keine zehn Minuten, bis ich vor ihrer Tür stehe und klingel.


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