Ich sah Mats an. Ich wusste genau, dass ich ihm dieses Gespräch schuldete. Ich atmete tief durch. "Klar, wollen wir uns vielleicht am Strand unterhalten? Hier sind mir zu viele Leute", murmelte ich und Mats nickte. Schweigend liefen wir in Richtung Strand und ließen uns ein Stück entfernt vom Wasser nieder.
"Also, was wissen die anderen?", fragte Mats mich. "Keine Ahnung. Was mich betrifft, denkt mein Vater, ich hätte mit irgendeinem Brasilianer geschlafen aber mehr weiß ich nicht." Mats sah mich an und ich konnte sein Blick nicht deuten. Eine Weile schwiegen wir uns einfach nur an. Keiner wusste, was er sagen sollte. "Was ist mit Cathy?", brach ich irgendwann die Stille. "Ich hab keine Ahnung. Ach verdammt Jana, ich hab von gar nichts mehr eine Ahnung!" Mats schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Dann fuhr er fort: "Ich weiß nicht, was mit Cathy ist und ich weiß nicht was mit dir ist! Du raubst mir jedes Mal wenn ich dich sehe den Atem, jedes Mal wenn du traurig bist will ich dich einfach nur in den Arm nehmen und für dich da sein. Und Cathy. Keine Ahnung. Wir sind ewig zusammen und es ist ihr gutes Recht über Heirat zu sprechen, aber ich will sie nicht heiraten. Natürlich ist sie mir verdammt wichtig, aber ich liebe sie nicht mehr so wie ich sollte. Ich bin nicht mehr verliebt in sie. Nein, ich glaube sogar, ich hab mich in dich verliebt."
Ich sah Mats an. Was er gerade gesagt hatte nahm mir den Atem. Er hatte sich in mich verliebt. Er liebte Cathy nicht mehr. Wortlos sah ich ihn an, dann begannen die Tränen über meine Wangen zu laufen. Ich wusste nicht warum ich weinte, aber in diesem Moment war mir einfach alles zu viel. Meine Tante, Erik, Mats. "Nicht weinen, Kleines. Was ist denn los?" Mats nahm mich in den Arm. "Du kannst dich nicht in mich verlieben, Mats", schluchzte ich, "Du kennst mich gar nicht richtig. Und es gibt Seiten an mir, die willst du verdammt nochmal gar nicht kennen. Und außerdem bist du acht Jahre älter!" Mats nahm mich fest in den Arm und hielt mich einfach nur fest. Mein Kopf lehnte an seiner Schulter und die Tränen tropften auf sein Shirt.
Als ich mich einigermaßen gefangen hatte ließ Mats mich langsam wieder los. "Erzähl mir von den Seiten, die ich nicht kenne", meinte er ruhig, aber bestimmt. Ich schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht." Mats sah mich durchdringend an. "Ich werde dich deswegen nicht hassen, glaub mir." Ich wischte mir die Tränen von den Wangen. "Das weißt du nicht", flüsterte ich. "Glaub mir Jana, ich könnte dich gar nicht hassen."
Wir schwiegen wieder eine Weile und in meinem Kopf lief ein stiller Kampf ab. Sollte ich Mats von meiner dunklen Vergangenheit erzählen oder lieber nicht. "Versprichst du mir, dass du es für dich behältst?", fragte ich schließlich. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Mats nickte.
"Es war vor ungefähr vier Jahren. Meine Großcousine ist nach einer Party vom Zug überfahren worden. Wir hatten ein unglaublich enges Verhältnis." Ich musste schlucken. "Ich konnte die ersten Wochen kaum essen vor Trauer und als ich wieder hätte essen können hab ich es trotzdem nicht. Ich wollte verschwinden und ich dachte, desto weniger ich wiege, desto mehr verschwinde ich." Ich sah Mats absichtlich nicht an. Ich wollte seine Reaktion nicht sehen. "Das ganze ist mit der Zeit immer schlimmer geworden. Ich habe nichts gegessen und wenn ich mal einen kleinen Happen gegessen habe, habe ich ihn direkt anschließend wieder ausgekotzt. Ich wollte einfach immer weiter abnehmen. Ich bin oft umgekippt. War schwach. Habe ständig gefroren. Irgendwann habe ich angefangen mich zu ritzen. Ich wollte den Schmerz verdrängen. Doch selbst das Ritzen hat irgendwann nicht mehr geholfen. Ich war vierzehn, als ich auf dem Geländer einer Autobahnbrücke saß und springen wollte." Ich hörte wie Mats Luft einsog, doch ich erzählte weiter. "Ich war kurz davor zu springen, als Leo, mein heute bester Freund, damals ein Fremder, vorbei kam. Wäre er nicht dagewesene, wäre ich heute tot."
Ich wartete auf eine Reaktion von Mats. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus. Dann zog Mats mich auf seinen Schoss und hielt mich fest. Es fühlte sich an, als wollte er mich nie wieder loslassen. "Wehe du bringst dich um", flüsterte er und dann rann eine Tränen über seine Wange. Vorsichtig wischte ich sie weg und sah ihm in die Augen. Mats ließ mich los und nahm stattdessen mein Gesicht in seine großen, starken Hände. "Bitte Jana, bring dich niemals um." Dann küsste er mich. Es war ein sanfter Kuss und doch raubte er mir den Verstand.
"Ich will nicht mehr mit Cathy zusammen sein. Ich will mit dir zusammen sein!" Mats sah mich mit seinen wunderschönen Augen an. "Und was ist mit meinem Onkel? Der köpft dich." Mats schmunzelte. "Vielleicht sollten wir das ganze für den Rest der WM erstmal geheim halten, ok?" Ich nickte. "Und mit Cathy mach ich morgen Schluss!" Ich nickte. Einerseits wusste ich, wie falsch das hier alles war, aber andererseits fühlte es sich so richtig an.
Als ich am nächsten Morgen aufstand, war ich zum ersten Mal seid langem richtig gut drauf. Nicht nur weil Mats und ich jetzt, auch wenn es geheim bleiben musste, zusammen waren, sondern auch, weil heute die 'Überraschung' kommen würde, was auch immer das war. "Guten Morgen Onkel Jogi", begrüßte ich meinen Onkel freudig. "Na da freut sich ja jemand auf seine Überraschung", lachte mein Onkel. Ich grinste. "Schau mal zum Pool", zwinkerte Jogi verschwörerisch. So schnell ich konnte rannte ich zum Pool und da sah ich sie. "Leo! Hanna!" Ich sprintete auf die beiden zu und fiel ihnen in die Arme. Freudentränen rannen über meine Wangen. "Ich hab euch so vermisst!"
Gemeinsam mit meinen beiden besten Freunden saß ich im Speisehaus und frühstückte. Wir saßen an einem extra Tisch, etwas abseits von den Fussballern und Betreuern. "Also Jana, jetzt erzähl, bring uns auf den neusten Stand!", forderte Leo mich auf. "Du kennst die bisherige Story noch gar nicht, oder?", fragte ich ihn und betonte das 'oder' ganz besonders. Mein Blick lag bei diesem jedoch eher auf Hanna als auf ihm. Hanna zuckte die Schultern und grinste verlegen. "Möglicherweise hab ich auch mit ihm geredet", gestand sie. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Ich war nicht sauer und irgendwie war mir klar gewesen, dass Hanna es Leo erzählen würde, doch das war einfach so typisch. "Dann brauch ich ja erst bei der Feier zum Gruppensieger anfangen", schmunzelte ich.
"...und naja, jetzt sind wir halt irgendwie zusammen oder so", endete ich meine Erzählung. Ich hatte extra leise gesprochen, damit niemand anderes der Anwesenden mitbekam, was zwischen mir und Mats war. Hanna und Leo starrten mich mit offenen Mündern an. "Wie stellst du dir denn vor, dass das funktionieren soll?!" Hanna hatte ihre Fassung wieder gefunden. Zumindest so halbwegs. "Können wir vielleicht wo anders weiter reden? Ich will nicht, dass irgendwer hier mitbekommt, was los ist."
Zu dritt schlenderten wir den Strand entlang. "Ich weiß auch nicht, wie das alles funktionieren soll. Er ist immerhin acht Jahre älter und wenn alles gut läuft bin ich bald in Stuttgart oder München und er lebt in Dortmund aber ich hab einfach das Gefühl, es geht ohne ihn nicht", seufzte ich und starrte auf den weißen Sand. "Jana wirklich, du weißt, dass ich niemandem sein Glück mehr wünsche als dir", sagte Leo, "aber hast du mal bedacht, was die Situation jetzt für dich, für euch bedeutet? Du musst das ganze deinem Onkel erklären, Mats seiner Cathy. Ihr lebt völlig unterschiedliche Leben. Du willst Tänzerin werden, er ist Profifußballer, eure Karriere steht für euch an aller erster Stelle. Und denk an all die Presse und all die Schlagzeilen, die eure Beziehung mit sich bringen wird. Ich will wirklich nur, dass du glücklich bist und ich bin mir auch sicher, dass Mats dich glücklich macht, ich hab nur Angst, dass du mit all dem Drumrum, das kommen wird, nicht klar kommst." Ich schluckte. Ich wusste, dass Leo mit all seinen Bedenken recht hatte, doch ich konnte und wollte mich gerade nicht mit ihnen auseinandersetzen. "Können wir vielleicht über was anderes reden und uns einfach einen schönen Tag am Strand machen? Wie lange bleibt ihr überhaupt?"
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Give me your hand
FanfictionJana Löw. Ein Mädchen wie jedes andere. Wie jedes andere? Wohl nicht ganz. Janas Onkel ist niemand anderes als der berühmte Jogi Löw. Doch nun steht die WM bevor und da Jogi, der das Sorgerecht für seine Nichte hat, diese nicht alleine lassen möchte...