Janas Sicht:
Ich verbrachte den ganzen Tag mit Hannah und Leo. So gut wie heute war es mir lange nicht mehr gegangen. Die beiden kannten mich einfach besser als jeder andere und es tat gut mit ihnen über all das Erlebte der letzten Tage und Wochen zu sprechen. Gemeinsam machten wir nach dem Frühstück einen ausgiebigen Spaziergang am Strand, sprachen dabei über Mats, das Ballett und vieles anderes. Irgendwann suchten wir uns eine schöne Stelle, an der wir uns hinsetzten und einfach die schöne Umgebung genossen. Die brasilianische Strände waren schon unvorstellbar schön.
"Hättet ihr Lust heute Nachmittag ein wenig in die Stadt zu gehen?", fragte Leo, während wir da so am Strand saßen, alle in unsere Gedanken vertieft. "Liebend gerne", erwiderte ich. Ich war bisher nur einmal in der Stadt gewesen und wie der Abend geendet hatte, war ja bekannt. Gemeinsam mit Hannah und Leo lief ich zurück in Richtung Camp und ging auf mein Zimmer, um mich fertig zu machen, während die beiden am Pool auf mich warteten. Ich zog mir ein schwarzes Sommerkleid mich weißen, feinen Blumenmuster an und schlüpfte in meine geliebten weißen Chucks.
"Hübsch schaust du aus", grinste Hannah, als ich wieder an den Pool kam. Sie und Leo saßen gemeinsam auf einer Liegen und schienen in ein Gespräch vertieft gewesen zu sein, als ich dazu kam. Hinter den beiden saß Erik mit seiner Familie und sah mich an. Ich spürte seinen Blick nahezu schmerzhaft auf mir ruhen und mir wurde klar, dass ich ihm ein Gespräch schuldig war. Doch das hatte Zeit. Heute ging es darum den Tag zu genießen.
Gemeinsam mit Hannah und Leo schlenderte ich etwa eine Stunde später durch die Stadt. Wir hatten uns ein Eis geholt und beobachteten nun das bunte Treiben um uns herum. Der brasilianische Lebensstil war beeindruckend. Hier war alles laut und die Leute waren so unglaublich kommunikativ. Ganz anders als in Deutschland. Die deutsche Gesellschaft war einfach irgendwie spießig. Nach einiger Zeit ließen wir uns in einem kleinen Restaurant nieder, um uns etwas erfrischendes zu trinken zu bestellen. "Wir haben heute schon so viel über mich und meine Probleme geredet, wie geht es euch eigentlich?", fragte ich meine beiden Freunde.
"Uns geht es bestens. Ich mein wir sind in Brasilien, wie sollte es uns nicht bestens gehen", erwiderter Hannah mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Leo nickte zustimmend. "Bis wann bleibt ihr eigentlich?" Die Frage hatte ich den ganzen Tag über völlig vergessen. "Wir sind im Hotel mit den Spielerfrauen untergebracht und bleiben bis zum nächsten Deutschlandspiel. Dafür haben wir Tickets von deinem Onkel bekommen und danach fliegen wir wieder heim." Ich musste kurz überlegen. Das nächste Spiel von Deutschland war in drei Tagen. "Das heißt, wir haben die nächste drei Tage zusammen?" Hannah und Leo sahen sich an und schüttelten dann traurig die Köpfe. "Wir haben nur heute, morgen muss alles wieder den geregelten Gang gehen und wir wären eine Ablenkung im Camp meinte dein Onkel", erklärte Leo. Ich seufzte. "Na dann machen wir noch das Beste aus dem heutigen Tag!"
Als ich später am Abend im Bett lag, ließ ich den Tag Revue passieren. Es war so schön gewesen Hannah und Leo um mich zu haben und für einige Stunden hatte ich tatsächlich all meine Sorgen vergessen können. Doch nun lag ich wieder hier und starrte an die Decke. Wie war es wohl Mats ergangen. Hatte er wirklich mit Cathy Schluss gemacht? Und war es wirklich die richtige Entscheidung von ihm sich für mich von ihr zu trennen? Oder hätten die beiden sich ohnehin irgendwann getrennt und ich war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte? Ich spürte wie etwas warmes, feuchtes meine Wangen herunter lief. Ich weinte schon wieder. Diese gottverdammten Matstränen!
Ich war in einen leichte, traumlosen Schlaf gesunken, aus dem mich ein Klopfen plötzlich herausriss. Ich brauchte kurz um mich zu orientieren, bis ich kapierte, dass das Klopfen von der Balkontür kam. Während ich die Beine aus dem Bett schwang, rieb ich mir die Augen, um zu erkennen wer oder was da klopfte. Vor dem Fenster stand eine große Gestalt und ich erschrak, bis ich die Gestalt als Mats identifizieren konnte. Hastig öffnete ich die Tür und zog Mats herein.
"Was machst du denn hier?", flüsterte ich, in der Hoffnung, dass niemand im Haus mitbekam, dass ich Besuch hatte. Mein Onkel würde erst mich und dann Mats eigenhändig erwürgen. "Ich musste dich einfach sehen!" Mats zog mich in seine starken Arme und ich sog seinen Duft ein. "Du hast mir einen furchtbaren Schrecken eingejagt", murmelte ich und vergrub meinen Kopf an seiner Brust. "Sorry." Mats drückte mir einen Kuss auf den Kopf und löste langsam die Umarmung. Ich blickte zu ihm hoch. "Lass uns reden", sagte Mats und setzte sich auf mein Bett.
Ich machte das kleine Bettlicht an und setzte mich neben Mats. "Hübsches Nachthemd", feixte dieser. Besagtes Nachthemd war ein einfaches weiter T-Shirt, das mir bis zur Mitte vom Oberschenkel ging und in der Mitte eine große Micky Maus hatte. "Ich habe nicht mehr mit Besuch gerechnet", erwiderte ich und verdrehte die Augen. Mats lächelte. "Ich find dich trotzdem wunderschön. Gerade jetzt, ohne Make-Up und in einem Micky Maus Nachthemd." Ich spürte die Röte in mein Gesicht steigen und hoffte, dass es ihm nicht auffiel.
"Also, du wolltest mit mir reden", wechselte ich schnell das Thema. "Ich hab mit Cathy Schluss gemacht." Ich schluckte. Er hatte es also tatsächlich getan. "Und? Wie hat sies aufgenommen? Ich hoffe du hast mich nicht erwähnt." Mats schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht. Aber was glaubst du, wie es jemand nach jahrelanger Beziehung aufnimmt, wenn der Partner mehr oder weniger aus dem nichts Schluss macht?" Mats seufzte. "Tut mir leid", murmelte ich. Ich fühlte mich verantwortlich für Cathys Leid und auch für das von Mats. Mir war klar, dass auch er die Trennung sicherlich nicht einfach so wegsteckte. "Dir braucht gar nichts leid tun." Ich ließ mich nach hinten auf das Bett fallen und starrte an die Decke. Einerseits verspürte ich eine Erleichterung und eine Freude, dass Mats jetzt wirklich mir gehören konnte, andererseits plagte mich auf einmal ein furchtbar schlechtes Gewissen. Am Ende klappte das mit uns gar nicht und Mats hatte Cathy völlig umsonst verlassen.
"Jana, ich bitte dich inständig, du trägst keine Schuld an unserer Trennung. Du hast mir die Augen geöffnet und du brauchst dich wirklich nicht schlecht zu fühlen, früher oder später hätten wir uns sowieso getrennt." Es schien beinahe, als könnte Mats meine Gedanken lesen. Ich nickte nur stumm. "Komm her", meinte Mats und zog mich wieder zu sich hoch. Er strich mir zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und legte seine große Hand vorsichtig an meine Wange, ehe er mich küsste. Ich hatte in meinem Leben schon so einige Küsse bekommen aber noch keiner hatte in mir ein solches Feuerwerk der Gefühle ausgelöst. In diesem Kuss lag so viel Zärtlichkeit und Liebe.
Langsam löste Mats sich wieder von mir und lächelte mich an. Auch ich konnte nicht anders als Lächeln. "Kann ich noch ein bisschen bleiben?", fragte Mats mich. Ich nickte. Gemeinsam kuschelten wir uns ins Bett, mein Kopf ruhte auf seiner Brust und er spielte mit einer meiner Haarsträhnen. Wir sprachen nicht, aber das war in Ordnung. Dieser Moment war einfach perfekt.
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Give me your hand
Hayran KurguJana Löw. Ein Mädchen wie jedes andere. Wie jedes andere? Wohl nicht ganz. Janas Onkel ist niemand anderes als der berühmte Jogi Löw. Doch nun steht die WM bevor und da Jogi, der das Sorgerecht für seine Nichte hat, diese nicht alleine lassen möchte...