Kapitel 6

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Vollkommen verschwitzt kam ich von meiner Stunde bei Hans. Während ich mich gedehnt und geübt hatte, hatten wir die Vorteile von München und Stuttgart ausdiskutiert, nur um festzustellen, dass beides gleich viele Vorteile hatte. Doch bis jetzt hatten wir nur über die Städte gesprochen. Kein Wunder, schließlich waren Hans’ Kenntnisse über die Balletts in Deutschland gleich null. Da lag es wohl an mir, mich zu entscheiden. Ich duschte mich kurz ab, band meine nassen Haare zu einem Dutt und zog mir ein dünnes, pinkes Sommerkleidchen an. Mit meinem Laptop bewaffnet ging ich an die Bar, holte mir eine eiskalte Cola Zero und legte mich dann auf eine Liege am Pool. Zuerst guckte ich nach dem bayerischen Staatsballett, denn ehrlich gesagt reizte mich München nach dem Gespräch mit Hans doch ein wenig mehr.

Nachdem ich mir so ungefähr tausend Seiten zu den beiden Balletten angesehen hatte, konnte ich mich immer noch nicht entscheiden. Stuttgart war das eindeutig erfolgreichere Ballett, das stand völlig außer Frage, jedoch hatte München ganz sicher mehr mit dem modernen Ballett zu tun und dieses reizte mich ja schon auch. Neben mir lagen ein Block und mein Füller. Inzwischen hatte ich eine ganze Seite vollgeschmiert mit Argumenten. „Ich würde nach München gehen.“ Vor Schreck fuhr ich zusammen und drehte mich um. Hinter mir stand, wie war es nicht anders zu erwarten, Mats. „Warum?“, wollte ich ehrlich wissen. „Ich habe selber mal in München gelebt und ich kann dir leider nicht viel übers Ballett sagen, aber München an sich ist eine geile Stadt.“ Ich nickte. „Hey Hummels, kommst du mit ins Wasser?“, rief auf einmal Per Mertesacker aus dem Pool, wo er und einige anderen Spieler vergnügt Wasserball oder so etwas spielten. „Klar“, antwortete Mat, zog sich sein Shirt über den Kopf, schmiss es auf die Liege neben mir und sprang ins Wasser.

Eins musste man diesen Fußballern ja lassen. Geile Körper hatten sie alle mal. Insbesondere Mats. Ich schüttelte den Kopf. Ich musste aufhören dauernd an Mats zu denken. Genervt widmete ich mich wieder meinen Unterlagen zu den Balletten. Etwa eine viertel Stunde später klappte ich genervt meinen Laptop zu. Ich kam eh zu keinem Ergebnis. Vermutlich musste ich am Ende einfach mein Gefühl entscheiden lassen. Wer wusste, ob mich am Ende überhaupt ein Ballett haben wollte? Geschweige denn beide? Da hörte ich in meinem Kopf wieder die Stimme meiner Ballettlehrerin Frau Weber. ‚Du bist sehr gut Jana, aus dir kann später etwas großes werden.’ Ich seufzte. „Hey, Jana, kommst du auch rein?“, riss mich auf einmal Philipp Lahm aus meinen Gedanken. „Ja, klar, ich geh mir nur kurz einen Bikini anziehen“, erwiderte ich, stand auf und lief mit meinem Laptop und meinen Aufzeichnungen unterm Arm in Richtung Haus.

In einem dunkelblau-weiß gestreiften Bandeaubikini unter einem einfach weißen Strandkleid kam ich wieder nach draußen und lief die wenigen Meter bis zum Pool. Ich legte mein Handtuch auf eine Liege und zog mein Strandkleid aus, ehe ich in das kühle Nass sprang. Ich hörte einige anerkennende Pfiffe seitens der Fußballer, vermutlich aufgrund meines Körpers. Ich wusste selbst, dass ich keinen schlechten Körperbau hatte. Für meine Größe lange Beine, flachen Bauch, knackigen Apfelpo, wie Hanna ihn immer nannte und ein B-Körbchen mit Tendenz zu C. „Jungs, wenn ihr nach irgendetwas pfeifen wollt, legt euch einen Hund zu“, erklärte ich den Spielern. Diese blickten mich lachend an. „Tja Jana, das ist dann wohl der Nachteil an einem geilen Body“, grinste Per und knuffte mir in die Seite. Erschrocken schrie ich auf. Ich war so ungefähr der kitzligste Mensch auf Erden.

„Red keinen Stuss, du bist ja nur neidisch“, grinste ich frech und nun war es an Per erschrocken auszusehen. „Hast du mich grad als nicht heiß bezeichnet?“ Pers Stimme überschlug sich förmlich, während alle anderen außenrum die Diskussion anscheinend sehr amüsant fanden. Ich zuckte unschuldig die Schultern und tauchte dann unter, ein Stück weg von Per. Lachend schwamm Per mir hinterher. „Du kleines Miststück“, grinste er, doch mir war klar, dass er diese Beleidigung nicht ernst meinte. Es entstand ein Kampf zwischen mir und Per, der aus Wasserschlacht und untergetaucht werden bestand. Leider zog ich hier den deutlich Kürzeren.

Erschöpft hing ich nun am Beckenrand. Die Arme hatte ich am Rand verschränkt und mein Kopf ruhte darauf, während ich das rege Treiben im Quartier beobachtete. Die Jungs spielten inzwischen wieder Wasserball. Plötzlich legten sich zwei starke Arme von hinten um meine Hüfte und als ich mich umdrehte blickte ich in die schokoladenbraunen Augen von Mats. Plötzlich fingen die Schmetterling in meinem Bauch Samba zu tanzen. „Was willst du?“, zischte ich und versuchte die Gefühle in mir zu verstecken. „Mit dir reden“, grinste Mats. „Musst du mich dazu festhalten“, motzte ich und Mats zuckte mit den Schultern. „Sonst läufst du am Ende nur wieder weg.“ Ich seufzte. „Also, was gibt’s Mats?“ Dieser sah mich einfach nur weiterhin an. „Ich dachte du wolltest mit mir reden?!“

„Ja, wegen gestern und so, tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was gestern mit mir los war.“ Ich blickte Mats an. Um ehrlich zu sein war ich gerade ziemlich verwirrt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung wofür Mats sich hier eigentlich gerade entschuldigte. Die einzige die gestern einen Fehler gemacht hat oder sich doof verhalten hat, war ich. Ich war diejenige, die wie ein kleines Kind weggelaufen war. „Aber weißt du, Jana“, fuhr Mats fort, „auch wenn ich dich noch gar nicht kenne, mag ich dich jetzt schon total gerne und ich fänds einfach toll, dich etwas näher kennen zu lernen.“ Ich nickte. „Meinetwegen.“ Mats strahlte mich an. Was ging denn jetzt mit dem schief? Ich dachte er hätte ne Freundin. „Freut mich, Kleine.“ Er drückte mir noch einen Kuss auf die nassen Haare und dann schwamm er wieder rüber zu den anderen Jungs. Was war das denn jetzt gewesen? 

Später, nach dem Abendessen ging ich nicht mit den Spielern an die Bar, auch wenn sie es mir angeboten hatten. Stattdessen suchte ich mir eine ruhige Ecke am Strand, versteckt hinter einigen Felsen um ein wenig zu trainieren. Der Sand war zum trainiern nun wirklich nicht optimal aber besser als mein Zimmer, denn dort reichte der Platz hinten und vorne nicht. In Deutschland hatte mir mein Onkel extra ein Zimmer zum trainieren im Keller eingerichtet. Nun stand ich also hier am Strand und übte, nachdem ich mich ausgiebig gedehnt hatte Sprünge. Das worin ich am schlechtesten war. Das gute am Strand war damit, dass es hier nur noch anstrengender war zu springen und ich somit meine Muskeln mehr trainierte.

„Du bist gut“, riss mich plötzlich eine mir inzwischen sehr bekannte Stimme aus meinen Übungen. Hastig drehte ich mich um und blickte in das Gesicht von Mats. „Dich wird man auch nicht los, oder?“, stöhnte ich genervt. „Nö“, grinste Mats verschmitzt. „Also, was willst du?“, fragte ich. „Eigentlich wollte ich nur in Ruhe spazieren gehen, aber dann hab ich halt dich entdeckt“, entgegnete mir Mats. Ich nickte und ließ mich in den Sand fallen. „Darf ich mich neben dich setzen?“, fragte Mats. Ich zuckte mit den Schultern. „Hab ich eine Wahl?“ Mats lachte und setzte sich neben mich. „Du, Jana, kann ich dich mal was fragen?“, brach Mats die Stille, die zwischen uns geherrscht hatte. Ich nickte.

„Cathy redet seit einigen Monaten dauernd über Hochzeiten und so, glaubst du, sie will, dass ich ihr einen Antrag mach?“ Ich hatte mit viel gerechnet, aber nicht damit, dass Mats mit mir über seine Cathy sprechen wollte. „Ich weiß nicht“, murmelte ich, „aber ich kann es mir schon gut vorstellen.“ Mats seufzte. „Willst du sie etwa nicht heiraten?“ Mats blickte mich mit seinen dunkelbraunen Augen intensiv an. „Ich glaube nicht. Ich meine, ich mag Cathy wirklich gern und so, nur in letzter Zeit zweifle ich, ob ich wirklich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen will. Ob sie der Typ Mensch ist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will.“ Verwundert blickte ich Mats an. „Darf ich fragen, warum?“ Mats seufzte und nickte. „Cahty ist, sie ist einfach oft so oberflächlich und so und sie tut immer alles für mich, sie ist wie so ein kleiner Hund. Ich brauch nur zu pfeifen und ich mein, das ist nicht schlecht, aber ich will das so nicht. Ich glaube, ich will eine Frau mit der ich auch mal streiten kann, die mir auch mal widerspricht.“ 

Schweigend blickten wir aufs Meer hinaus. Ich wusste nicht, was ich Mats antworten sollte. „Hast du einen Freund?“ Mats nahm mir die Entscheidung ab, ob und was ich ihm antworten sollte. „Nein, mein Ex ist vor einem dreiviertel Jahr nach Australien gezogen und wir haben auch noch einige Monate eine Fernbeziehung geführt, aber ich mein Australien. Es ging einfach nicht. Die Zeitverschiebung, die Distanz. Ein Flug nach Australien kostet ein Vermögen und außerdem hatte ich zu der Zeit ja auch noch Schule und dann wurden die Telefonate einfach weniger und irgendwann haben wir uns dann halt getrennt.“ Daniel und ich hatten dennoch ein gutes Verhältnis. Wir telefonierten ab und zu und schrieben regelmäßig. Doch für eine Beziehung war die Distanz doch zu groß. „Oh, das tut mir leid“, murmelte Mats. „Braucht es nicht“, lächelte ich.

Wieder herrschte Stille zwischen uns beiden. Vom Camp klang leise Musik zu uns rüber und sonst war das Rauschen des Meeres das einzige, was zu hören war. „Du, Jana, wegen vorhin..“ Wieder war es Mats, der die Stille unterbrach. „Weißt du, ich mag dich echt gerne, vielleicht sogar ein wenig zu gerne.“ Mats sah mich nicht an. „Und ich weiß nicht, weil wegen Cathy und du bist 8 Jahre jünger als ich und diese doofe Regel und..“ Weiter kam Mats nicht, denn ich drückte ihm einfach einen Kuss auf die Lippen. Für einen kurzen Moment schien dieser total überrumpelt, doch dann erwiderte er den Kuss. Erst in diesem Moment realisierte ich, was ich eigentlich gerade tat. Ich schob Mats von mir weg und sprang auf. „Oh mein Gott, tut mir leid“, entschuldigte ich mich, ehe ich davonlief.

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