Kapitel 4

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Ein Klopfen an meiner Zimmertür riss mich aus meiner Starre. Hastig rappelte ich mich auf und versuchte meine Haare noch etwas zu richten, ehe ich die Tür öffnete. Vor ihr stand Hans. „Hey, Jana, alles okay bei dir? Bereit für Behandlungspläne?", fragte er mich grinsend und ich nickte. Eigentlich hatte ich ja mal gar keine Lust, aber was blieb mir schon anderes übrig? Also folgte ich Hans in das Behandlungshaus, wo schon ein Haufen Behandlungspläne bereit lagen. „Was soll ich machen?", fragte ich Hans, als ich ihm gegenüber am Schreibtisch saß. „Lies dir die Behandlungspläne durch und falls du irgendwelche Vorschläge zur Verbesserung hast, ich bin offen für alles", zwinkerte Hans mir zu. Ich nickte und nahm mir den erst besten Behandlungsplan und begann zu lesen. Ich verstand nur die Hälfte der Worte, die dort geschrieben standen, aber ich tat einfach so, als würde ich es verstehen und als würde es mich interessieren.

„Du willst eigentlich gar nicht Ärztin oder Physiotherapeutin werden, hab ich Recht?", riss mich plötzlich Hans aus meinen Gedanken. Erschrocken blickte ich auf. Ertappt. „Durchaus möglich", murmelte ich und wusste nicht, was ich tun sollte. „Warum machst du das hier dann?", fragte Hans, wirkte jedoch keines falls sauer oder etwas in der Art. „Wegen meinem Onkel. Ich will eigentlich am liebsten zum Ballett. Am liebsten ans bayerische Staatsballett oder ans Stuttgarter Ballett. Aber mein Onkel sieht das nicht als einen akzeptablen Job an", murmelte ich. „Würdest du denn sagen, du tanzt gut?", wollte Hans wissen. „Naja, ich tanze seit meinem dritten Geburtstag", entgegnete ich verlegen. Hans blickte mich an. „Das heißt gar nichts. Es gibt auch Männer, die kicken seit ihrem dritten Geburtstag und jeder Rentner würde tausend Mal besser spielen." Ich musste lachen. „Naja, ich würde schon behaupten, dass ich ganz gut tanze", lächelte ich. Hans nickte. „Ich kann mir dich als Balletttänzerin gut vorstellen." Ich lächelte matt.

„Was hältst du davon, wenn wir das ganze so regeln, du hilfst mir bei den Spielen und kommst jeden Tag einmal mit zum Training und dann setzen wir uns jeden Nachmittag noch einmal eine Stunde zusammen und ich kümmere mich um die Behandlungspläne und du übst ein bisschen Ballett und erzählst mir ein wenig über das Ballett", schlug Hans mir vor. Ich fing an zu grinsen. „Ihr Ernst?" Hans lachte und nickte. „Oh danke", quietschte ich vor Begeisterung. „Aber erst morgen", lächelte Hans und drückte mir den nächsten Behandlungsplan in die Hand. „Na gut", murrte ich und begann zu lesen.  

Als ich wieder in mein Zimmer kam war es bereits sechs Uhr abends und in zwei Stunden würde es Abendessen geben. Würde es jedoch nach mir gehen, würde ich auf direktem Wege ins Bett wandern. Mit einem Gähnen ließ ich mich auf mein Bett fallen und nahm mein Handy vom Nachttisch. Müde entsperrte ich es und sah, dass Leo mich angerufen hatte. Mir war klar, dass es in Deutschland inzwischen mitten in der Nacht war, aber eventuell hatte ich ja noch Chancen ihn zu erreichen. Nachdem auch beim dritten Anruf nur seine Mailbox ranging, gab ich es auf, antwortete Hanna noch kurz auf ihre Nachricht, die sie mir bereits heute Vormittag geschickt hatte und legte mein Handy wieder weg. Gähnend ließ ich mich in meine Kissen sinken und schloss die Augen für eine Sekunde.

Diese eine Sekunde schien wohl doch etwas länger zu werden, denn erst um kurz vor acht riss mich ein Klopfen an der Tür aus meinem Schlaf. „Ich komme gleich", stöhnte ich müde und rappelte mich aus meinem Bett hoch. Auch wenn mein Top inzwischen etwas zerknittert und meine Haare komplett ruiniert waren, ging ich so wie ich war zum Essen. Beinahe alle anderen waren bereits da und als ich den Raum betrat, merkte ich förmlich, wie Mats Blick auf mir lag. Ich ignorierte ihn gekonnt und ließ mich auf meinen gewohnte Platz sinken, wo Hans mir vielsagend zuzwinkerte, weshalb ich schmunzeln musste. Es gab Reis mit Gemüse und Putengeschnetzeltes. Ich aß jedoch nur Reis und Gemüse, da ich mich seit meinem elften Lebensjahr vegetarisch ernährt. Ich hatte inzwischen echt großen Hunger, weshalb ich gleich zu einer größeren Portion griff. „Jana hat mir erzählt, sie würde gerne ans bayerische Staatsballett oder Stuttgarter Ballett", begann Hans plötzlich ein Gespräch mit meinem Onkel. „Ja, das weiß ich, aber mir wäre es viel lieber, wenn sie sich einen Job mit gescheiten Aussichten suchen würde", seufzte mein Onkel.

„Das ist ein Job mit gescheiten Aussichten!", mischte nun ich mich ein. „Ach Jana, wie lange kannst du schon Ballett tanzen? Bis du 30 bist?", meinte mein Onkel sichtlich frustriert. „Es gibt Balletttänzerinnen, die tanzen bis sie 50 sind und mal ganz abgesehen davon, könnte ich ja dann den Nachwuchs trainieren, vielleicht auch Regie bei irgendwelchen Balletts haben oder etwas anderes. Im Ballett gibt es so viele Möglichkeiten. Das ist doch nichts anderes als Fußball", motzte ich. „Wieso willst du nicht Ärztin oder so etwas werden", erwiderte Joachim sichtlich verzweifelt. „Weil ich damit nicht glücklich werden würde, du bist doch auch schließlich Fußballer geworden und nicht Jurist oder etwas in der Art!" Mein Onkel sah mich genervt an, doch mir war klar, dass er auf dieses Argument nichts zu erwidern wusste. „Wir müssen diese Diskussion nicht hier und nicht jetzt führen!" Wie ich es voraus gesagt hatte. Jetzt gingen ihm die Gegenargumente aus.

Als ich später mal wieder in meinem Zimmer lag, klopfte es an meiner Tür. „Ja?", fragte ich und blickte von der Zeichnung auf, an der ich gerade saß, als Thomas Müller und Manuel Neuer mein Zimmer betraten. „Was wollt ihr denn hier?", fragte ich verwundert. Ich hatte eher damit gerechnet, dass mein Onkel oder Hans vor der Tür standen. „Wir wollten wissen, ob du mit raus kommst. Einige von uns sind an der Bar und die anderen im Pool. Wir dachten, du hättest vielleicht Lust etwas zu unternehmen", schlug Thomas vor. „Na laut meinem Onkel und seinen dämlichen Regeln darf ich ja nicht wirklich mit euch Kontakt haben", seufzte ich. „Wir haben mit deinem Onkel geredet", lachte Manu, „und er meinte, eigentlich hat er nichts dagegen, wenn du mit uns als Gruppe was unternimmst, nur halt nicht mit einem einzelnen, aber er will ja nicht, dass du hier vollkommen desozialisierst." Ich musste lachen. „Okay, ich komm gleich nach, ich zieh mir nur noch was Wärmeres an." Thomas und Manu verließen wieder mein Zimmer und ich öffnete meinen Kleiderschrank.

In einem einfachen weißen T-Shirt, dass mir deutlich zu groß war, schließlich war es von Leo, einer schwarzen Leggins und einfach Flip-Flops lief ich in Richtung Bar. Mir war durchaus bewusst, dass ich aussah wie ein Penner, auch wenn meine Haare inzwischen wieder schön über meine Schultern fielen. Doch irgendwie störte mich das nicht im Geringsten. Ich erkannte, dass die Mehrzahl der Spieler sich an der Bar befand. Darunter leider auch Mats. Als er mich erblickte kam er sofort auf mich zu. „Na Kleine", grinste er. „Ich bin nicht klein", motzte ich. „Doch, bist du. Magst du was trinken?" Ich nickte. „Ein Bier wär geil." Wie auf Kommando lief Mats zur Bar und kam nur wenige Minuten mit einem schönen kühlen Bier zurück. „Du, Jana, wegen vorhin..", fing Mats plötzlich an und vor Schreck hätte ich ihm beinahe das Bier ins Gesicht gespuckt. Doch da kam meine Rettung. Jerome Boateng. „Na ihr beiden", grinste er und rettete mich so zumindest für diesen Abend vor Peinlichkeiten.

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