Kapitel 8

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Ich blieb den Rest des Tages, so wie auch den nächsten in meinem Bett. Ab und zu telefonierte ich mit Hanna und ein paar Mal kamen einige Spieler mich besuchen. Erst am Abend stand ich wieder auf und sofort kam ein riesiger Schwindel über mich, so dass ich beinahe umkippte. Doch ich fing mich bald wieder und lief auf direktem Weg ins Bad. Ein Blick in den Spiegel verschlug mir den Atem. Meine Haare standen in alle Richtungen ab und auch wenn ich so viel geschlafen hatte, hatte ich tiefe dunkle Ringe unter den Augen. Ich zog die Klamotten aus, die ich nun zwei Tage am Stück getragen hatte und stieg unter die Dusche. Das kalte Wasser belebte meine Sinne wieder und so langsam kam ich wieder zu mir. Ich hatte den Spielern versprochen zum Public Viewing der WM-Eröffnung zu kommen und das hieß ich würde Mats wieder sehen.

Ich würde ihn einfach ignorieren und mich stattdessen zu Sami setzen. Er hatte mich in letzten 48 Stunden am meisten besucht und ich verstand mich echt gut mit ihm. Er war wie ein großer Bruder oder so etwas in der Art. Ich stieg aus der Dusche und wickelte mich in ein großes Handtuch, ehe ich zurück in mein Zimmer ging. Aus meinem Kleiderschrank holte ich eine Jeans, die bis kurz über den Knöchel ging und einen dünnen weiten schwarzen Pulli. Dazu zog ich mal wieder meine weißen Chucks an, ehe ich die Treppe nach unten und aus dem Haus lief. Die frische Luft tat mir gut. 

Fröhlich schlenderte ich in Richtung Bar, wo eine Leinwand und ein Beamer aufgestellt waren. Die meisten Spieler waren bereits da. „Jana, auferstanden von den Toten?“, grinste Sami und lief auf mich zu als er mich erblickte. „Sami, du warst vor vier Stunden noch bei mir“, lachte ich und umarmte Sami. Mein Onkel hatte inzwischen eingesehen, dass Sami und ich sehr gut befreundet waren. Auch wenn wir uns erst wenige Tage kannten. „Setzt du dich zu mir?“, fragte Sami mich mit großen Hundeaugen und lachend nickte ich. 

Zusammen setzten wir uns auf eine Liege. Sami saß hinter mir und ich saß zwischen seinen Beinen. „Na, neues Traumpaar?“, scherzte Thomas, der neben uns saß. „Sicher“, lachte Sami und küsste meine Haare. Ich lehnte mich an Samis durchtrainierte Brust und starrte auf die Leinwand. Die Eröffnungsfeier hatte so eben angefangen und und nun tanzten dort irgendwelche Frauen und anscheinend sollte das die Natur darstellen. Alles was ich sah waren affige Tänze in noch affigeren Kostüme. „Wie lange geht das so?“, fragte ich Sami genervt. „Keine Ahnung, ich hoffe nicht zu lange“, lachte dieser. „Das ist ja furchtbar langweilig“, stöhnte Thomas neben uns. „Ein ganz klein bisschen“, grinste Kevin Großkreuz auf der anderen Seite. 

„Also wenn das so weiter geht schlaf ich gleich ein“, seufzte ich. „Du hast die letzten 48 Stunden fast nichts anderes als schlafen getan“, lachte Sami. „Na und?“, widersprach ich und schloss demonstrativ die Augen, nur um sie wenige Sekunden später wieder zu öffnen als Sami mir in die Seite piekste und ich leise aufschrie. Die halbe Mannschaft drehte sich belustigt um. Da erblickte ich zwei wunderschöne braune Augen. Mats. Mein Herz setzte für einen Moment aus, als ich in seinem Blick so etwas wie Neid oder so sah. Hastig drehte er sich wieder weg und genervt ließ ich mich wieder an Samis Brust sinken.

„Alles okay?“, fragte dieser mich besorgt. „Ja, ich denke schon“, murmelte ich und kuschelte mich in Samis Arme. „Ich hol mir was zu trinken, soll ich euch was mitbringen?“, fragte Thomas uns. „Ein Bier wär nett“, lächelte Sami. „Magst du auch was?“, fragte Thomas nun auch mich. „Kannst du mir ein Radler mitbringen?“, bat ich ihn und Thomas nickte. Fünf Minuten später kam er mit zwei Flaschen Bier und einer Flasche Radler wieder. Wir stießen an und tranken einen Schluck. Bis zum Anfang des Spieles trank ich ganze vier Radler, sonst würde ich das hier nicht überstehen. „Übertreibs nicht, Jana“, meinte irgendwann mein Onkel, als er an uns vorbeilief. 

Irgendwann fing das Spiel dann an und während die Jungs begeistert das Spiel guckten und darüber diskutierten schrieb ich mit einigen Freunden. Insbesondere mit Hanna und Leo, doch wer hätte es gedacht? Die beiden guckten auch Fußball und wollten dauernd mit mir darüber reden. Inzwischen lief bereits die zweite Halbzeit und all zu lange würde das Spiel glücklicherweise nicht mehr gehen. Und bis jetzt musste ich mich noch keine Sekunde über Fußball unterhalten. „Jana, das war doch Abseits, Thomas und Basti meinen nein, Kevin und ich ja!“ Sami zerstörte damit mein Plan nicht über Fußball zu reden.

„Keine Ahnung. Erstens hab ich nicht hingeschaut und zweitens weiß ich noch nicht mal was Abseits ist“, entgegnete ich. „Dein Ernst? Jungs, unsere kleine Campprinzessin weiß nicht was Abseits ist!“, rief Sami entgeistert. Sofort drehten sich alle zu uns um und blickten mich entsetzt an. „Na und? Mich interessiert Fußball nicht und ihr könnt mir zum Beispiel auch nicht erzählen ihr wüsstet, was ein Fouette en tournat ist“, verteidigte ich mich. „Das hast du dir doch gerade ausgedacht“, lachte Schmelle. „Nö“, grinste ich, stand auf und machte ein simples Fouette en tournat. „Na jetzt dürfen wir dir auch erklären was Abseits ist“, grinste Mario Götze. „Tu dir keinen Zwang an, werde ich eh nicht verstehen“, erwiderte ich.

„Aaaaalso, wenn ein Spieler einem anderen Spieler in der gegnerischen Hälfte einen Ball zuspielt darf dieser nicht der letzte Mann vorm Tor sein“, erklärte Mario. „Ahja“, erwiderte ich. Eigentlich gar nicht so kompliziert. „So kompliziert ist das doch gar nicht“, sprach Sami meine Gedanken aus. „Ja, durchaus möglich“, grinste ich. Vielleicht war Fußball ja doch einfacher als ich gedacht hatte. Ich hatte dennoch Glück und musste mich den Rest des Spieles nicht mehr mit Fußball befassen, sondern durfte mich voll und ganz auf mein Handy konzentrieren. 

„Sag mal, wer ist eigentlich Leo?“, fragte Sami nach dem Spiel, als wir gemeinsam an der Bar saßen und etwas tranken. „Einer meiner besten Freunde. Eigentlich heißt er ja Leonard, aber der Name ist ja wohl eine echte Strafe“, entgegnete ich, „Aber sag mal, willst du mir etwa sagen, dass du in mein Handy geguckt hast?“ Empört blickte ich Sami an. Dieser zuckte mit den Schultern. „Möglich ist alles!“ Er lachte. „Mach das nie wieder!“, warnte ich ihn und boxte ihn leicht gegen die Schulter. „Natürlich, Fräulein Löw“, lachte dieser weiter. 

Gespielt beleidigt zog ich ab und setzte mich zu Schmelle. „Na, Kleine“, begrüßte dieser mich lächelnd und wuschelte mir durch die dunkelblonden Locken. „Wieso meinen immer alle ich wäre klein?“, jammerte ich. Schmelle lachte. „Ach Jana...“ Plötzlich stand Mats neben Schmelle. „Du, Jana?“ Na super, der hatte mir gerade noch gefehlt. „Kann ich kurz mit dir reden?“, fragte er. Seufzend nickte ich und folgte ihm in Richtung Strand.

„Wegen vorgestern“, fing Mats an. „Es tut mir leid“, unterbrach ich ihn, „Ich weiß auch nicht was in mich gefahren ist, als ich dich geküsst habe.“ Mats blickte mich an und es schien mir fast, als läge in seinen Augen so etwas wie Trauer oder Enttäuschung. „Der Kuss war schön“, meinte er. Ich nickte. „Ich glaub ich mag dich viel zu sehr“, seufzte Mats, trat noch einen Schritt auf mich zu und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Welch ein Glück, dass wir inzwischen weit genug weg von den anderen waren, so dass diese uns nicht mehr sehen konnten. „Ich...“ Gerade wollte ich etwas sagen, doch dieses Mal war es Mats der mir das Wort abschnitt, in dem er mich küsste. Es war kein langer Kuss, aber er reichte völlig, um mir jegliche Sinne zu rauben.

„Was ist das zwischen uns jetzt?“, fragte Mats und ich zuckte mit den Schultern. „Weißt du, Jana, ich mag dich wirklich sehr und ich weiß, dass ich das schon gesagt habe, aber ich würde das hier echt gerne versuchen“, murmelte Mats und küsste mich noch mal kurz auf die Lippen. „Ich auch“, murmelte ich. „Aber ich weiß nicht. Es ist falsch Mats. Und du kennst mich nicht einmal wirklich. Es gibt Seiten an mir, bei denen würdest du Angst bekommen, würdest du sie kennen." Traurig sah Mats mich an. "Es tut mir leid Mats, aber wir sollten das einfach alles vergessen, okay? Es würde eh nicht funktionieren. Wir tuen einfach so als wäre nie etwas gewesen." Mats nickte. "Es tut mir leid", flüsterte ich, hauchte Mats einen letzten Kuss auf die Wange, drehte mich um und lief davon. Weg von Mats, weg vom Camp, weg von allem.

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