Lostopf

Kapitel 11

Well it's a big, big city and the lights are all out
But it's as much as I can do you know to figure you out
And I must confess, my heart's in broken pieces and my head's a mess
And it's 4 in the morning, and I'm walking alone

Whistle For The Choir - The Fratellis

Lieber Billie,

im Briefeschreiben war ich noch nie wirklich gut.

Liegt vermutlich daran, dass mir die Regeln des Briefeschreibens irgendwann in der siebten Klasse abhanden gekommen sind.

Wahrscheinlich bin ich sogar besser darin, eine Abhandlung über den amerikanischen Bürgerkrieg zu schreiben.

Trotzdem hab' ich gerade irgendwie das Gefühl, dir dringend schreiben zu müssen.

John ist wütend.
Frances ist wütend.
Und ich - ich bin mir nicht sicher, wie ich mich denn nun dir gegenüber verhalten sollte.

Kennst du diese typischen Break-Up-Phasen aus diesen klassischen Liebesfilmen? So geht es mir irgendwie nicht. Ich hab' nicht erst stundenlang geweint, mich mit Eis vollgestopft, Rotwein getrunken bis zum Umfallen...
Nein, ich habe auch keine verzwickten Racheaktionen geplant, bin nicht in die nächstbeste Bar getorkelt und habe mich an irgendeinen Typen herangeschmissen. Ich habe nicht mal ständig auf mein Handy gesehen und mich gefragt, wann du endlich anrufen und dich entschuldigen würdest. Liegt wahrscheinlich daran, dass wir nie wirklich zusammen waren und man die ganze Situation nicht als "Schlussmachen" bezeichnen kann.

Wir waren alle von deiner SMS überrascht.

Überspringen wir mal die Tatsache, dass du mir damit ziemlich weh getan hast, im Ernst, das spielt jetzt keine so große Rolle. Das mit John war einfach unfair. Du hast ein Problem mit mir und wirfst deshalb deinen Schlagzeuger aus der Band? Ich fürchte, ich verstehe deine Logik nicht.
Vielleicht ist da aber auch gar keine Logik dahinter, vielleicht hattest du gar keinen Grund dazu, wer weiß.
Worüber ich mir bis jetzt aber immer noch den Kopf zerbrochen habe ist, warum du eigentlich nicht mitkommen konntest, beziehungsweise wolltest. Wenn es nicht an Viven und Hunter lag, was war es dann?
Nein, irgendwas anderes musste es gewesen sein und ich zerbreche mir gerade wirklich den Kopf darüber.
Lag' es daran, dass wir weiterfahren wollten und ich nicht bleiben konnte? Irgendwie unwahrscheinlich, ich hatte dir ja angeboten, mitzukommen.

Wir kannten uns kaum, da hast du Recht.
Himmel, wir haben uns nicht richtig vorgestellt - ich kenne nicht mal deinen Nachnamen.
Sollten wir das nachholen?

Im Endeffekt spielt das keine so große Rolle mehr - jetzt, wo wir uns sowieso nicht mehr sehen werden.
Versteh' mich bitte nicht falsch, das hier soll kein Abschiedsbrief werden. Im Gegenteil.
Ich glaube, ich sollte diesen Brief nicht nur dazu nutzen, mich zu erklären und dir einen Haufen rhetorischer Fragen zu stellen - ich sollte mich wahrscheinlich auch mal richtig vorstellen.

Mach' dich bereit - das wird meine halbe Lebensgeschichte.

Ich bin Julianna.
Julianna Chevy O'Kennedy - aber fang' jetzt bitte nicht an mich nur noch Julianna Chevy zu nennen. Wir sind nicht bei The Fault In Our Stars - du bist nicht Augustus und ich sicher nicht Hazel Grace.
Frances konnte im Kindergarten meinen Namen nie aussprechen und eindeutschen wollte sie ihn nicht, deshalb war ich immer nur Julie für sie. Die mit den roten Haaren aus Irland.
Damit wären wir schon wieder bei einem anderen Thema.
Frances.
Frances heißt eigentlich nicht Frances Smith.
Frances heißt eigentlich Franziska Schmidt und ist meine beste Freundin. Das war sie schon immer - seit knapp 18 Jahren. Wir sind jetzt beide 21 - sie ein paar Monate älter als ich. Ein Wunder, wie sie es so lange mit mir ausgehalten hat.