Kapitel 12

248 21 10
                                    

It just takes some time
Little girl, you're in the middle of the ride
Everything, everything will be just fine
Everything, everything will be all right

Jimmy Eat World ~ The Middle  


"Rechts"

"Nein, nein. Links. Links und dann an der nächsten nochmal links und dann erst rechts." 

"Wirklich? Links, links und dann rechts? Dann fahren wir im Kreis und sind an derselben Stelle! Frances, du denkst viel zu kompliziert, im Ernst. Siehst du, das ist der Grund warum Ausmalbücher für Erwachsene zurückkommen!"

Kopfschüttelnd sah ich von meinem Display auf und beobachtete Frannie und John dabei, wie sie sich um den richtigen Weg zur Chesapeake Bay stritten. Alle Viere von mir gestreckte lag ich quer auf dem ledernen Rücksitz und unterhielt meine Erzeugerfraktion mit den typischen Lügen: Mir geht es gut, ich werde nicht zu lange wach bleiben und nein, das sind keine Drogen - das ist meine italienische Gemüsekräutermischung für besondere Anlässe. Weder Charlie noch Billie hatten sich gemeldet, bei letzterem hatte ich es auch nicht erwartet. Ich hatte dem Postboten, den ich das letzte Mal auf dem Weg zum Haus des Gitarristin gesehen hatte, meinen Brief in die Hand gedrückt und ihn gebeten, diesen am Tag des Auszugs von Beej und Vivien zu überreichen. Nach zwanzig Dollar und reglichem Augenklimpern war ich meine verwirrenden Zeilen los - und den größten Teil meiner traurigen Stimmung ebenso.

Mir ging es wirklich besser - nur Frances zweifelte daran und ihre zweifelnden Blicke trieben mich zur Verzweiflung. Ihre anklagenden blauen Augen verfolgten mich die ganze Fahrt über, bis wir zwei Stunden später endlich am Strand hielten.

Es war Spätmärz, des Thermometer zeigte uns beinahe unglaubliche 80° Fahrenheit an und der mintgrüne VW Bus stand unsicher "geparkt" mitten im Sand. Während John sich auf den Weg in den nächstbesten Shop gemacht hatte, saß ich im Lotussitz auf dem warmen Boden und starrte auf den verrosteten, schwarzen Kessel auf meinem Schoß. 10 Lose hatten wir geöffnet. 11 mit dem von vorhin. Aufgaben, die uns meistens nicht gerade Lob einbrachten und uns vor die ein oder andere Herausforderung stellten. Ich sah dem Ganzen ziemlich skeptisch gegenüber, aber inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt. Frannie hielt mir immer vor, dass man nur einmal lebte und zugegebenermaßen hatte sie recht und  ich wollte kein langweiliges Leben führen und schließlich, umringt von meinen dreizehn Katzen, sterben. Gedankenverloren starrte ich in das bunte Gemisch von Papierröllchen und -schnipseln, bis meine Roadtrippartnerin sich direkt vor mir in die Sonne stellte. 

"Okay. Hey."

"Mh?", mit zusammengekniffenen Augen sah ich der Blonden entgegen und hob eine Augenbraue.

"John ist weg. Zeit für Girls-Talk."

Seufzend klopfte ich auf den Sand neben mir: "'kay. Sprich." 

"Du warst ziemlich beschäftigt mit deinem Handy bis vorhin, wem hast du geschrieben?" 

"Jedenfalls nicht Billie."

"Jedenfalls nicht Billie?"

"Komm' schon, Frances. Wir kennen uns jetzt seit weit über 10 Jahren - spucks' schon aus." 

Unsicher drehte sie sich in Richtung Stadt um.
Heißer Sand, rote Dachziegeln, die die Sonne reflektierten, lachende Kinder und Eisverkäufer, die trotz Klimaanlage in ihren Wägen schwitzten - weit und breit kein John zu sehen. 

"Ich weiß nicht. Du warst so fertig wegen ihm. Du...du standest komplett neben dir. Es gab keinen Zusammenbruch, keinen Heulkrampf, kein theatralisches Gegen-die-Wand-schlagen - nichts. Hast nur das Nötigste gesagt und auf einmal ist alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen? Mädel, ich kenn' dich lange genug, um zu wissen, dass da noch irgendwas ist, was du mir nicht erzählt hast oder auch einfach nicht erzählen willst." 

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 09, 2022 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

LostopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt