Klärung der Fronten

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Lautes Gepolter und Fluchen riss mich aus dem Schlaf. Schlaftrunken wandelte ich ins Wohnzimmer. Hier sah es aus wie im Schweinestall und Mary befand sich mitten drin. Verzweifelt blickte sie zu mir auf. „Ich finde meinen Geldbeutel nicht." Oh Mann. Kopfschüttelnd ging ich zurück in mein Zimmer. Verschlafen schlüpfte ich in meine graue Lieblingsjeans und warf mir ein rotes T-Shirt über. Als ich ins Wohnzimmer kam, hatte ich gehofft, dass es besser aussehen würde, doch genau das Gegenteil war geschehen. Mary hatte angefangen die Sofakissen in das Chaos zu verteilen. Wenn ich sie sich nicht bald beruhigte, dann hyperventilierte sie noch. „Hey, hey Mary. Luft holen. Einmal tief durchatmen. Wann hast du ihn denn das letzte Mal gesehen?"
„Keine Ahnung. Ich glaube gestern bei der Arbeit." Wetten sie hatte ihn liegen gelassen. Ach Mary, sie war so oft verplant und vergaß ihre Sachen. Mein Magen knurrte. Bevor ich ihr helfen konnte, musste ich etwas Essen. „Komm frühstücken wir erst einmal. Dann helfe ich dir suchen."
Mit Belustigung in den Augen schaut Mary mich an: „Hast du schon einmal auf die Uhr geschaut?" Als ich auf die Küchenuhr schaute, musste auch ich lächeln. Wir hatten halb zwölf. „Müsli zum Mittagessen?"
Beide schnappten wir uns eine Müslischüssel und pflanzten uns auf die Kissen am Boden. Leider wurde unser gemütliches Frühstück/Mittagessen vom Telefon gestört. Während Mary telefonierte konnte ich an ihrer Mimik schon ablesen, dass mir nicht gefallen würde, was sie mir gleich erzählen würde. Nachdem sie aufgelegt hatte, legte sie zögernd das Telefon ab und zog eine Grimasse in meine Richtung. Bevor sie anfangen konnte zu sprechen schüttle ich den Kopf. „Lass mich mein Müsli in Zufriedenheit essen. Dann darfst du mein Glück zerstören." Als wir beide fertig waren, räumte ich auf während sie mir die schlechte Nachricht erzählte. „Das war gerade Sheriff Stilinski. Wir brauchen heute Abend noch Leute im Dienst, weil wir zwei verletzte Deputys haben. Es tut ihm wirklich leid, aber ich muss heute Abend arbeiten."
„Aber heute ist Silvester." Das war gemein. Wenn sie heute Abend nicht da war, was sollte ich dann machen? An Silvester alleine.
„Ich weiß, es tut mir Leid. Aber weißt du, an Silvester bekommt man extra Geld und ich könnte das echt gut gebrauchen." Im Moment konnte ich sie nicht verstehen. Es nervte mich zu sehr. Um einen Streit zu vermeiden, brummte ich irgendetwas und begab mich in mein Zimmer. An der Tür rief Mary noch: „Sei nicht böse. Das mache ich auf jeden Fall wieder gut." Alles was ich darauf erwiderte war: „Räum hier auf. Es sieht schrecklich aus." Dann war ich aus der Tür.

In Deutschland war es jetzt mitten in der Nacht. Eigentlich schrieb ich meiner besten Freundin sofort, wenn mich etwas aufregte, doch manchmal vergaß sie ihren Klingelton auszuschalten und ich wollte sie nicht wecken. Deswegen setzte ich mich an den Computer. Keine fünf Minuten später hatte ich mich in das Computersystem von der Polizeistation gehackt. Eine weitere Minute später konnte ich alles sehen, was der Sheriff sah. Mit ein bisschen suchen, fand ich, was ich wissen wollte. Es waren wirklich viele Depuys, die ausfielen. Wirklich glücklicher machte mich dieses Wissen nicht, doch wenigstens hatte der Seriff nicht gelogen. Da es mir nicht besser ging, schrieb ich meiner Freundin doch. Es wurde eine seitenlange Beschwerde und am Ende fühlte ich mich besser.

Es klingelte an der Haustür. Mary rief mir, dass es für mich sei. Für mich? Hoffentlich nicht Derek. Auf noch mehr deprimierende Stimmung hatte ich keine Lust. Ohne Eile schlürfte ich an die Tür. Doch vor mir stand nicht Derek. Es waren Scott und Stiles. Verblüfft brachte ich kein Wort heraus. Was wollten sie? Meinen Tag noch schlechte machen? Vielleicht vertrauen sie mir auch nicht und wollen überprüfen, ob ich sie nicht umbringen wollte. Zudem konnte ich das Gefühl nicht unterdrücken, aber ich empfand leichten Ärger beim Anblick von Stiles. Eigentlich wusste ich ja, dass es weder seine Schuld noch wirklich die Schuld von seinem Vater war, dass mein Silvester im Eimer war, aber das Gefühl war da.
„Das ist das Mädchen, das auf einen Berserker geschossen hat? Sie sieht ja bei unserem Anblick schon aus wie ein Reh im Scheinwerferlicht."
„Zwei." Antwortete ich. Stiles schien mir nicht folgen zu können. „Ich habe auf zwei Berserker geschossen."
„Ah sie kann doch ganze Sätze bilden. Weißt du was das heißt. Wir sehen noch schlimmer aus als Berserker, wenn sie bei uns erstarrt."
„Vielleicht hast du Recht, sie ist an deinem Gesicht erschrocken. Denn als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie normal." Bevor ich mir ihren Schlagabtausch noch weiter anhören musste, unterbracht ich sie: „Wieso seit ihr hier?"
Stiles richtete seine Aufmerksamkeit auf mich: „Mein Freund Scott tendiert dazu Menschen zu schnell zu vertrauen. Du hast da letztens ziemlich viel gesehen und für mein Gewissen darauf überhaupt nicht reagiert." Na toll. Jetzt fing er auch noch an. Ohne ein weiteres Wort ließ ich beide an der Tür stehen und ging in die Küche. Jetzt wollte ich einen Kaffee. Glücklicherweise hatten Stiles und Scott meinen Wink verstanden und waren mir in die Küche gefolgt. „Kaffee?" Beide schüttelten den Kopf. „Na dann Mal los. Fangt an mich auszufragen. Ist ja nicht das erste Mal." Der Kaffee war fertig und mit viel Milch und Zucker setzte ich mich an dem Tisch. Sich setzen fragte Scott: „Wie meinst du das?"
„Derek hat es nicht erzählt? Als er mich Heim gefahren hat, hat er mir ziemlich deutlich seine Zweifel an meinem gutwilligen Eingreifen klar gemacht. Doch ihm schien das nicht gereicht zu haben, denn gestern hat er mich gestalkt. Es ging so weit, dass er sich sogar vor meinem Haus postiert hat."
„Stalking? Er trägt sowie so am liebstem schwarz. Unser kleiner Spaßmuffel. Passt zu ihm."
„Er kann nicht einfach Leute beschatten." Gab Scott zu bedenken. „Wieso nicht? Er vertraut Menschen nicht gleich so schnell. Das solltest du auch nicht." Genervt rollte ich mit den Augen. „Wisst ihr was Jungs. Normaler Weise würde ich alles abstreiten, aber ich habe heute schon einen scheiß Tag. Also ja. Ich bin hier her gekommen um euch alle auszurotten, weil ich Werwölfe hasse. Einfach so aus Prinzip. Gut, dass ihr den Kaffee abgelehnt habt. Sonst würde wir die Unterhalten jetzt nicht führen." Ich sollte wieder ins Bett gehen. Einfach Silvester verschlafen. Den Jungs hatte es die Sprache verschlagen. Stiles bracht nur ein „Ähm" heraus. „Das war ein Scherz. Tut mir Leid, heute ist nicht mein Tag und ständig als Böse dargestellt zu werden, wenn ich nur helfen will, macht das nicht besser."
„Was ist los?"
„Ach, weil bei euch auf der Polizeistation so viele Deputys krank sind, wie zum Beispiel, Sentis weil er
zu dumm war die Weihnachtsdekoration abzunehmen oder Kalfnick der mit Grippe flach liegt, muss Mary heute Abend arbeiten und ich kann Silvester alleine verbringen." Stiles beuge sich weiter über den Tisch: „Woher weißt du warum sie krank sind?" Genau in diesem Moment kam Mary in die Küche. Vorwurfsvoll sah sie mich an: „Luci hast du dich in Computersystem der Polizeistation gehackt?"
Aufgebracht fuhr ich sie an: „Ich wollte nur wissen, wie dringend du gebraucht wirst. Wenn man mir Silvester verdirbt, will ich wissen ob es sich lohnt."
„Du weißt, dass das illegal ist."
„Woah, woah", mischte Stiles sich ein. „Du kannst hacken?"
„Stiles, vergiss was du gerade gehört hast. Wegen der ganzen Sache mit Silvester vergesse ich es auch, aber du kennst die Konsequenzen. Ich fahr schnell auf die Wache, suche meinen Geldbeutel und kaufe ein. Bis nachher."
Wütend rief ich ihr noch hinter her: „Damals als du dachtest dein Freund betrügt dich, fandst du es nicht schlimm, das ich mich in sein Konto gehackt habe." Dann war sie weg.
„Du siehst nicht aus wie jemand, der hacken kann." Stiles mustert mich ausgiebig. Gab es jetzt schon ein bestimmtes Aussehen für Hacker? „Wenn ich zugebe, dass ich hacken kann, bin ich dann noch verdächtiger in deinen Augen?"
Nachdenklich lehnt Stiles sich in seinem Stuhl zurück. „Möglicher Weise."
„So kommen wir nicht weiter." Merkte Scott an. Er hatte Recht. Wenn alle glaubten, ich führe etwas im Schilde, würden wir uns nie von der Stelle bewegen.
„Okay, ich stelle das jetzt zum letzten Mal klar. Ich habe keine bösen Pläne. Wie denn auch? Ich kenne euch nicht und bei dem was ich bis jetzt erfahren habe, ist Derek der einzige bei dem ich mir noch nicht sicher bin, ob ich ihn mag. Soweit ich das bis jetzt sagen kann, seid ihr nette Menschen. Ich habe euer Gespräch mit gehört ja. Ich gebe es zu ich bin ein neugieriger Mensch und als ich dann später diese Frau herumschleichen gesehen habe, machte es mich noch neugieriger. Ich hätte entweder alleine ins Kino gehen können oder der Frau folgen. Es ist ja wohl nicht schwer zu erraten, was ich getan habe. Natürlich fand ich es gruslig Scott mit roten Augen zu sehen, aber euch zu helfen hatte Priorität. Wenn ich weggerannt wäre und euch wäre etwas passiert, wie hätte ich damit leben können? Es war eine Kurzschlussreaktion, konnte ich wissen, dass den Berserker Schüsse nichts ausmachen. Was sind das überhaupt für Dinger?"
„Und?" Stiles zog eine Augenbraue nach oben, während er Scott anschaute. „Sie sagt die Wahrheit." Er hatte meinen Herzschlag mitangehört. Ich schnappte mir ein Polster vom Stuhl und warf es auf Scott. „Das sage ich doch die ganze Zeit schon." Scott sah mich lächelnd an. „Hier in Beacon Hills ist meistens nichts wie es scheint. Wir müssen aufpassen wem wir trauen. Es ist noch nicht lange her, da hat eine Lehrerin von uns ihre bösen Pläne in die Tat umgesetzt."
„Und jetzt vertraut ihr niemand mehr?" Gar kein Vertrauen war doch keine Lösung. „Wir passen auf wem wir vertrauen. Wie wär es, als Entschuldigung retten wir dein Silvester." Wie wollte Stiles das machen? Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. „Wir feiern heute alle bei Derek Silvester. Um acht hole ich Scott und Kira ab. Komm doch mit. Feiern wir alle zusammen ich lade dich ein." Besser als alleine. Aber Derek wollte mich bestimmt nicht in seiner Wohnung. „Ich weiß nicht. Ich glaube das ist keine gute Idee. Derek vertraut mir nicht und ich kenne euch gar nicht. Das kann ich nicht machen."
„Derek wird sich damit schon abfinden ansonsten ignorier ihn einfach." Munterte Scott mich auf. In einem plötzlichen Geistesblitz sprang Stiles vom Tisch auf und fuhr sich durch die Haare. „Verdammt ich hatte versprochen Malia noch zu Lydia zu fahren."
Ich begleitete die beiden noch zur Tür. Stiles legte mir nahe, dass ich es mir noch einmal überlegen sollte und Scott meinte, dass ich für sie auf zwei Berserker geschossen hatte, da konnte ich auch mit ihnen Silvester feiern. Ich überlege es mir versicherte ich ihnen. Innerlich war ich Zwiegestalten. Alleine Silvester zu verbringen, darauf hatte ich wenig Lust, aber mit fast Fremden. Sie kamen mir nett vor, aber ich hasse es, mich aufzudrängen.

Um drei war Mary wieder gekommen und ich hatte mich entschuldigt. Es war falsch mich gleich überall hinein zu hacken, wenn mir etwas nicht passte. Wir begruben unseren Streit. Um sechs musste sie gehen. Sie sagte ich sollte später noch nach der Post sehen, sie hatte vergessen, sie herein zu holen. Als sie weg war, zog ich meine Schuhe an. Ihr Briefkasten befand sich am Anfang ihrer Hofeinfahrt.
Ich hatte gerade den Briefkasten erreicht, als ich jemanden hinter mir spüre. Meine Gedanken schalten sich aus. In einer lang geübten Routine rammte ich meiner Ellenbogen nach hinten und hörte das erwartete Stöhnen. Ohne zu zögern, drehte ich mich um, schnappte mir einen Arm und ein paar Sekunden später lag die Person auf dem Boden. Erst als ich das zweite Stöhnen hörte, wurde mir bewusst wen ich dort gerade auf dem Boden geworfen hatte. Derek. „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott. Das tut mir Leid." Mit schmerzverzerrten Gesicht schaute Derek zu mir auf: „Wie hast du das gemacht? Du siehst nicht einmal stark aus." Er konnte meckern, dann ging es ihn nicht all zu schlecht. „Das hat nichts mit Stärke zu tun, sondern mit Technik." Stöhnend stemmte Derek sich auf die Arme. „Eigentlich bin ich gekommen um mich zu entschuldigen."
„Du bist bestimmt kein Typ der sich entschuldigt. Wolltest du mich wieder stalken?" Als ob er sich entschuldigen würde. Da konnte er mir auch erzählen, dass er Gedichte schrieb. Schwachsinn.
„Ja vielleicht nicht ganz freiwillig. Scott sagte mir ich solle mich entschuldigen, damit du heute Abend nicht das Gefühl hast nicht willkommen zu sein." Das machte mehr Sinn. Der Gedanke, dass Scott es schaffte Derek dazu zu bekommen sich zu entschuldigen, war putzig.
„Kommst du heute Abend?" Das war die große Frage. Wirklich entschieden hatte ich mich nicht. Dazu kam jetzt, dass ich Derek gerade auf den Boden geworfen hatte, keine meiner Glanzleistungen. Mit ihnen zu feiern wäre bestimmt cool, doch ich sollte nicht. „Ich glaube nicht. Das passt nicht in meinen Zehn-Schritte-Mord-Plan rein."
Skeptisch zog Derek eine Augenbraue nach oben. War ihm bewusst, dass er immer noch auf dem Boden saß?
„Zehn-Schritte-Mord-Plan? Und bei welchem Schritt sind wir gerade?
„Sieben."
„Und wie sieht Schritt Sieben aus?"
„Frägt der Typ, der zu meinen Füßen liegt?"
In einer freundschaftlichen Geste reichte ich ihm die Hand und half ihm auf die Füße. Eine peinliche Stille herrschte. „Nimmst du meine Entschuldigung an?"
„Man merkt, dass du keine Erfahrung mit Entschuldigungen hast." Gab ich lachend zu bedenken. „Weil ich dich gerade auf den Boden geworfen habe, vergebe ich dir, wenn du mir vergibst."
„Deal." Er streckte mir seine Hand entgegen und ich reichte ihm meine. Derek drehte auf dem Absatz um und richtete dabei seine Lederjacke. Im Weggehen meinte er noch: „Du solltest kommen. Die Anderen würden sich freuen." Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr weg. Die Anderen? Er freute sich nicht? Aber er hatte gesagt ich soll kommen. Was tat ich nur?


Take my Breath awayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt