Schwere Verhandlungen

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Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, was ich anziehen sollte. Alles was ich anprobierte gefiel mir nicht. Schlussendlich wurde es eine schwarze Jeans, ein dunkelgrünes T-Shirt und meine Lederjacke. Dazu zog ich meine italienischen Boots an. Draußen schien zwar die Sonne, aber wirklich warm fand ich es nicht. Vielleicht lag es daran, dass wir erst halb neun Morgens hatten.
Gestern Abend hatte ich versucht Mary zu sagen, dass ich vielleicht einen Auftrag hatte. Ich hatte ihr erzählt, dass Stiles an Silvester das Thema Hacken erneut angesprochen hatte, es jedoch nicht schlimm fand. Lydia hatte einen Bekannten, der meine Fähigkeiten gebrauchen konnte. Nichts Illegales. Ich sollte seine Firma auf Internetkriminalität testen. Das gab es in der heutigen Zeit öfters. Wenn der Auftrag stand, würde ich Geld dafür bekommen. Nach ein bisschen diskutieren war sie einverstanden.

Gerade als ich vor dem Gebäude hielt, fuhr Dereks Wagen neben mich. Er stieg aus und nickte mir zu. Wie meistens trug er seine Lederjacke, darunter ein graues Oberteil. Dazu hatte er eine Sonnenbrille auf der Nase und ich musste mir eingestehen, dass sie ihm unglaublich gut stand. Ich konnte seine Augen dahinter nicht erkennen, doch ich spürte wie sie mir bei jedem Schritt zum Aufzug folgten. Als der Aufzug losfuhr sagte Derek: „Lass dich von Peter nicht einschüchtern. Er hat fast immer einen dummen Spruch auf Lager. Und er ist ein Ekelpaket." Na das konnte ja lustig werden. Ich gab darauf keine Antwort, das war auch nicht nötig. Oben angekommen, ging Derek voraus, öffnete die Tür und rief nach Peter.
„Haltet ihr eine Klingel oder ein sicheres Schloss eigentlich nicht für wichtig?" Das war eine Frage, die mich schon länger beschäftigte.
Peter kam die Wendeltreppe nach unten und antwortete mir: „Wir haben hier zwei Werwölfe und nichts Kostbares zu stehlen. Niemand würde sich trauen etwas von uns zu stehlen." Gott war der Typ eingebildet. Derek hatte den Stuhl vom Tisch in der Mitte zum Sofa getragen und wies mit einem Blick auf mich darauf. Dann ließ er sich selbst aufs Sofa fallen. Peter nahm neben ihm Platz. Als ich auf dem Stuhl saß, legte ich meine Füße auf den Kaffeetisch. Normaler Weise tat ich so etwas nicht, doch hier sah sowieso alles schon dreckig aus, sodass es mir egal war.
„Der Tisch ist aus Italien:" kritisierte Peter mein Verhalten.
„Genau wie meine Boots." Konterte ich. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Dereks Gesicht sich für einen Bruchteil einer Sekunde zu einem Schmunzeln verzogen hatte. Ein Lächeln? Es war so schnell weg, dass ich es fast nicht gesehen hätte. Doch die paar Sekunden veränderten etwas in mir. Mit Lächeln sah er so heiß aus und gleich viel sympathischer. Er hatte die Sonnenbrille abgenommen und hielt sie jetzt in den Händen, während er sich auf den Knien abstütze. Er schaute nicht zu uns, sondern schien in seine eigene Spiegelung vertieft zu sein.
„Reden wir jetzt über Innenausstattung und Kleidung oder reden wir über Zahlen?" Wenn Derek meinte, dass Peter immer einen dummen Spruch auf der Zunge hatte, dann spielte ich eben dieses Spiel mit. Genervt stöhnte Peter auf. Dereks Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er schien in seine eigene Welt abgedriftet zu sein. Fast schmerzvoll verzog er das Gesicht.
Auf dem Tisch lag ein Block, ein Blatt vom Block und ein Stift. Peter schrieb etwas auf das Blatt, knallte den Stift provokativ auf den Tisch und schob das Blatt zu mir.
120 Dollar stand darauf geschrieben. Wollte der Typ mich verarschen. Für 120 Dollar tat ich für Niemanden etwas Illegales. Ich blickte Peter in die Augen und schätzte ab, wie weit ich gehen konnte. An Silvester hatte ich herausgehört, dass es sich um viel Kohle zu handeln schien und Peter wollte es auf jeden Fall wieder.
15 000 Dollar schrieb ich auf das Blatt. Wenn ich eine Person finden wollte, musste ich mich in verschiedenste Kamerasysteme und Satelliten hacken. Soweit war ich bis jetzt nur einmal gegangen und dabei hätte man mich fast erwischt. Ich konnte mich gut daran erinnern. Für weniger machte ich das nicht. Ich knallte den Stift genauso wie Peter zuvor auf den Tisch und schob ihm das Blatt hin. Peter betrachtete den Zettel. „Du solltest eigentlich nur Kate finden und nicht den Präsidenten ermorden."
Derek tauchte aus seiner Traumwelt auf und betrachtete erst Peter dann mich. Hatte er Angst, dass Peter nicht zahlte und ich dann nichts tat? Meine vorherigen Zweifel daran, dass Derek mich nur wegen Peter gefragt hatte fielen mir wieder ein.
„Ich muss mich da in ziemlich illegale Sachen hacken. Wenn ich meine Freiheit für sie riskiere, dann kostet sie das etwas."
Erneut nahm Peter den Zettel und schrieb etwas darauf. Ohne ihn auch nur anzusehen, schob ich den Zettel sofort von mir weg. Völlig genervt sprang Peter von Tisch auf und wandert zur Treppe.
Derek nahm den Zettel vom Tisch und zerriss ihn in der Luft. „Wir werden zahlen." Schalltete er sich jetzt mit ins Gespräch ein. Die Hände in die Luft werfend, ging Peter zum Fenster und dreht sich bei Dereks Worten schockiert um. Seine theatralischen Gesten ignorierend fährt Derek fort: „Finde Kate. Mehr wollen wir nicht."
Er hatte Peter völlig übergangen, deswegen drehte ich mich zu ihm um. Um seine Fassung ringend, atmete Peter ein und nickt dann.
Ich hatte einen Job. Hoffentlich ging das gut. Wirklich sicher war ich mir nicht, ob ich das tuen sollte. Langsam drehte ich mich zu Tür. Peter geleitete mich zur Tür und schloss sie ohne einen weiteren Kommentar. Wie nett. Etwas stimmte nicht. Zuerst war Derek vertieft in seine eigenen Gedanken, doch als das Gespräch zu kippen schien war er hellwach. Da steckte noch mehr für ihn dahinter. Unsicher was ich tun sollte bleib ich vor dem Aufzug stehen. Lauschen war nicht mein Ding, aber ich wollte mehr erfahren. Obwohl, seit ich hier war, lauschte ich ständig. Vorsichtig schlich ich wieder an die Tür zurück.
„Hast du den Verstand verloren?" Peter. Seine Stimme klang aufgebracht. „Wir haben keine Wahl. Wir haben eine Woche nach ihr gesucht und nichts gefunden." Verteidigte sich Derek. Das hatte er an Silvester also gemeint, als er gesagt hatte, dass Peter seinen eigenen Problemen nachging. Sie suchten wirklich verzweifelt nach Kate. Peter wegen seinem Geld, aber warum suchte Derek so sehr nach ihr. Wegen dem Geld seines Onkels? Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, warum er das sollte.
Peter ärgerte sich weiter: „Wenn wir nicht herausfinden wer Kater von dem Verlies erzählt hat, kriegen wir die Wertpapiere nicht zurück. Was denkst du was ich dann tue? Mir einen Job suchen? Mein Lebenslauf ist ein wenig veraltet. Wir wurden ausgeraubt! Derek! Ausgeraubt!" Gegen Ende war die Stimme von Peter immer lauter geworden. Ein Glück, dass ich jetzt nicht dort drin war. Ein leises Knurren erklang hinter der Tür und dann hörte ich ein Brüllen. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Derek? Oh Mann. Schnell machte ich wieder einen Schritt vor. Drinnen hörte ich Peter amüsiert sagen: „Oh dieser Ausdruck ist neu. Was ist mit deinen Augen geschehen?"
„Ich weiß es nicht, aber ich will dafür bezahlen um es heraus zu finden."
Seine Augen? Leise schlich ich zum Aufzug und fuhr nach unten. Mein Gefühl war richtig. Es ging Derek nicht um das Geld. Er suchte Antworten. Eigentlich wusste ich nicht ob ich ihnen helfen sollte. Doch dann fiel mir sein Schmunzeln wieder ein. Für diesen Derek würde ich versuchen Kate zu finden. Mit dem Schmunzeln vor Augen fuhr ich weg.


Take my Breath awayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt